Sound der Woche

Skunk Anansie will keine Nostalgie aufkommen lassen

Das neue Album von Skunk Anansie klingt dringlicher denn je. Außerdem reingehört haben wir auch bei Morcheeba, Ezra Furman, Julian Knoth und Taj Mahal & Keb' Mo.

21.05.2025 UPDATE: 25.05.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde
Foto: dpa​

Von Steffen Rüth

"An Artist Is An Artist", macht Skunk-Anansie-Sängerin Skin gleich zu Beginn des neuen Albums deutlich. Und eine Künstlerin als solche lasse sich weder von der Menopause noch von sonstigen Begleiterscheinungen des Älterwerdens aufhalten. Deborah Anne Dyer vor fast 58 Jahren im damaligen Londoner Arbeiterstadtteil Brixton als Tochter jamaikanischer Eltern zur Welt gekommen, stellt also direkt klar, dass sie nichts, aber auch gar nichts, von ihrer geballten Energie, Wut und Überzeugungskraft verloren hat.

Skunk Anansie, die vor 30 Jahren ihr Debütalbum "Paranoid & Sunburnt" mitsamt der Karaoke-freundlichen Singles "Weak" und "Hedonism" veröffentlichten, setzten seinerzeit einen unverwechselbaren Akzent zwischen Grunge und Brit Pop. Auf Vergangenheitsverklärung haben sie deshalb aber noch lange keine Lust. "Als Künstlerin befasse ich mich nicht damit, was war, sondern mit dem, was ist und was vielleicht sein wird", so Skin.

Der Rückkehr von Oasis etwa steht die Sängerin, die mit ihrer Frau und der 2021 geborenen Tochter überwiegend in New York lebt, einigermaßen gleichgültig gegenüber. "Schön für die Brüder. Und schön für ein paar Millionen Fans, dass sie nochmal für einen Abend ihre Jugend aufleben lassen können. Aber Comebacks, die nur auf Nostalgie basieren, halte ich für unvollständig und ein wenig ermüdend. Sie hätten sich wenigstens was Neues einfallen lassen können." So wie Skunk Anansie ...

Seit dem vorherigen Album "Anarchytecture" sind auch schon wieder neun Jahre ins Land gezogen, in denen die Leben der Mitglieder Skin, Ace, Cass und Mark Richardson von Freude, Verlust und Veränderung durchzogen waren. "Wir wären beinahe für immer auseinandergegangen", berichtet Skin. Taten sie aber nicht. Stattdessen erarbeiteten sie zehn Songs, die sich zwischen unbarmherzig ("This Is Not Your Life"), dystopisch-verführerisch ("Animal") euphorisch ("Cheers") und episch ("My Greatest Moment") bewegen.

"The Painful Truth" ist eine dieser Platten, die man laut hören sollte. Die Songs hauen rein, sie berühren – manchen gelingt sogar beides gleichzeitig ("Meltdown"). Ein, zwei Prisen Experimentierfreude stecken drin. Doch im Grunde – dafür sorgt schon Skins einzigartige Stimme – klingt "The Painful Truth" im allerbesten Sinne vertraut.

So gelingt dieser Band das seltene Kunststück, dass Album Nummer sieben kein bisschen weniger dringlich und intensiv wirkt wie Album Nummer eins. Menopause oder Älterwerden zum Trotz.


Info: "The Painful Truth" erscheint diesen Freitag. Im Juli spielen Skunk Anansie in Wiesbaden und Saarbrücken.








Arcade Fire und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Morcheeba

Escape The Chaos

Fusion Die Masterminds des Trip-Hop melden sich aus London zurück: mit einem vielschichtigen elften Studioalbum, auf das sich das Warten gelohnt hat – Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut ... Jetzt kommt der Sommer und Morcheeba laden mit "Escape The Chaos" dazu ein, in der Chillout-Area Platz zu nehmen und loungeartige Psychedelic-Vibes zu inhalieren. Ross Godfrey (Keys/Gitarre) und Soulstimme Skye Edwards versprühen mit Titeln wie "Call For Love" sonnige Ambient-Atmo. "We Live And Die" würde aber auch einem Bond-Soundtrack alle Ehre machen. Und zwischendurch reißen einen immer wieder treibende Elektro-Beats aus den Clubsesseln. Abgefahren! (teu) ●●

Für Fans von: Massive Attack

Bester Song: Peace Of Me


Ezra Furman

Goodbye Small Head

Artrock Es ist verdammt intensiv, was Ezra Furman auf "Goodbye Small Head" veranstaltet. Die US-Amerikanerin erschafft ein beinahe klaustrophobisches Kaleidoskop des Leids, des Kontrollverlusts – auf eine Art: des Lebens. Dafür bewegt sie sich gekonnt zwischen knarzendem Seventies-Rock und modernem R’n’B umher und verklausuliert kaum. Schmerz wird hier unmittelbar ausgedrückt, nicht beschönigt und klingt vielleicht deshalb so überwältigend. (han) 

Für Fans von: Lou Reed

Bester Song: Power Of The Moon


Julian Knoth

Unsichtbares Meer

Songwriter Die größte Bekanntheit dürfte Julian Knoth wohl als Sänger und Bassist der Stuttgarter Indierocker Die Nerven haben. Doch was, wenn Songs nicht ins Bandkorsett passen? Genau: Soloalbum. Die Arbeit an "Unsichtbares Meer" begann 2020, in der Pandemie-Einsamkeit, nur mit Stimme und Gitarre. Auf zehn Stücke angewachsen, ergänzen jetzt Schlagzeug, Saxofon und Streicher den Sound. Dennoch tropft die Einsamkeit aus jeder Note, jeder Zeile. Düster. (sös) 

Für Fans von: Jungstötter

Bester Song: Ohne Namen


Taj Mahal & Keb’ Mo

Room On The Porch

Blues Mit dem zweiten gemeinsamen Album laden Taj Mahal und Keb’ Mo auf ihre Terrasse ein. Schon "TajMo", die erste Zusammenarbeit der beiden Blues-Legenden, erntete 2017 einen Grammy. Mit "Room On The Porch" legen sie nun eine weitere Platte nach, die rotzigen Blues gekonnt mit folkiger Wärme kombiniert. Neben Eigenkompositionen enthält das Album Cover von Klassikern wie "Nobody Knows You When You’re Down And Out". Die Reibeisenstimme Taj Mahals ergänzt sich dabei hervorragend mit Keb’ Mos samtigem Bariton. Ja, "Room On The Porch" klingt wie ein von Gitarren begleiteter Sonnenuntergang auf einer Südstaaten-Veranda – man möchte sich gerne dazusetzen. (juf) ●●

Für Fans von: Eric Clapton, B.B. King

Bester Song: Room On The Porch