Vom Alltag in kriegerischen Zeiten: Szene aus „Für Sama“. Foto: zg
Von Wolfgang Nierlin
Heidelberg. Dieser Film aus dem syrischen Bürgerkrieg ist radikal subjektiv, parteiisch und emotional. "Für Sama" von Waad al-Kateab und Edward Watts analysiert nicht die politischen Zusammenhänge und Hintergründe des blutigen Konflikts. Stattdessen zeigt er aus der persönlichen Innenperspektive den Alltag der Menschen unter den Schrecken des Krieges. In teils drastischen Bildern gibt er Zeugnis vom qualvollen Leiden und Sterben, von Zerstörung und Tod, damit die Welt erfährt, was sie lieber nicht wissen will. Zugleich dokumentiert der Film den täglichen Überlebenskampf, den die Filmemacher mit einem gewissen Freiheitspathos propagieren.
Zuallererst ist "Für Sama" aber ein Videobrief, den die Filmerin Waad al-Kateab, von persönlichen Worten aus dem Off begleitet, an ihre im Krieg geborene Tochter Sama richtet. Auch hier will die junge Mutter Zeugnis geben für die Nachgeborenen, wobei die Frage nach der Verantwortung für das Leben zum zentralen Konflikt wird.
Denn Waad und ihr Mann Hamza, der als Arzt in einem selbst gegründeten Krankenhaus Notoperationen durchführt und Verletzte versorgt, entscheiden sich trotz der immer bedrohlicher werdenden Lage in Aleppo zu bleiben. Die Verbundenheit mit der Heimat und dem Kampf für Gerechtigkeit sowie die Solidarität mit den Menschen lässt sich aus ihrer Sicht nicht trennen von der Sorge um das eigene Kind. "Du bist das Schönste in unserem Leben", sagt Waad zu der kleinen Sama.
In teils rauen, verwackelten Handybildern, deren Ethik und Herstellung zu befragen wäre, und in der Gewissheit ihrer Bestimmung erzählt Waad al-Kateab von der Angst zu sterben und von der Zerbrechlichkeit des Glücks. Dabei hält sich der Film, der mit den Protesten im Frühjahr 2012 einsetzt, an keine Chronologie.
Im Mittelpunkt steht vor allem die sechsmonatige Belagerung Aleppos zwischen Juli und Dezember 2016, von deren lebenspraktischen Aspekten man gerne mehr erfahren hätte. Der Versuch, ein normales Leben zu leben, wird, wie es einmal heißt, immer mehr zu einer Form des Widerstands. Als der Belagerungsring immer enger wird, die Opferzahlen steigen und die Versorgungslage weitgehend zusammenbricht, bleibt das schmerzliche Verlassen der Heimat schließlich unausweichlich.
Info: Heidelberg, ab Donnerstag täglich im Kino Gloriette.