Zorica Nusheva als Petrunya in der Schlüsselszene des Films. Foto: Verleih
Von Wolfgang Nierlin
Heidelberg. Petrunya (Zorica Nusheva) ist die Frau auf dem spiegelglatten Eis, die aus der Vogelperspektive allein und verloren wirkt. Morgens versteckt sie sich unter der Bettdecke und will nichts wissen vom Tag. Die 32-jährige Historikerin ist noch ledig und zudem arbeitslos. Weshalb sie Stress hat mit ihrer Mutter, die Petrunya zu einem von ihr arrangierten Vorstellungsgespräch in einer Näherei treibt. "Nackt fühle ich mich frei", sagt Petrunya. Doch dann sieht sie sich wie in einem Verhör einem sexistischen Macho-Chef gegenüber, der ihr unmissverständlich und demütigend zu verstehen gibt, dass sie weder für die Arbeit noch fürs Bett tauge. Bezeichnenderweise sitzt die Bewerberin ihrem Seelenpeiniger dabei in einer Art Glaskasten gegenüber, der sich mitten in der von Näherinnen bevölkerten Fabrikhalle befindet. Petrunya ist eine öffentliche Frau.
Diese Schutzlosigkeit einer Verhörsituation setzt sich später auf der örtlichen Polizeistation fort. Die Titelheldin aus Teona Strugar Mitevskas Film "Gott existiert, ihr Name ist Petrunya" ist dort gelandet, weil sie auf angeblich "blasphemische" Weise die Regeln einer "heiligen Tradition" verletzt hat. Bei der jährlichen Kreuzzeremonie am Dreikönigstag, die nur Männern vorbehalten ist, hat nämlich in einer spontanen Anwandlung Petrunya das Glück bringende Kreuz aus dem eiskalten Flusswasser gefischt. Und damit neben der Kirche einen wütenden Macho-Mob gegen sich aufgebracht.
Nur eine offenbar geschiedene Fernsehjournalistin (Labina Mitevska, auch Produzentin), die den Fall für ihre Zwecke instrumentalisieren möchte, scheint sie zu unterstützen: "Wenn wir an Traditionen festhalten, gibt es keinen Fortschritt."
Wenn in Teona Strugar Mitevskas preisgekröntem Film vermeintlich göttliche Regeln und eine unklare weltliche Rechtslage aufeinanderprallen, trägt das bei allem Ernst groteske Züge. "Was, wenn Gott eine Frau wäre?", wird in dem Durcheinander der Meinungen, die kaum eine Annäherung zulassen, einmal gefragt. Mit verhaltener Ironie und parodistischer Lust inszeniert die nordmazedonische Regisseurin einen Stillstand, der die Konfrontation zwischen männlicher Aggressionswut und weiblicher Selbstbehauptung zugleich gesellschaftlich deutet. Denn das religiöse Glücksversprechen scheint einerseits soziale Not zu kompensieren. Andererseits befördert es das Wunder der Liebe. Petrunyas (nicht zuletzt mit Symbolen aufgeladene) Beharrlichkeit, einmal in einem frontalen Blick auch an den Zuschauer adressiert, erzeugt schließlich Stärke und hinterlässt Spuren.
Info: Heidelberg, Karlstorkino, OmU: 14., 15., 18., 19. und 20. November.