Mal Élevé glaubt, dass es so wie bisher nicht weitergehen darf
Erst mit der Heidelberger Formation Irie Révoltés, jetzt als Solokünstler: Mal Élevé verbindet Partymusik und Protest. Wir sprachen mit dem Sänger und Rapper vor seinem Auftritt im Karlstorbahnhof über seinen neuen Sound, politische Ziele und die Vorteile der französischen Sprache.

Von Daniel Schottmüller
Für dich steht in wenigen Stunden der Tourauftakt in Düsseldorf bevor. Wie aufgeregt bist du?
Mal Élevé: Gerade eben, als wir angekommen sind, hab‘ ich noch mal realisiert: Krass, das ist meine erste richtige Tour als Solokünstler. Deshalb bin ich heute schon aufgeregt. Aber wir haben die letzten Tage in Mannheim richtig hart geprobt: Wir sind bereit, eineinhalb Stunden Gas zu geben. Darauf freue ich mich.
Bei deiner Ex-Band Irie Révoltés standet ihr als große Gruppe auf der Bühne. Wie fühlt es sich an, alleine die Show schmeißen zu müssen?
Bei den vereinzelten Konzerten, die ich spielen durfte, ist mir schon aufgefallen, dass es solo anstrengender ist (lacht). Ich liebe es, mit dem Publikum zu interagieren und Stimmung zu machen. Aber wenn du dann noch alle Rap- und Gesangsparts runterratterst, hast du fast keine Pausen. Das Gute ist, durch meine neue Band – vier sehr gute Musikerinnen und Musiker und mein Kumpel Osyris, der mich am Mikro unterstützt – muss ich bei dieser Tour nicht so viel alleine stemmen, wie wenn ich nur mit einem DJ auftreten würde.
Ergeben sich umgekehrt als Solokünstler auch Vorteile für dich?
Klar. Bei Irie Révoltés waren wir zu neunt. In so einer großen Gruppe musst du immer Kompromisse finden. Alleine kann ich genau die Mucke machen, die ich selbst feiere. Meinem aktuellen Album hört man das, glaube ich, auch an: Ich hab‘ mich ein bisschen ausprobiert. Es sind noch ein paar Rap-Stellen mehr zu hören, zum Teil hab‘ ich Trap einfließen lassen und noch mehr Ska-Elemente.
Was bei Irie Révoltés, aber auch bei deinem Album auffällt, ist die Kombination aus ernsten Themen und zum Teil richtig fröhlicher Musik.
Ich versuche immer, Emotionen in meine Lieder zu packen. Gleichzeitig merke ich, dass ich mich selbst am liebsten von positiven Sounds mitreißen lasse. Immer wenn es geht, versuche ich deshalb, ernste Themen auf eine positive Art umzusetzen. Mir gefällt die Herausforderung, tanzbare Songs mit Inhalten zu füllen.
Dein Album heißt "Résistance Mondiale". Gegen wen oder was richtet sich dieser weltweite Widerstand?
Grob könnte man sagen gegen Ungleichheit und Rassismus. "Résistance Mondiale" ist aber nur der Oberbegriff. Die einzelnen Songs widme ich konkreten Themen. In "Police" geht es um Polizeigewalt, "Planet" dreht sich um die Klimakrise. Letztlich geht es mir darum zu sagen: So wie bisher darf es nicht weitergehen. Das ist mein Appell.
Schon als ihr 2000 Irie Révoltés gegründet habt, hattet ihr eine politische Botschaft. Hast du 21 Jahre später das Gefühl, dich noch an den gleichen Problemen abzurackern?
Für mich ergibt weder Naivität noch Resignation Sinn. Deshalb würde ich sagen: Leider sind die großen Themen Ungleichheit, Umwelt und Rassismus gleich akut geblieben. Gleichzeitig haben sich aber auch Dinge verändert. Eine Chance sehe ich darin, dass andere Leute medial Gehör finden als vor 20 Jahren. Gerade Betroffene werden heute öfter gezeigt. Und was noch wichtiger ist: Es sind coole Gegenbewegungen entstanden, zum Beispiel Fridays for Future oder Black Lives Matter.
Glaubst du, die Jugend ist heute politischer als zu deiner Teenager-Zeit?
Auf jeden Fall. Aus meiner Perspektive war da früher nur die Punk-Subkultur, die sich überhaupt getraut hat, sich politisch zu äußern. Jetzt ist da eine viel breitere Masse. Auch unter Kunstschaffenden: Früher waren wir auf großen Festivals die einzige Band, die eine klare politische Message hatte. Heute gibt es ganz viele Musiker, die Stellung beziehen.
Wieso ist es dir wichtig, das Mikro als politisches Sprachrohr zu nutzen?
Ich weiß, wie krass Musik mich damals als Jugendlicher mit ihren Inhalten geprägt hat. Jetzt liegt es an mir zu zeigen, dass eine andere Welt möglich ist. Mit Irie wollten wir anfangs vielleicht auch deshalb unsere Plattform politisch nutzen, weil andere das damals nicht getan haben.
Neu war damals auch, dass ihr aus Genregrenzen ausgebrochen seid.
Ich bin über Ska und Reggae zu Dancehall und wieder zurück zu Rap gekommen. Ich mochte aber auch Punkrock und wollte mich nicht für ein Genre entscheiden müssen. Den anderen ging es genauso. Mein Bruder kam zum Beispiel stärker vom Hip-Hop und hat Leute wie Toni-L und Torch gefeiert. Also sagten wir uns: Wir machen unser eigenes Genre – was damals eher ungewöhnlich war. Als Band hatten wir deshalb lange Schwierigkeiten: Der Reggae-Szene waren wir nicht Reggae genug. In der Hip-Hop-Szene wurde nie über uns berichtet, weil wir keine Rap-Combo waren. Und nach Punkrock klangen wir auch nicht. Live fanden uns dann aber doch alle gut. Und auf einmal hatten wir Leute mit Iro, Käppi und Dreads nebeneinander vor der Bühne stehen.
Neu war für viele auch, dass ihr auf Französisch gesungen habt.
Bei Konzerten in Frankreich kam das Deutsche nie so gut an wie das Französische in Deutschland (schmunzelt). Die Leute in der Rhein-Neckar-Region fanden das aber tatsächlich direkt cool. Für uns war das auch keine schwierige Entscheidung: Mein Bruder und ich sind zweisprachig aufgewachsen und waren uns schnell einig, dass Französisch für uns besser klingt. Zu dem Zeitpunkt war die deutsche Sprache in der Musik auch noch sehr verkrampft – selbst im Rap. Im Englischen und Französischen konntest du Wörter anders aussprechen, sie lang ziehen und verändern.
Das fünfte Konzert der Tour führt dich nach Heidelberg. Freust du dich?
Ich freue mich immer, wenn ich in Heidelberg bin. Obwohl ich in Berlin lebe, bin ich noch oft in der Region – auch weil meine Eltern in Mannheim und Heidelberg leben. Und zum Karlstorbahnhof hab‘ ich sowieso eine emotionale Verbindung. Da fand 2003 unser erstes richtig großes Konzert mit Irie Révoltés statt. Hunderte standen vor der Tür, die nicht mehr reinkamen. Zuletzt war ich letztes Jahr im Rahmen des Dokumentarfilms "Gegen den Strom – abgetaucht in Venezuela", an dem ich mitgewirkt habe, beim Open-Air-Kino des Karlstorbahnhof. Wenn mich nicht alles täuscht, findet unser Auftritt genau an der gleichen Stelle statt.
Info: Mal Élevé tritt am 25. August im Heidelberger Karlstorbahnhof auf. Karten gibt es ab 28,50 Euro beim RNZ-Ticketservice.