Hintergrund Synagoge jüdisches Leben Heidelberg

18.01.2019 UPDATE: 18.01.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 46 Sekunden

Jüdische Gemeinde Heidelberg

Viermal wurde eine Gemeinde gegründet - Immer wieder wurden Juden vertrieben, verfolgt und ermordet - 48 Jahre lang räumliche Provisorien nach dem Holocaust

Die erste Gemeinde - 13. Jahrhundert: Schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts lebten wohl einzelne Juden in Heidelberg, der erste schriftliche Beleg für jüdisches Leben in der Stadt stammt aus dem Jahr 1275. Doch 1348 unterstellte man den Juden, die Brunnen vergiftet und so die Pest ausgelöst zu haben: Viele wurden ermordet, andere vertrieben - die erste jüdische Gemeinde in Heidelberg wurde vernichtet.

Die zweite Gemeinde - 1350 bis 1390: Mitte des 14. Jahrhunderts wurden Juden aus Worms und Speyer aufgenommen - sie lebten in der "Judengasse" (heute: Dreikönigstraße). Die Synagoge stand an der Ecke zur Unteren Straße. Schon 1390 wurden erneut alle Juden vertrieben. Ihr Besitz - samt der hebräischen Handschriften aus der Synagoge - ging an die Universität, die vier Jahre zuvor gegründet worden war.

Die dritte Gemeinde - 1666 bis 1940: Über 270 Jahre vergingen, bis 1666 wieder jüdische Familien formell in Heidelberg aufgenommen wurden. 1714 durften sie in der Mantelgasse 1 im "Haus zur blauen Lilie" einen Betsaal einrichten. Damals lebten elf jüdische Familien in der Stadt. Die Gemeinde wuchs, blieb aber lange sehr klein. 1724 promovierte erstmals ein jüdischer Student an der Universität - in Medizin. Erst nach 1810 durften Juden an allen Fakultäten studieren.

Am 12. April 1878 wurde in der Mantelgasse die neue Synagoge eingeweiht. Das jüdische Leben blühte auf. Zahlreiche Vereine wurden gegründet, viele Juden fassten im Geschäftsleben Fuß: So gehörte das heutige Kaufhaus Henschel (Ex-Kraus) in der Hauptstraße der jüdischen Familie Rothschild. In der Spitze - im Jahr 1925 - lebten 1412 Juden in Heidelberg.

Die Nazis zerstörten ab 1933 das jüdische Leben: In der Pogromnacht im November 1938 brannte die Synagoge aus, im Februar 1939 wurde sie abgebrochen. Im Oktober 1940 wurden fast alle badischen Juden ins französische Gurs deportiert - darunter waren 292 Heidelberger. Viele wurden später in Osteuropa ermordet.

Die vierte Gemeinde - seit 1946: Der US-Militärrabbiner richtete am 1. September 1946 in der Klingenteichstraße 4 einen Betsaal ein. 1955 hatte die Gemeinde 104 Mitglieder - die meisten osteuropäische Staatenlose. Seit 1950 gab es in der Villa Julius in der Häusserstraße (an der Stelle der heutigen Synagoge) ein jüdisches Altersheim, samt Betsaal. Der Vorsitzende des Oberrats der Israeliten Badens, Werner Nachmann, schloss den Betsaal 1976, weil er einen Neubau plante. Die Gemeinde musste in eine alte Backstube im Hinterhof der Rohrbacher Straße 18 ziehen. 1986 ging die Odyssee weiter - in Büroräumen im Einkaufszentrum Darmstädter-Hof-Centrum.

Schon 1988 gab es in der Häusserstraße einen Spatenstich für eine neue Synagoge - doch dann passierte jahrelang nichts. Die großen Pläne Nachmanns - ein über 20 Stockwerke hohes Gebäudes mit Synagoge, Hochschule und Museum - hatten den Bau blockiert. Und so wurde erst im Juni 1992 der Grundstein für den dann umgesetzten, dezenteren Neubau gelegt. (rie)