"Ich tauche dreißig Meter tief"
Das Meer gibt Sarah Connor Frieden, Ruhe und Stille im Kopf.

Von Steffen Rüth
Auch wenn Sarah Connor nicht an der Küste lebt, fühlt sie sich dem Meer sehr verbunden. Im Gespräch mit Steffen Rüth erzählt die 44-Jährige von ihrem neuen Album "Freigeistin", Monogamie und Apnoetauchen.
Sarah, wir erreichen dich in Südfrankreich. Warst du heute schon im Meer?
Sarah Connor: Im Meer noch nicht, aber immerhin kurz am Strand.
Lebst du jetzt an der Küste?
Nein, ich bin nur für ein paar Tage hier. Mein Haus ist in der Provence, mitten in der Natur. Aber morgens aufzustehen, einfach ins Meer zu springen und unter Wasser zu sein, das ist für mich das Allerschönste. Mehr brauche ich nicht, keinen Schnickschnack und vor allem kein Theater um meine Person.
Aus den Medien war zu erfahren, dass du mit deinem Mann und euren zwei jüngsten Kindern ausgewandert bist. Ist da was dran?
Ich bin nicht ausgewandert. Wir verbringen schon seit Jahren zwischendurch Zeit in Frankreich, und jetzt waren wir zum ersten Mal für drei Monate am Stück über den Winter hier. Die Kinder sind hier auch zur Schule gegangen. Aber jetzt im Sommer, wo es hier ein bisschen voll wird, gehen wir wieder nach Berlin. Denn der Sommer ist auch in Berlin schön.
Das Meer spielt auch auf deinem neuen Album "Freigeistin" eine große Rolle. Es gibt die epische Liebesballade "Tief wie das Meer", und zu Beginn des Stücks "Du bist da draußen" singen Orcas.
(lacht) Das sind Buckelwale. Die haben wir mit dem Hydrofon in Mexiko aufgenommen.
Was bedeutet dir das Meer?
Das Meer gibt mir Frieden. Ruhe und Stille im Kopf. Es nährt meine Seele. Hier bin ich komplett im Moment und brauche nichts anderes. Im Wasser habe ich das Gefühl, ganz klein und unwichtig zu sein. Das Meer flößt mir Respekt ein. Es verzaubert und fasziniert mich. Ich kann mir stundenlang unter Wasser Korallenriffe angucken oder die Schnecken im Seegras. Alles, was es da unten gibt. Niemanden interessiert unter Wasser, wer ich bin.
Kannst du tauchen?
Ja. Ich trainiere Apnoetauchen, um so lange wie möglich unter Wasser bleiben zu können, wenn ich einen Wal treffe – ohne Hilfsmittel. Ich bin so dankbar für die Geschenke, die ich vom Meer schon bekommen habe. Für die unglaublichen Begegnungen mit wunderschönen Tieren.
Freitauchen ohne Sauerstoff ist ja eine echte Spezialdisziplin und nicht ungefährlich. Wie tief kommst du runter?
Ich tauche dreißig Meter tief. Ohne Schlitten, ohne Sauerstoff. Das übe ich mit einem Trainer. Das ist tatsächlich ein Extremsport. Du darfst niemals alleine tauchen, nicht mal in der Badewanne, weil die Gefahr von einem Blackout besteht. Ich habe tiefen Respekt vor diesem Sport.
Kommt es dir auf der Bühne zugute, lange die Luft anhalten zu können?
Total! Wenn ich einen langen Ton halte, zum Beispiel bei "From Sarah With Love" denke ich oft: Das schaffst du, gleich bist du oben. Das ist tatsächlich, wie Auftauchen aus dreißig Metern (lacht).
Tauchen dein Mann und deine Kinder auch mit?
Mein Mann kann sehr tief tauchen. Fast so tief wie ich, aber er übt es eigentlich nur um mich im Notfall retten zu können. Meine Kinder sind alle gern im Wasser und lieben es zu schnorcheln und zu tauchen. Ich versuche, ihnen ein Bewusstsein dafür zu geben, dass der Ozean und die Natur schützenswerte Lebensräume sind, auf die wir gut aufpassen müssen.
Den Kopf freibekommen, den Moment genießen, all das hat auch sehr viel mit den Themen auf deinem Album "Freigeistin" zu tun, oder?
Ja, das hat es. Die Idee für den Albumtitel hatte übrigens meine beste Freundin, die mich so nennt.
Wofür steht der Begriff?
Er beschreibt am besten die Art und Weise, wie ich fühle und über Dinge nachdenke. Ausbruch und Aufbruch sind die Themen der Platte. Durch meinen Beruf und die Aufmerksamkeit, die er mit sich bringt, hat sich mein Leben viele Jahre sehr eng angefühlt. Außerdem bin ich früh Mutter geworden, hatte seit Anfang 20 viel Verantwortung. Der Raum, den ich für mich hatte, war sehr klein, sodass ich irgendwann das Bedürfnis hatte, mich freizuschwimmen. Jetzt, da die Kinder größer werden, habe ich endlich die Chance dazu.
Wonach hast du gesucht?
Ich wollte wissen, wer bin ich eigentlich, wenn keiner guckt? Möchte ich vielleicht ein ganz anderes Leben, einen ganz anderen Beruf? Deshalb musste ich die letzten Jahre auf die Reise gehen, ganz alleine, und das hat mir gutgetan.
Welche Dinge sind das?
Wie pflegst du eine lange Beziehung? Wie erhältst du dir als Paar das Gefühl des Verliebtseins? Warum haben wir Verlustängste? Warum haben wir das Bedürfnis, alles zu kontrollieren? Und wie überwinde ich meine Bindungsängste?
Bist du nicht seit vielen Jahren verheiratet?
Das bin ich, und trotzdem hatte ich lange kein wirkliches Vertrauen in tiefe Bindungen. Die Gründe dafür liegen weit in meiner Vergangenheit. Das Wort "Ehe", klang früher für mich immer auch wie "Enge".
Im Lied "Warum sind wir so" geht es um ein Paar, das sich teure Geschenke macht, aber manchmal den ganzen Tag keinen Kuss gibt.
Ich kenne solche Momente, wo du denkst "Wann haben wir eigentlich aufgehört, uns richtig anzugucken und uns zuzuhören, seit wann weichen wir uns aus?" Da beginnt die Arbeit. Man muss dranbleiben, sonst wird die Beziehung wahrscheinlich irgendwann zu Ende sein. Oder aber man hat den Mut, sich als Paar sowie individuell zu entwickeln.
Im Begleittext zu "Freigeistin" stellst du die Frage, ob man wirklich monogam sein kann. Was denkst du selbst?
Ich weiß es nicht. Ist Monogamie wirklich natürlich? Bei den Tieren kommt sie selten vor. Bei vielen Spezies, etwa den Orcas, gibt es die "female choice", das heißt, das meist eher unscheinbare Weibchen sucht sich das größte, stärkste und schönste Männchen aus. Und zwar immer wieder neu für jede Paarung. Damit die DNA die beste Qualität hat. Das Weibchen sichert somit die Weiterentwicklung der Art. Bei uns Menschen hat "Mann" oder die Kirche sich irgendwann mal ausgedacht, dass die Weibchen brav zuhause bleiben und die Kinder großziehen, während die Männer in die Welt ziehen und sich umschauen. Wir Frauen sollen gefälligst den Herd hüten und nicht auf die Idee kommen, uns weiter umzusehen. Aber rein biologisch ist das überhaupt nicht der Plan.
Info: "Freigeistin" erscheint diesen Freitag. Am 1. April 2026 spielt Sarah Connor in der SAP-Arena, Mannheim.