Frech und ein bisschen frivol: Miriam Markl, Markus Schultz und Kerstin Kiefer (v.l.) holen Beethoven und andere Persönlichkeiten ganz Corona gerecht vom Sockel. Foto: Dagmar Welker
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. In der Rumpelkammer der Unsterblichkeit geht es beengt zu. Neben dem römischen Helden Coriolanus – dem Shakespeare 1609 eine Tragödie gewidmet hat – , drängen sich hier Kaiser Franz I. von Österreich, die Aphrodite Kallipygos (mit dem "prachtvollen Hintern", so die Übersetzung) sowie Johann Nepomuk Mälzel, der das Metronom entwickelt hat. Und natürlich Beethoven. Dass über den längst noch nicht alles gesagt ist, macht Kerstin Kiefer in der Uraufführung von "Unsterblich" deutlich, die am Samstag im Heidelberger Stift Neuburg für 100 Gäste über die Wanderbühne des Theaters Carnivore ging.
Kerstin Kiefer verkörpert Josephine Gräfin Deym von Stritetz, deren Mann unter dem Decknamen Müller ein Wachsfigurenkabinett erschaffen hatte, in dem die oben aufgeführten Zelebritäten ihren Platz einnahmen. Dass Josephine die Adressatin des Briefes ist, den Beethoven am 6. Juli 1812 an seine "Unsterbliche Geliebte" verfasste, ist historisch nicht belegt. Aber es ist so gut möglich, dass diese Tändelei den Heidelberger Schriftsteller Marcus Imbsweiler zu einer Geschichte inspiriert hat. Darin mischen sich Zitate aus den Briefen des Paares mit musikalische Auszügen aus Beethovens Werken. Regisseur und Wanderbühnen-Gründer Florian Kaiser macht daraus eine Collage aus Musik, Sprache und Tanz, die das Premierenpublikum im Stift Neuburg bestens unterhielt.
Nur drei Darsteller stemmen – Corona gerecht hinter Spuckschutz und Maske – eine Vielzahl von Rollen. Die grazile Tänzerin Miriam Markl schlüpft in die unterschiedlichen Persönlichkeiten des Wachsfigurenkabinetts, vom martialischen Coriolanus bis zur biegsamen Aphrodite – und natürlich bis zu Beethoven persönlich, mit wilder Lockenperücke und samtenem Gehrock. Ihr zur Seite steht Markus Schultz als namenloser junger Mann, der die gesamten zwei Stunden über stumm bleibt und sich nur durch seine Mimik ausdrückt. Das allerdings höchst eindrucksvoll.
Das Regiment auf der Bühne bestimmt die "unsterbliche Geliebte", die Kerstin Kiefer als ziemlich unwirsche Muse gibt, die den Herren gehörig die Leviten liest. "Sie führen Krieg, sie verhandeln über die Zukunft, sie haben Frauen als Deko und Matratze", schleudert sie dem Publikum entgegen. Von dieser Kritik bleibt auch Beethoven nicht verschont, dem sie gleichwohl gesteht, dass sie seine "sinnliche Liebe (als verheiratete Frau) nicht befriedigen kann".
Die Aufführung hat alles, was es in diesen Zeiten braucht: Witz, tolle Schauspieler und einen wunderbaren Spielort mit viel Abstand im Klosterhof, samt vorbeispazierendem Mönch, Vogelgezwitscher und sich herabsenkender Dämmerung. Nix wie hin!
Info: Weitere Aufführungen sind am 30. 7., am 1.8. sowie am 4./5. 9., jeweils um 20 Uhr. Karten bei den RNZ-Geschäftsstellen und www.wanderbuehne.com