Plus SAP-Arena Mannheim

Eros Ramazzotti ist ein verspielter Unterhalter (plus Fotogalerie)

Der 59-Jährige zeigt in der voll besetzten SAP-Arena, warum er weit mehr ist als nur Italiens Schmusebarde.

06.03.2023 UPDATE: 05.03.2023 15:30 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Topfit und sonor wie eh und je: Eros Ramazzotti bei seinem Auftritt in Mannheim. Foto: vaf

Von Daniel Schottmüller

Mannheim. Exakt 14 Tage zuvor hat Eros Ramazzotti seinen Tourauftakt in Deutschland abgesagt. Der Kehlkopf machte dem 59-Jährigen zu schaffen, der Auftritt in Stuttgart musste verschoben werden. Kein Wunder, dass am Samstagabend die bange Frage über der SAP-Arena schwebt: Hält die Stimme? Eine Sorge, die sich spätestens nach "I Belong To You (Il Ritmo Della Passion)" in Wohlgefallen auflöst: Eros klingt so wunderbar raspelig, weich, nasal und breit, wie seine Fans sich das wünschen. Zum Ausklang der Powerballade jauchzt, flüstert und gluckst sich der Sänger zusammen mit Roberta Gentile sogar in einen regelrechten Endorphinrausch. Die beiden stecken sich die Zeigefinger in den Mund und lassen die Backen ploppen. Original-Duettpartnerin Anastacia vermisst in diesen Sekunden niemand mehr.

Überhaupt offenbart sich der Römer in der ausverkauften Arena als verspielter Unterhalter. Natürlich tischt er jene Songs auf, zu denen Ehepaare anstoßen, wenn der Nachwuchs freitagabends das Haus verlassen hat. Aber er kann mehr als gemächlich-romantischen Chianti-Rock. Gitarre spielen, zum Beispiel. Am Ende von "Se bastasse una canzone" lässt der Sänger, Songwriter und Produzent seine weiße Stratocaster so sehnsuchtsvoll aufjaulen, wie man das sonst nur vom Kollegen Zucchero kennt. Ein paar Minuten später hängt sich Ramazzotti die Akustikklampfe um den Hals und lädt seine Band zur Lagerfeuerrunde ein. Im Sitzen lässt er, begleitet von Akkordeon, Bass, Cajon, Slide- und Westerngitarre, die Funken sprühen. "Solo con te" vom 1988er-Album "Musica è" fungiert dabei nur als Einheizer eines minutenlangen Jams, der mit einem rhythmischen Duell gegen den Perkussionisten endet.

Ja, Ramazzotti ist klug genug, seine zehn Mitmusiker glänzen zu lassen – allen voran Marco Scipione. Der Mann mit der Basecap beherrscht alles: von der Trompete bis zum Saxofon, vom ausladenden Schmachter bis zum funky Discosound. Cool, wie er bei "Ritornare a ballare" Ramazottis improvisierte Scat-Sounds adhoc verwertet. Und klingt das kurz darauf mit Speed abgefeuerte Saxofon-Intro nicht nach AC/DCs "Thunderstruck"? Immer wieder zeigt sich die Vielfalt, zu der Ramazzotti und seine Mitmusiker fähig sind. Ein Disney-artiges Liebesduett wie "Più che puoi" (im Original mit Cher) wird dabei mit genauso viel Hingabe performt wie Bob Marleys "No Woman, No Cry". Und Ramazzotti, der seine Songs gerne auch auf Spanisch aufnimmt (in Mannheim gibt es zwei dieser Versionen), hat auch noch Latin-Grooves im Gepäck. Mit dem salsatauglichen "Fuoco nel fuoco" beweist er, warum sich Ricky Martin und Luis Fonsi gerne das Studio mit ihm teilen. "Baila!", ruft der Sänger in Richtung Publikum.

Ansonsten fällt die Kommunikation bis auf "Guten Abend" und "Dankeschön" italienisch aus. Für mehr als die Hälfte der Halle scheint das keine Barriere darzustellen. Und "bravo", "grazie" oder die kecke Nachfrage "tutto bene?" verstehen auch die anderen. Ja, die Tifosi sind gut drauf. Gerade im Innenraum hält es nur wenige auf ihren Sitzen. Stattdessen tanzt und hüpft man ausgelassen auf der Stelle, wenn man sich nicht gerade im Takt der Balladen wiegt. Obwohl die Tour dem aktuellen Album "Battito Infinito" gewidmet ist, sind es die alten Hits, die die zumeist über 50-Jährigen strahlen lassen: "Dove c’è musica", "Un emozione per sempre" oder "Cose della vita", zum Beispiel.

Dabei sind auch die 2022er-Songs nicht zu verachten. Der Titeltrack etwa beginnt melancholisch am Klavier, nimmt eine rockige Wendung und schließlich ein episch-orchestrales Ende (– Roberta Gentile und Monica Hill entfalten nicht nur hier die Wirkung eines ganzen Chores). Und auch "Sono", das Poprock-Duett mit Alejandro Sanz, der am Samstag nur auf der Großleinwand erscheint, hat Hit-Potenzial – wieder einmal.

Ja, Eros Ramazzotti hat es geschafft, zeitgemäß zu bleiben. Die fette Apple-Watch am rechten Handgelenk hätte es dafür gar nicht mal gebraucht ... Nach vier Jahrzehnten im Business, 70 Millionen verkaufter Alben und zwei Ehen wirkt der einst so zart anmutende Frauenschwarm heute gefestigt und mit sich im Reinen. Und so ist an diesem Abend eine gesunde Prise Humor spürbar, wenn Eros mit den Damen in der ersten Reihe flirtet.

Nach zwei Stunden verabschiedet sich der Sänger mit dem Lied, das er einst für Michelle Hunziker komponiert hat: "Più bella cosa". Ramazzotti zückt sein Smartphone und filmt lächelnd mit. Die letzten Zeilen des Chorus singen Künstler und Publikum dann gemeinsam, aus voller Kehle: "Grazie di esistere".

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