Hintergrund - Bluttest - Chronologie des Skandals

28.06.2019 UPDATE: 28.06.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden

Die Chronologie des Skandals

Von Sebastian Riemer

Seit über drei Monaten recherchiert die RNZ den Skandal am Uniklinikum. Immer wieder konnten wir neue Details zu der übertriebenen PR-Kampagne, dem fragwürdigen China-Geschäft sowie der Ausbootung des alten Erfinder-Teams aufdecken. Bemerkenswert: Der Vorstand des Uniklinikums hat nicht ein einziges Detail selbst veröffentlicht - sondern stets nur zugegeben, was nach den Recherchen der RNZ nicht mehr zu leugnen war.

21. Februar: Eine Pressemitteilung der Uniklinik und der Firma Heiscreen kündigt den "ersten marktfähigen Bluttest für Brustkrebs" an, der ein "Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik" sei. Nur die "Bild"-Zeitung nimmt den Mund noch voller, sie titelt: "Weltsensation aus Heidelberg". Den Text im Innenteil des Blatts hatten Vorstandsmitglieder des Uniklinikums gegengelesen, wie die RNZ später aufdeckt.

22. Februar: Frauenklinik-Chef Christof Sohn sagt im RNZ-Interview: "Wir sind uns sicher, dass der Test schon Ende dieses Jahres auf dem Markt sein wird." Bereits am Tag nach dem Heiscreen-PR-Coup äußern Wissenschaftler und Medien allerdings Zweifel, ob der Test wirklich etwas taugt.

20. März: Die RNZ startet die Aufklärung der Vorgänge rund um den Brustkrebs-Test. Die Uniklinik verspricht: "Wir nehmen die Kritikpunkte sehr ernst und werden uns intensiv mit der Aufklärung auseinandersetzen." Anfragen der RNZ aber werden ab sofort meist nicht mehr - oder nur nichtssagend - beantwortet.

23. März: Medien bundesweit greifen die RNZ-Recherchen auf. Wissenschaftsministerium und Universität schalten sich ein, fordern Aufklärung und die Einsetzung einer Kommission.

26. März: Die RNZ deckt auf, dass der vorbestrafte Unternehmer Jürgen Harder bei Heiscreen investiert hat, dass eine zweite Firma den Test in China vermarkten soll - und wie das erste Erfinderteam am Uniklinikum ausgebootet wurde. Einen 80-Fragenkatalog der RNZ lässt die Uniklinik unbeantwortet. Stattdessen kündigt die Leitende Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich die Einsetzung einer unabhängigen Kommission ein, die alles aufklären soll.

4. April: Fast der gesamte Uniklinik-Vorstand kommt zum Gespräch bei der RNZ. Es werde "alles lückenlos aufgeklärt", verspricht Grüters-Kieslich, die Kommission beginne nun ihre Arbeit. Die Fragen der RNZ bleiben jedoch unbeantwortet, der Vorstand spielt seine Rolle in der PR-Kampagne weiter herunter. Nur zwei Tage später wird klar: Einzelne Vorstandsmitglieder haben an diesem Tag die Unwahrheit gesagt, was ihr Wissen über die PR-Kampagne und das "Bild"-Interview angeht.

6. April: Die RNZ deckt auf, wie frühzeitig der Vorstand in die unseriöse PR-Kampagne eingeweiht war - und sie sogar befeuerte. Interne E-Mails, die der RNZ vorliegen, zeigen zudem, dass Ex-"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, ein Freund Jürgen Harders, involviert war. Unterdessen stellt die Klinik "Anzeige gegen Unbekannt in allen rechtlichen Gesichtspunkten".

11. April: Die Mannheimer Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität zieht die Ermittlungen an sich. Zahlreiche Vorwürfe stehen im Raum: Die RNZ entdeckt auffällige Parallelen zwischen dem Forschungsgeschehen zum Bluttest und dem Aktienkurs der chinesischen Pharmafirma, die Partner bei der Vermarktung sein soll. Das legt den Verdacht des Insiderhandels nahe.

18. April: In der Uniklinik tobt ein offener Machtkampf, der bis heute anhält. Zunächst fordert ein Ärztlicher Direktor den Rücktritt dreier Vorstandsmitglieder, später schließen sich weitere an. Andere Ordinarien springen der Führung zur Seite.

20. April: Die 80.000-Euro-Rechnung für die Heiscreen-PR-Kampagne von der Agentur "Deekeling Arndt", die der RNZ vorliegt, zeigt, wie eng das Klinikum über Pressesprecherin Doris Rübsam-Brodkorb eingebunden war. Auch mit Kai Diekmann gab es "enge telefonische Abstimmungen".

28. April: Im RNZ-Interview stellen Grüters-Kieslich und die kaufmännische Direktorin Irmtraut Gürkan sich als Opfer dar. Sie seien "lediglich partiell" informiert gewesen und fühlten sich von der Heiscreen GmbH hinters Licht geführt.

8. Mai: Die Heiscreen-Geschäftsführung widerspricht Grüters-Kieslich und Gürkan. Der Vorstand sei in die PR-Aktivitäten eingebunden gewesen. Auch die Recherchen der RNZ zeigen immer deutlicher, wie viel der Vorstand wusste - und wie früh.

20. Mai: Markus Jones wird bis freigestellt - laut Wissenschaftsministerium wegen möglicher "Interessenkonflikte", da er in "vielfacher Weise in die aktuelle Aufklärung der Sachverhalte verwoben" sei. Jones war nicht nur Geschäftsführer der Firma Technology Transfer Heidelberg (TTH), die auch für die Heiscreen-Ausgründung des Klinikums zuständig ist, sondern auch stellvertretender Kaufmännischer Direktor und Klinikjustiziar.

26. Mai: Auch der Rektor der Universität greift durch: Bernhard Eitel kündigt den Dienstleistungsvertrag mit der TTH - und zieht so die Entscheidungsgewalt über Uniklinik-Ausgründungen an sich.