Pietro de Maria. Foto: Leonardo Ferri
Von Simon Scherer
Mannheim. Auch das Konzertleben bleibt vom Corona-Virus nicht verschont. Geahnt hat man es schon vorher, erfahren jedoch erst am Abend selbst: Das Orchestra della Toscana darf derzeit nicht auftreten. Grund war der von der italienischen Regierung beschlossene Mindestabstand von einem Meter, bei dem staatliche Institutionen nur noch arbeiten dürfen. Für ein Orchester schlicht nicht realisierbar. Nachdem allen Besuchern Gratiskarten für die nächsten ProArte-Konzerte angeboten wurden, blieb schließlich Solist Pietro de Maria übrig. Mit einem von pianistischen Evergreens gespickten Wohlfühlprogramm hat er seine Zuhörer allerdings schnell besänftigt.
Schwerpunkt vor der Pause war Chopin, dessen Mazurken Nr. 4 a-Moll, 2 C-Dur und 3 cis-Moll ein wirkungsvolles Pendeln zwischen Schwermut und Heiterkeit boten. Charakteristisch für de Marias Spiel war sein selbstbewusster Anschlag, forsch und eindringlich mit dominanter Melodieführung, was umso deutlicher das launische Naturell seiner freizügigen Agogik in den Mittelpunkt rückte. Oft von traumverlorenen Gedanken getrieben, blieb man an diesen Melodien schnell haften. Weiter setzte der Italiener auf größte Transparenz: Alles war klar abgetrennt und geordnet, nichts drohte durch sparsamen Pedaleinsatz zu verschwimmen. Mehr Legato hätte manches allerdings weniger technisch wirken lassen.
Mit mehr Pedal und Volumen gestaltete er die Ballade Nr. 1 g-Moll gleich viel emotionaler, wo selbst virtuoseste Passagen für seine Finger keinerlei Hürden darstellten. Und kein Ton blieb unbeachtet. Als Meister der Übersicht erwies er sich weiter im Nocturne Nr. 2 Des-Dur, deren ausdrucksstarke Melodiestimme von der linken Hand äußerst sensibel und einfühlsam untermalt wurde. Eindringlich warnende Appelle steckten im Scherzo Nr. 2 b-Moll, dessen dezidierte Wucht von Sprüngen ins demütige Pianissimo kontrastiert wurde.
Beethovens "Mondschein-Sonate" begann ungewohnt schnell, wie ein flüchtiger Luftzug, während die rechte Hand dominant und eigenwillig agierte: mit vehementen Warnsignalen, bevor sie in tiefe Traumtäler abfiel. Nach einem gleichmäßigen Duktus fürs Allegretto preschte er mit atemberaubender Technik ins Presto überaus angriffslustig vor.
Dritter im Bunde war Liszt, in dessen "Valse caprice Nr. 6" besonders der kindliche Übermut im heimlichen Abseits aufhorchen ließ. Geschmackssache waren seine raschen Abphrasierungen im Sonetto 104 E-Dur, das von der "Campanella" gis-Moll Gesellschaft bekam. Auch dieser Ohrwurm erhielt durch robuste Sticheleien und grelle Schärfe gern ein neues Antlitz.
Die Zugaben führten wieder zu Chopin (Walzer und Polonaise), womit de Maria der Corona-Opfer gedachte, da Musik für ihn immer auch ein Gebet ist.