Heidelberg

Intendant plant unverdrossen weiter

"Wir erleben einen großen Hype": Intendant Holger Schultze im Gespräch über die Sehnsucht des Publikums nach Kultur.

17.12.2021 UPDATE: 28.12.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 52 Sekunden
Holger Schultze. Foto: voe

Heidelberg. (voe) Wer in den vergangenen zwei Jahren die Verantwortung für Theater, Museen oder andre Kulturinstitutionen hatte, musste vor allem eins sein: krisenfest. Die Schließung über Wochen und Monate, neue Streaming-Formate, häufig wechselnde Sicherheitsanforderungen nach der Rückkehr zum Live-Betrieb mit Publikum – all das erforderte Flexibilität, Kompromissbereitschaft und den Willen dazu, Schwierigkeiten durch Ideenreichtum zu kompensieren. Das galt und gilt in allen Kultureinrichtungen. Auch Heidelbergs Intendant Holger Schultze plant unverdrossen weiter. Vor allem aber macht er dem hiesigen Publikum ein großes Kompliment.

Herr Schultze, sind die Besucher wegen der Einlasskontrollen und berechtigter Vorsicht angesichts der Pandemie zurückhaltend beim Kartenkauf?

Von September bis November hatten wir unglaubliche Zahlen, höher noch als vor dem Beginn der Pandemie. Jetzt darf das Haus nur noch zu 50 Prozent besetzt sein, deshalb mussten wir bei den im Voraus gekauften Karten umdisponieren. Schwieriger im Verkauf ist es beim Weihnachtsmärchen, weil die Schulen zurückhaltend sind. Auch beim Musiktheater bzw. beim "Winter in Schwetzingen" spüren wir Zurückhaltung. Insgesamt ist die Sehnsucht der Menschen nach Kultur aber enorm, das lesen wir auch aus den vielen Mails und Briefen, die wir erhalten.

Wie lange können denn die Einschränkungen noch künstlerisch und finanziell getragen werden?

Künstlerisch erleben wir einen großen Hype, hier in Heidelberg, aber auch bundesweit. Das liegt an den vielen neuen Erzähl- und Spielformen, die ausprobiert werden. Finanziell leben wir von den Reserven. Es wird schwieriger, aber wir machen weiter.

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Die Bundestagswahl hat manches verändert, auch die Kulturpolitik, die nun auf der kommunalen, der landes- und der bundespolitischen Ebene grün geprägt ist. Was bedeutet das fürs Heidelberger Theater?

Hier in der Stadt führen wir wirklich gute, konstruktive Gespräche miteinander. Auf Landesebene gibt es kaum Kontakte. Sehr viel verspreche ich mir von der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Während meiner Augsburger Zeit habe ich sie als aufgeschlossene, interessierte Persönlichkeit kennengelernt. Es ist ein starkes Zeichen, dass sie als eine ihrer ersten Amtshandlungen das Gorki-Theater in Berlin besucht hat. Für mich ist sie eine große Hoffnungsträgerin, die die freie Szene, die Clubs, die Museen und die Stadttheater als ganz wesentliche Säulen der Kultur betrachtet.

Bei den "One-Hit-Wonders" oder "Eintagsfliegen" kommen im Heidelberger Theater die unterschiedlichen Handschriften aus dem Kreis der Mitarbeiter zum Zuge, aber nur ein Mal.

Sie kommen zum Zuge – und sind Zugnummern, gerade beim jungen, studentischen Publikum. Schade nur, dass jeweils nur 40 Besucherinnen und Besucher in den Zwinger kommen dürfen. Es gab schon immer ein großes Bedürfnis von Ensemblemitgliedern und dem gesamten künstlerischen Personal, eigene Projekte zu realisieren, das ist auch ein Zeichen des gesellschaftlichen Wandels.

Alban Bergs "Lulu", Tschechows "Kirschgarten" oder Becketts "Endspiel" sind landauf, landab bewährte Spielplanpositionen. Ganz ungewöhnlich klingt hingegen das Heidelberger Rechercheprojekt "Villa Abendsonne" zum Thema Altenpflege.

Das ist es auch. Und wieder ist es ein Zeichen für den gesellschaftlichen Wandel. Wir haben alle mitbekommen, welche Dramen sich in den Pflegeeinrichtungen durch die Corona-Isolation abgespielt haben. Das Thema betrifft uns alle und gehört auf die Bühne.

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