Gregorian auf großer Jubiläumstour in Mannheim
Olaf Neumann mit Peterson (61) über erfolgreiche Popsongs und Konzerte in Russland. Konzert am Dienstag, 21. Februar um 20 Uhr.

Ihr Projekt Gregorian ist mittlerweile 25 Jahre alt. Überrascht es Sie noch, dass Sie mit Rock- und Popsongs im sakralen Gewand so erfolgreich sind?
Frank Peterson: Das ist wahrscheinlich die Formel, die einfach funktioniert. Und warum auch nicht? Die Songs, die wir aufnehmen, sind ja nicht schlechter geworden, und auch der Chor klingt immer noch genau so wie vor 25 Jahren. Wir haben weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. Man kann mit dieser Formel auch nicht so richtig falsch liegen. Die Darbietungsweise wird diesen Songperlen gerecht mit Gesang, der seit dem Mittelalter Bestand hat. Das, was nach Reißbrett aussieht, aber sehr organisch klingt, scheint den Leuten seit 25 Jahren zu gefallen.
Wie muss ein Titel sein, damit Sie ihn neu interpretieren?
Gregorianik verzichtet auf Halbtöne, das ist bei den meisten Popsongs auch so. Die klingen, wenn man sie gregorianisch singt, fast immer authentisch. Wir sind sehr bemüht, Songs, die man kennt, neues Leben einzuhauchen. Wir haben das jetzt sogar mit unseren eigenen Songs gemacht, die wir vor 20 Jahren aufgenommen haben.
Auf dem neuen Album interpretieren Sie Klassiker wie "Follow You Follow Me", "One", "The Sound of Silence” oder "Scarborough Fair”. Haben diese Songs Sie geprägt?
Das sind alles Songs, mit denen ich aufgewachsen bin und die ich einfach liebe. Wir haben noch nie einen Titel aufgenommen, den ich furchtbar finde. Das ist meine persönliche Lebens-Playlist. In den meisten Fällen deckt sich mein persönlicher Geschmack mit dem Massengeschmack. "One" von U2 zum Beispiel ist simpel wie ein Folksong. Wir haben daraus etwas völlig anderes gemacht. Richtig gute Songs kann man auf dem Klavier spielen oder fett produzieren – sie werden immer gute Songs bleiben.
Sie haben Ihren ersten Single-Hit "Moment Of Peace” aus dem Jahr 2001 neu aufgenommen. Welcher Konflikt hat Sarah Brightmans jüngere Schwester Amelia damals zu dem Text inspiriert?
Gibt es solche Konflikte nicht ständig irgendwo auf der Welt? Ich weiß nicht mehr, wann Amelia den Text geschrieben hat, auf jeden Fall spielen wir ihn noch. Leider Gottes ist er immer aktuell. Bei einer unseren Tourneen hatten wir Bilder vom Bürgerkrieg in Syrien auf einer Leinwand eingeblendet. Das war ein bisschen ein Downer für unser Publikum. Im Nachgang bereue ich dies ein wenig.
Mit dem Stück sind Sie auch schon in Israel aufgetreten. Können Sie sich an die Reaktionen erinnern?
Wir sind auf Einladung des Papstes bei einem Friedensfest in der Nähe von Nazareth in einem uralten Amphitheater aufgetreten. Das israelische Publikum liebt uns, wir spielen da öfter. Im Moment ist es aber leider eher schwierig.
Sind Sie vor dem Angriff auf die Ukraine auch in Russland aufgetreten?
Wir haben große Tourneen mit der Transsibirischen Eisenbahn in ganz Russland unternommen, sind in Wladiwostok und in ganz großen Arenen aufgetreten. Ein paar Wochen vor dem Attentat des Isis in der Krokus-Halle haben wir dort noch gespielt, aber seit dem Ukrainekrieg sind wir nicht mehr in Russland gewesen. Ich weiß nicht, wann es mal wieder soweit ist und ob ich überhaupt noch Bock auf das Land habe. Aber Russland ist uns als Markt spürbar weggebrochen, und für unsere Fans dort tut es mir sehr leid.
Ist auch der Kontakt zu russischen Fans und Veranstaltern abgebrochen?
Ja, das kann man so sagen. Wir haben auch öfters in der Ukraine gespielt, wo wir viele Fans haben. Uns liegen Angebote sowohl aus Kiew als auch aus Tel Aviv vor. Die wollen zeigen, dass es bei ihnen weiter geht wie gewohnt, aber ich will das nicht riskieren. Das passt jetzt einfach nicht.
Haben Lieder heutzutage denn noch eine Wirkung?
Das weiß ich nicht. Musik ist sowohl textlich als auch musikalisch sehr oberflächlich geworden. Auch, wie sie konsumiert wird. Sie ist ein bisschen zu einem Wegwerfprodukt verkommen. Früher hat man sich von seinem Taschengeld vielleicht ein Album pro Monat leisten können, und darauf hat man aufgepasst wie auf seinen Augapfel. Heute hingegen hat man ein Streaming-Abonnement. Dementsprechend geht Musik nicht mehr so richtig nah und hat auch nicht mehr das, was Generationen verändern kann.
Kate Bushs Hit "Running up that Hill” von 1985 ist dagegen ein schmerzhaftes Beziehungslied, das uns noch heute berührt. Warum?
Vor allen Dingen, wenn ich daran denke, wie wir diesen Song live darbieten... Das macht schon eine Gänsehaut. Bei diesem Titel haben wir die Essenz des Songs wirklich toll umsetzen können.
Aus welchen Kulturen und Religionen kommen denn Ihre Chorsänger?
Das sind alles Profis, die auch in Kirchenchören singen. Mit Ausnahme unseres rumänischen Sopranisten Narcis kommen alle Gregorian-Sänger aus England, Irland und Wales. Die haben dort eine lange Chortradition und eine gute Studio-Infrastruktur – und sie singen akzentfrei. Wenn ich so etwas mache, dann nur in England, habe ich mir damals gesagt. Wir nehmen unsere Platten nur in umgebauten Kirchen auf, weil die authentisch klingen.
Sie lebten lange in Miami. Gibt es am erneut gewählten US-Präsidenten Donald Trump aus Ihrer Sicht auch etwas Gutes?
Ja, er kauft alle meine CDs. Ich weiß das, weil er ein großer Fan von Sarah Brightman ist. Wenn wir in New York oder Washington spielen, ist er immer dabei. Immer. Und er kommt auch Backstage. Sarah beginnt in einem Monat ein neue Tour. Ich glaube, Trump steht schon auf der Gästeliste. Man kann sich seine Fans halt nicht aussuchen. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, wie 50 Prozent der Amerikaner diesem Typen komplett erlegen sind. Das ist wie eine Sekte. Er kann machen, was er will. An dem Spruch, er könne am Times Square am hellichten Tag jemanden erschießen, ohne dass ihm das irgendwie schadet, ist etwas dran.
Info: Frankfurt, Dienstag, 21. Februar, 20 Uhr, Alte Oper. Karten von 62,15 bis 99,70 Euro. Mannheim, Mittwoch, 22. Februar, Rosengarten. Karten von 64,25 bis 94,15 Euro auf www.eventim.de.