Hintergrund Wer sagt was ...?

27.08.2018 UPDATE: 27.08.2018 08:30 Uhr 1 Minute, 24 Sekunden

Hintergrund Wer sagt was ...?

Vergewaltigung eines Jungen, Herstellung und Besitz tausender Kinderpornos - beim Prozess gegen den Ex-Leiter eines Kindergartens in Heilbronn geht es auch um die quälende Frage, wie der heute 31-Jährige so lange unentdeckt bleiben konnte. Zwei Jahre liegen zwischen dem ersten Verdacht und der Absetzung im Kindergarten. Die Positionen zu dem Fall im Überblick:

Angeklagter: Laut Landgericht hat der 31-Jährige "geständige Angaben" gemacht. Er werde im Prozess ein Geständnis ablegen, kündigte sein Verteidiger Thomas Amann an - auch um seinem Opfer eine Aussage vor Gericht zu ersparen. "Unbedingt" wolle sein Mandat eine Sexualtherapie absolvieren und "nie mehr in seinem Beruf mit Kindern arbeiten". 2014 war der Mann noch vom Bundesfamilienministerium für seine Arbeit ausgezeichnet worden. Neben seinem Job organisierte er Geburtstagsfeiern und Ausflüge, hatte ehrenamtlich viele Kontakte. Die Eltern des Opfers ließen ihren Sohn bei ihm übernachten.

Opfer: Wie und wo sich Täter und Opfer kennenlernten, war zuletzt nicht ganz klar. Als die sexuellen Übergriffe 2012 begannen, war der Junge laut Gericht sechs Jahre alt. Bis Anfang 2018 soll ihn der Angeklagte meist in seiner Wohnung in Heilbronn in 19 Fällen sexuell missbraucht haben. Der Erzieher soll dies auch gefilmt haben. Mehrere Fälle wurden in der Anklage als Vergewaltigung eingestuft. Der Junge tritt als Nebenkläger auf, steht auf der Zeugenliste.

Ermittler: Schon 2016 geriet der Erzieher ins Visier der Polizei. Dass sie es bei dem Verdächtigen in Sachen Kinderpornografie mit einem Erzieher, gar dem Leiter eines Kindergartens, zu tun hatten, bemerkten die Ermittler ein Jahr lang nicht. Dass dies ein Fehler war, räumte die Polizei später ein. Dem Beruf von Beschuldigten in Kinderporno-Fällen werde künftig größere Bedeutung beigemessen - ebenso, ob der Verdächtige ehrenamtlich vermehrt Kontakt zu Kindern hat, versprach die Polizei.

Kirche: Nach bisherigen Erkenntnissen erfuhr die Kirche als Arbeitgeber des Erziehers im Herbst 2017 von den Ermittlungen. Warum er bis Anfang 2018 weiter in der Kirchengemeinde arbeiten durfte, versucht ein Krisenteam unter dem ehemaligen Bundesrichter Ulrich Hebestreit aufzuklären. Zeitliche Vorgaben habe er nicht, hieß es bei der Evangelischen Landeskirche. Es gelte "alles zu tun, damit sowas nicht wieder passiert", sagte Sprecher Oliver Hoesch. Ein damals für den Kindergarten zuständiger Kirchenpfleger hatte sich selbst angezeigt und ein Disziplinarverfahren gegen sich in Gang gebracht. (dpa/lsw)