ARD-Tatort

Berliner Tatort ist nichts für Zartbesaitete

Zwischen buddhistischer Spiritualität und Folterkeller: Der Krimi versetzt  einen zurück in die 90er.

03.05.2024 UPDATE: 05.05.2024 04:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden
Verstörender Blick hinter die Kulisse der Vorstadt: Karow (Mark Waschke) und Bonard (Corinna Harfouch) entdecken in einer Garage eine Folterkammer. Foto: ARD/RBB

Von Alex Wenisch

Berlin. Im Berliner Tatort "Am Tag der wandernden Seelen" machen die Ermittler einen grausigen Fund. Dabei zeigt sich der schroffe Kommissar Karow von einer anderen Seite.

Was ist passiert? Der 59-jährige Hans Engler wird tot mit 19 Messerstichen im Oberkörper in seinem Haus gefunden – doch es gibt weder Einbruchsspuren noch Hinweise auf einen Raubmord. Schnell stellt sich für das Kommissar-Duo Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) die Frage: Was ist, wenn das Opfer selbst Täter war? Denn im Haus des Toten finden sie einen verstörenden Folterkeller: Kabelbinder, Heizkolben, Messer in verschiedenen Größen liegen herum und es riecht nach verbrannter Haut, wie Karow feststellt. Eine Kamera hat die Horror-Szenarien, die man als Zuschauer nicht sieht, sich aber ausmalen kann, aufgezeichnet. Es wird klar: Eine Frau hat Engler offenbar aus Notwehr getötet und ist dann geflohen. Die Spur führt in eine vietnamesische Community.

Worum geht es wirklich? Um das Grauen, das sich hinter einer bürgerlichen Fassade auftut. Die Nachbarn des toten Täters sind extra aus der City raus in die Vorstadt gezogen, damit die Kinder sicher aufwachsen. Ihre einzige Sorge bisher: dass die Kleinen das gleiche Spielzeug bekommen wie alle, weil sie sonst gemobbt werden.

Wie schlagen sich die Ermittler? Vor allem Bonard, einstige LKA-Größe, überfordern die Geschehnisse. Ihrem Kollegen gesteht sie: "Ich hätte ihn auch umgebracht." Aber auch den schroffen und rationalen Karow lässt der Fall nicht kalt. Er sei noch in der Lage, fassungslos zu sein, sagt er. Und als er VHS-Kassetten mit offensichtlich grausigen Aufnahmen aus dem Keller sichtet, muss er anschließend würgen. Trotz der eher wortkargen Dialoge wachsen die Kommissare in ihrem zweiten Fall emotional näher zusammen.

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Was ist die Stärke dieser Folge? Nicht nur die Einrichtung im Haus des Opfers führt zurück in die 90er. Auch die Geschichte um die vietnamesische Community erinnert an die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992. Das ist sehr geschickt verknüpft. Und man erfährt von Bonrad: Diese Zeit war der Grund für sie, Polizistin zu werden. "Ich war vorher Lehrerin, ich mochte meine Arbeit. Dann haben meine ehemaligen Schüler angefangen, den rechten Arm zu heben. Ich hatte das Gefühl, ich hab’ eine Verantwortung."

Was sind die Schwächen? Die Verbindung zwischen buddhistischer Spiritualität der vietnamesischen Gemeinschaft (auf die sich der Titel der Folge bezieht) und dem Horror-Keller – das sind starke inszenierte Kontraste. Was insgesamt aber etwas überstrapaziert wird. So entstehen ärgerliche Längen in der Erzählung.

Und sonst? Für Tatort-Nerds – in einer Szene erwähnt Karow: "Ich steh nicht so auf Mücken." Eine Anspielung auf einen älteren Fall "Das Leben nach dem Tod" (2019). Damals lag auch ein Nachbar tot in der Wohnung, Karows Nachbar. Und auch Mücken spielten da eine Rolle.

Was kann man von diesem Tatort fürs Leben lernen? Das Böse ist immer noch etwas böser, als man denkt.

Sonntag, 20.15 Uhr, lohnt es sich einzuschalten? Auch wenn nicht gezeigt wird, was in dem Folterraum wirklich passiert ist: Zartbesaitete Seelen sollten diesmal eher nicht einschalten.