Im Studio von Mario von Bucovich ließen sich die Stars ablichten
Der Fotograf wird in der Kunsthalle Mannheim wiederentdeckt. Er spielte mit dem Mittel der Unschärfe.

Von Susann Behnke-Pfuhl
Mannheim. Wie eine Göttin blickt uns die Leinwandlegende an: Auch Marlene Dietrich ließ sich – wie viele andere Berühmtheiten der damaligen Zeit – von Mario von Bucovich (1884-1947) ablichten.
In den 1920er Jahren galt er als bedeutender internationaler Fotograf. Bedingt wohl durch die Wirren der beiden Weltkriege und die vielen verschiedenen Lebensorte geriet er in Vergessenheit. Dies will die Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim nun ändern, die seine Fotografien von 1925 bis 1947 zeigt.
Wie Kuratorin Manuela Husemann sagt, sei es sehr spannend, diesen Fotografen, der auch in allen wichtigen Zeitschriften der damaligen Zeit veröffentlichte, wiederzuentdecken. Etwa 200 Werke sowie 250 Postkarten und Zeitschriften in Vitrinen präsentieren einen Meister der Stile, der sich nicht auf eine Richtung festlegen ließ. Erst vor wenigen Jahren wurde der Nachlass in einer alten Garage in Mexiko-Stadt entdeckt. Den erwarb der Fotohistoriker Eckhardt Köhn, der auch die Retrospektive in der Kunsthalle Mannheim anregte.
Der in Pola, Istrien (heute Kroatien) geborene von Bucovich hatte als Diplom-Ingenieur in mehreren Berufen gearbeitet und sich als Amateurfotograf betätigt, bevor er mit 41 Jahren das gut eingeführte Fotografenstudio Schenker in Berlin übernahm. Zunächst um den Erhalt der Stammkunden bemüht, fotografiert er im Stil des Vorgängers in realistischer Manier und setzt vor allem das Mittel der Unschärfe ein. Bald entwickelte er seinen eigenen Stil. Sein einnehmender Charakter und sein sprachliches Talent – er beherrschte sechs Sprachen – kamen ihm beim Umgang mit Schauspielern und Mitgliedern der Berliner Gesellschaft zugute. Porträts der Schauspieler Elisabeth Bergner, Gustav Fröhlich oder der Tänzerin Ruth Walker sind zu bewundern.
Von seinen Aufenthalten in Berlin und Paris sind immer noch Fotobücher im antiquarischen Handel erhältlich. Die Retrospektive zeigt eine Auswahl dieser Bilder, die den Alltag und die Sehenswürdigkeiten der beiden Metropolen veranschaulichen. Die Aufnahmen in dem "Berlin-Band" spiegeln oft neusachliche Tendenzen. Das Vorwort zu dem Bestseller schrieb Alfred Döblin. In Paris zeigt er etwa dunstige Szenen an der Seine, deren Licht an die impressionistischen Bilder Monets erinnert. Der mörderische Straßenverkehr auf den Boulevards ist Teil seiner ganzheitlichen Betrachtungsweise der Städte als Organismus. Der Blick auf Details interessiert ihn nicht.
Auch die Fotografie "Schatten" von 1928 zeigt das "Neue Sehen", das in der Tradition des Bauhauses eine neue Wirklichkeitserfahrung ermöglichen sollte. Hier bekommt der Schatten eines Fahrrades ein das Bild bestimmendes Eigenleben. Ein weiterer Höhepunkt sind die Aktbilder. Ihm ging es bei diesem Genre um die Form; dies lässt sich auch in der Serie der Rückenakte erkennen.
Sein abenteuerlustiges Leben führte ihn in den 1930er Jahren nach London und schließlich nach New York. Dort lichtet er für seinen Bildband "Manhattan Magic" (1937) die Wolkenkratzer aus touristischem Blickwinkel ab, sowie alles, was ihm vor die Linse kommt. Bald danach unternimmt er Reportagereisen für große amerikanische Tageszeitungen. Er bekommt den Auftrag, den russischen Revolutionär Leo Trotzki zu fotografieren, der im Exil in Mexiko lebt. Dies bringt den unkonventionellen Charakter dazu, wieder umzuziehen und sich von Landschaft und Leuten zu weiteren fotografischen Werken inspirieren zu lassen, die in Mannheim in einer Auswahl präsentiert werden. 1947 stirbt von Bucovich bei einem Autounfall in Mexiko-City.
Info: "Berlin, Paris und anderswo – Mario von Bucovich. Fotografien 1925-1947" im Studio der Kunsthalle Mannheim. Bis 5. Oktober 2025. Di. sowie Do. bis So. jeweils 10-18 Uhr, Mi. 10-20 Uhr.