ARD-Krimi

Warum der neue Wien-Tatort kein "Muss" ist

Im Tatort aus Wien machen alle Beteiligten Extremerfahrungen. Besonders eine junge Ermittlerin.

25.02.2023 UPDATE: 26.02.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 51 Sekunden
Arnold Cistota (r., Valentin Postlmayr) war der berufliche Mentor des Toten. In einer Molkerei, die er auf Vordermann sanieren soll, schlägt ihm der Hass entgegen. Foto: ORF/Petro Domenigg

Von Daniel Bräuer

Wien. Junge IT-Schnösel und alteingessene Arbeiter. Erfahrenes Ermittlerduo und aufstrebende digitalaffine Kommissarin. Die Angst, alles zu verlieren oder etwas zu verpassen. Im Wiener "Tatort" prallen Gegensätze aufeinander. Doch der Fall "Was ist das für eine Welt" braucht, bis er in Fahrt kommt.

Was ist passiert? Marlon Unger liegt erstochen im Hausflur. Spuren und Zeugen gibt es kaum. Die Ermittlungen führen schnell ins berufliche Umfeld. Denn dass Marlon nicht der beliebte Strahlemann war, für den man ihn hält, liegt auch an dem IT-Startup, für das er arbeitet: Dessen Software hilft vor allem, Personal einzusparen. Ein Rachemotiv? Auch die vermeintlich emotionsfreie Beziehung ("Friends with benefits") zur Kunststudentin Anna (Marlene Hauser) ist in Wahrheit gar nicht so unkompliziert. Oder könnte Marlons demente Mutter in Umnachtung zum Messer gegriffen haben?

Worum geht es wirklich? Um die ganz große Frage: Worauf kommt es im Leben an? Was ist dir wichtig? Polizeiassistentin Meret Schande (Christina Scherrer) nennt als oberste Priorität ihre Beziehung. Doch die ist längst zur faden, sprachlosen Enttäuschung verkommen. Auch die Ehe von IT-Experte Arnold Cistota ist vor lauter Arbeit erkaltet. Moritz Eisner und Bibi Fellner träumen davon, mal wieder wild und ausgelassen zu sein – wenn ihnen nur einfiele, wie! Und auch für den oberflächlichen Hedonismus des Mordopfers Marlon gibt es Gründe.

Wie schlagen sich die Ermittler? Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) sind ja längst so etwas wie das alte Ehepaar des Tatort. Das ist unterhaltsam, wenn sie augenzwinkernd über Drogenerfahrungen (von Freunden...) sprechen. Oder wenn sie grandios aneinander vorbeireden, weil Moritz mal wieder über alles Mögliche sinniert, nur nicht über den Fall. Treibende Kraft ist derweil Assistentin Meret – die sich abstrampelt, ernstgenommen werden will und von ihren Chefs doch nur abgekanzelt wird. Das tut weh. Selbst wenn die Arbeit doch erst an fünfter Stelle kommt. Umso mehr, wenn man fatale Fehler macht.

Was ist die Stärke dieser Folge? Das Zwischenmenschliche: Eisner und Fellner schrammen knapp an einem Techtelmechtel vorbei. Der Pfleger Kajetan Krajnc wirft ein Schlaglicht auf das Leben mit Demenzpatienten. Und wie Rainer Egger den wegrationalisierten armen Schlucker spielt, ist kurz, aber eindringlich.

Was sind die Schwächen? Die Geschichte plätschert in zwei etwas sperrig verschränkten Zeitebenen dahin, ehe die letzten fünf Minuten wirklich den Puls hoch treiben. Aus dem interessanten Ansatz, den Fall wie zu Beginn buchstäblich aus Merets Perspektive zu erzählen, hätten die Autoren (Thomas Weingartner und Stefan Hafner) mehr machen können. Und das Gut-Böse-Schema der Auflösung ist recht scherenschnittartig geraten.

Und sonst? Den Soundtrack bilden Songs der Indie-Rock-Band "Kreisky", die auch einen Gastauftritt hat. Mag am Ende nur keiner mehr hören.

Was kann man vom Tatort fürs Leben lernen? Bibi weiß natürlich, "wos a Micro-Doser is". Der Rest erfährt: Jemand, der Drogen in praktisch nicht nachweisbaren Kleinstmengen konsumiert, zum Beispiel um die Leistung zu steigern.

Sonntag, 20.15 Uhr, lohnt es sich einzuschalten? Muss nicht sein, ist aber auch kein großer Fehler.

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