Hintergrund - Esther Bejarano 1
Esther Bejarano - eine der letzten Zeitzeuginnen des Holocaust
Am Abend noch mit der "Microphone Mafia" auf der Bühne, am Morgen schon wieder ein Interview, bevor es zur Einweihung des neuen Wieslocher Schulgebäudes weitergeht: Woher Esther Bejarano mit ihren 95 Jahren die Kraft für dieses Programm nimmt, kann sie selbst nicht so recht sagen. "Ich weiß es selbst nicht, ich habe sie eben." Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass sie bei all diesen Gelegenheiten mit jungen Leuten in Kontakt ist. "Das ist für mich ganz wichtig, denn viele Schüler und Jugendliche wissen nicht, was damals geschah."
Esther Bejarano aber kann ihnen all das sagen, aus erster Hand. Als jüngstes von vier Kindern einer liberalen jüdischen Familie 1924 in Saarlouis geboren, war sie ein Teenager, als der Krieg begann. Sie überlebte die nationalsozialistische Herrschaft, sogar das Vernichtungslager Auschwitz. Dort verbrachte sie 1943 als 18-Jährige einige Monate und war auch Mitglied des Mädchenorchesters, bevor sie ins Konzentrationslager Ravensbrück verlegt wurde.
"Ich habe Angst, dass sich alles wiederholt", sagt Bejarano heute. Sie überlebte die Lager, die Kälte, den Hunger. Mitglieder ihrer Familie wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Es gebe heute viele rechtslastige Parteien und Bewegungen. "Und wir haben auch nach 1945 Morde zu beklagen an ausländischen Menschen", gibt sie zu bedenken. Wenn es anlässlich des 9. November fast nur noch um den Mauerfall gehe, sei das für sie schlimm. Als bei den Novemberpogromen im Jahr 1938 die Scheiben jüdischer Geschäfte zertrümmert wurden, habe der Holocaust begonnen, sagt Bejarano. "Darum muss ich, die das erlebt hat, auf die Barrikaden gehen."
Wenn Zeitzeugen wie sie davon erzählen, wird die Geschichte konkret, nimmt Gestalt an, wird für andere erfahrbar. Nur: Zeitzeugen wie Esther Bejarano gibt es nicht mehr viele. Sie selbst hielt zum Beispiel Kontakt zu anderen Orchestermitgliedern, die den Krieg und das Lager wie sie überlebt hatten. Doch das liegt lange zurück, zwischenzeitlich seien sie gestorben, erzählt sie. "Wenn die Zeitzeugen die Geschichte erzählen, weiß man: Dieser Mensch hat das alles erlebt", beschreibt Bejarano ihre Rolle als Vermittlerin der Geschichte. Manchmal erhalte sie Briefe von Menschen, die sie mit ihrer Erinnerung berührt hat: "Vielen Dank für das Teilen Ihrer Geschichte", schrieben sie dann zum Beispiel. Manche hätten selbst Familienmitglieder, die diese Zeit noch erlebt hätten, aber darüber schwiegen.
Zeitzeugen kann man nicht ersetzen. Dass das die Erinnerungskultur erschwert, sieht auch Esther Bejarano so. "Aber es gibt Bücher und Filme, die diese Zeit behandeln. Man kann vieles tun, wenn man nur will." (jul)