Sound der Woche

Für Jeremias stirbt und lebt alles

Die Indiepop-Band Jeremias gibt sich berauschend romantisch. Außerdem reingehört haben wir auch bei Vollbeat, Cardinal Black, Alma Naidu und Watchhouse.

04.06.2025 UPDATE: 08.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 5 Sekunden
Foto: dpa​

Von Christina Sticht

Ein Konzert in der Elbphilharmonie, eine gemeinsame "Mambo"-Runde mit Herbert Grönemeyer und schon jetzt ausverkaufte Hallen für die Tour im Herbst: Jeremias haben sich innerhalb kurzer Zeit in die erste Liga des Deutschpops gespielt. Mit poetischen Texten und modernem Sound spiegeln die vier Hannoveraner das Lebensgefühl der Gen Z. Um Aufbruch geht es in ihren eingängigen Indiesongs, um Sehnsucht, Lebenslust, Liebeskummer. "Trust", also Vertrauen, lautet jetzt der Titel ihres neuen Albums.

Die zwölf Songs knüpfen klanglich an den Vorgänger "Von Wind und Anonymität" (2023) an. Geprägt sind sie natürlich von Jeremias Heimbach (24) und seiner besonderen Art zu singen: Der Sohn einer paraguayischen Mutter schmettert mit Gefühl in der Stimme, aber kitschfrei, ohne übertriebenes Pathos. Vor allem die Ballade "Meer" hat das Zeug, zum Klassiker zu werden. Über 31 Millionen Spotify-Abrufe innerhalb weniger Wochen sprechen für sich.

Produziert werden Jeremias von Tim Tautorat, der bereits mit AnnenMayKantereit oder Provinz am neuen deutschen Indiepop-Sound gebastelt hat. Die Nähe zu diesen Vorbildern lässt sich auf "Trust" nicht verleugnen. Aber wie schon bei den beiden Vorgängeralben finden sich auch auf der neuen LP wieder quirlig-groovige Disco-Songs à la The Parcels, melodiöser Elektropop und chansonartige Balladen.

Die Texte befassen sich mit dem Thema Vergänglichkeit, oft sehnt man sich nach einer unmöglichen Liebe. "Alles blüht und verwelkt, alles stirbt und lebt. Drehst du dich um, wenn du gehst?", heißt es in "Meer". Nicht nur hier geben sich Jeremias als Romantiker: "Fallen" beschreibt das Glück in der Natur ("Und spürst du, die Luft ist warm, und wir sind frei?") und die Sehnsucht nach einem "kleinen Haus am Wald" mit Freunden.

Intim bis still gestaltet sich dann auch die Promo für dieses Album. Denn wie Universal mitteilt, haben sich Jeremias entschieden, keine Interviews zu geben. Das hat Gründe: Im vergangenen Jahr berichteten Medien über Vorwürfe des Machtmissbrauchs. Der Fotograf der Band soll Fans unmoralische Angebote unterbreitet haben – frei nach dem Motto Gästenlistenplätze-gegen-Nacktfotos. Die Zusammenarbeit sei beendet worden, hieß es daraufhin von Jeremias. Seither informieren die vier Musiker in sozialen Medien prominent über ihr Awareness-Team und Safer Spaces auf Konzerten.

Inwiefern sich der Skandal auf den kometenhaften Aufstieg dieser Band und die Verkäufe von "Trust" auswirkt, wird sich zeigen. Rein musikalisch dürfte ihr kraftvolles neues Album die Fans aber auf jeden Fall abholen.


Info: "Trust" ist aktuell erhältlich. Am 4. Oktober kommen Jeremias nach Frankfurt, am 8. Oktober nach Stuttgart.








Miley Cyrus und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Volbeat

God Of Angels Trust

Metal Die drei Dänen um Michael Poulsen wollten diesmal alle Regeln über Bord werfen: keine Rücksicht auf Konventionen – was gefällt, geht. Nichts verdeutlich das so gut wie das aberwitzig betitelte "In The Barn Of The Goat Giving Birth To Satans Spawn In A Dying World Of Doom", das wie die Persiflage einer Countryhymne anfängt und in einem jaulenden Shredder-Solo endet. Der Spagat zwischen querliegenden knüppelharten Riffs und eingängigen Melodien mit Ausflügen in Punk oder Rock’n’Roll gelingt dann auch öfter als nicht. Und zwischen düsteren Horrortexten über Serienmörder und Weltuntergänge sinniert Poulsen sogar über Depressionen, Verlust und seinen verstorbenen Vater. (hol) ●●

Für Fans von: Black Sabbath

Bester Song: Demonic Depression


Cardinal Black

Midnight At The Valencia

Bluesrock Dass sich Cardinal Black 2010 aufgelöst hatten, kurz vor ihrem eigentlichen Durchbruch – man vermutet es nicht. So dicht verwachsen, so vertraut verschlungen klingen die rockenden Songs der Waliser. Doch inzwischen sind Tom Hollister, Gitarrist Chris Buck und Schlagzeuger Adam Roberts ja auch schon wieder einige Jahre zusammen unterwegs. Der gemeinsame Sound: gern bluesig, immer mal wieder rumpelnd, aber ohne Scheu vor stadiontauglichem Pathos. (sös) 

Für Fans von: Eric Clapton

Bester Song: Your Spark (Blows Me To Pieces)o


Alma Naidu

Redefine

Jazz/Pop Bereits Album Nummer eins hat ihr euphorische Rezensionen beschert. Jetzt legt Alma Naidu 13 Songs nach, die Freunde melodischer Jazzklänge verzücken dürften. Während die Besen stilsicher übers Schlagzeug streichen, singt die Münchnerin begleitet von Raphaela Gromes, Nils Landgren oder Jason "JT" Thomas (Snarky Puppy) Lieder, die ihr inneres Wachstum reflektieren. Warum das trotz allen Anspruchs so easy ins Ohr flutscht? Alma hat ein Herz fürs Musical. (dasch) 

Für Fans von: Laufey

Bester Song: Company


Watchhouse

Rituals

Folk Instagram hat der Folkpop-Szene einen Schub versetzt: Kaum ein Van-Life-Video, das nicht von Akustikgitarre, kuschligem Harmoniegesang, Banjogeplänkel oder einer verträumten Fiddel begleitet wird. Rein klanglich dürften auch Watchhouse der Fraktion der Teuren-Kaffee-aus-der-Campingtasse-Schlürfer zusagen. Emily Frantz und Andrew Marlin haben aber noch mehr zu bieten. Bei dem einst als Mandolin Orange bekannten Duo aus North Carolina reichen die Folkwurzeln tief. Genauso tief wie die poetisch-hinterfragenden Texte der elf "Rituals"-Songs. Vor allem aber die Art, mit der die Stimmen der verheirateten Musiker harmonisch aneinander reiben, macht ihre Lieder einzigartig. (dasch) ●●

Für Fans von: Josh Ritter, Blind Pilot

Bester Song: All Around You