Der große Vorrunden-Check: Die Abwehr
Der detaillierte Blick auf die Hinrunde
Der detaillierte Blick auf die Hinrunde
Im großen Vorrunden-Check will 1899aktuell noch einmal einen Blick auf verschiedene Aspekte der Hinrunde werfen. Im ersten Teil wird die Abwehr genauer unter die Lupe genommen. Die Defensive ist - vielleicht zur Überraschung einiger - eine der positiven Bestandteile der Vorrunde.
Tom Starke war vor der Saison mit dem Ziel angetreten, die 40 Gegentore, die 1899 in der letzten Saison kassierte, zu verringern. Zur Halbzeit sieht es damit bereits ganz gut aus. Nur 19 Gegentore kassierte die TSG in der Liga. Das ist der viertbeste Wert aller 18 Bundesligamannschaften. Zum Vergleich: In der vorherigen Saison hatte die TSG schon 3 Gegentreffer mehr und stellte mit 22 Gegentoren die fünftbeste Abwehr der Liga.
Nun wäre es natürlich zu einfach, die erhaltenen Gegentore nur auf die Viererkette umzumünzen und zu sagen, Vorsah, Beck und Co hätten effektiv gearbeitet. Alle Abwehrspieler bis auf Fabian Johnson und Jannik Vestergaard schossen den ein oder anderen Bock. Da waren die verursachten Elfmeter von Edson Braafheid gegen Hannover, von Compper gegen Schalke oder von Isaac Vorsah gegen Stuttgart. Die Roten Karten von Compper (in Nürnberg) und Vorsah (gegen Berlin).
Trotzdem sind die 19 Gegentore der Defensive um Torwart Tom Starke hoch anzurechnen. Im Vorjahr nahm der bärenstarke Abräumer Luiz Gustavo durch sein Spiel noch einigen Druck von der Abwehr. Positive Überraschungen sind in diesem Jahr Jannik Vestergaard und Fabian Johnson.
Johnsons - der im Sommer eigentlich als rechter Verteidiger für den abwanderungswilligen Andreas Beck geholt wurde - präzise Flanken und Dribblings über die Außenbahnen gehören zurzeit zu dem Besten, was die Liga zu bieten hat. Seinen Wert von bereits 7 Vorlagen und damit nur einer Vorlage weniger als Franck Ribéry, erzielte der US-Nationalspieler vor allem durch seine Einsätze in der Offensivreihe. Er bewies aber auch, dass er als Linksverteidiger Torvorlagen wie gegen Nürnberg liefern kann.
So beeindruckend, wie Johnsons Flexibilität, ist Jannik Vestergaards Ruhe und Abgeklärtheit. Mit 19 Jahren agierte Vestergaard in jedem seiner nur vier Bundesligaspiele von Beginn an so, als wäre er schon ein alter Haase. Groß, kopfballstark und mit einer guten Spieleröffnung: Das macht Hoffnung für die Zukunft.
Die erwartete Stabilität brachten Tom Starke, Marvin Compper und Edson Braafheid. Alle drei spielten eine solide Vorrunde, leisteten sich allerdings auch den ein oder anderen Schnitzer. Insgesamt können aber auch die drei Profis mit ihrer Vorrunde zufrieden sein. Starke ist Wortführer und hält auch mal bei Gegenwind den Kopf hoch. Compper - zuerst nicht gesetzt in der Mitte - arbeitete sich zurück ins Team. Und Braafheid spielte bis zu seiner Verletzung im Oberschenkel eine sehr solide Hinrunde.
Ähnliches galt lange für Isaac Vorsah, bei dem sich erst zum Ende der Hinrunde einige Fehler einschlichen. Vorsah wirkte im Lauf der Vorrunde überspielt, nach einer Pause kam er in die letzten Partien der Vorrunde gegen Berlin und Augsburg im Pokal aber wieder besser zurecht.
Enttäuschend war die Vorrunde für Hoffenheims Kapitän Andreas Beck. Beck kann viel mehr, als das Gezeigte. Nach seinem geplatzten Wechsel im Sommer zu Juventus Turin, legte Beck eine seiner schwächeren Vorrunden hin. Vom absoluten Willen, in die Nationalmannschaft zurückzukehren, war häufig nicht viel zu spüren. Positiv ist, dass auch Beck immer versucht, die Mannschaft zu führen und auch in schwierigen Phasen immer vor die Öffentlichkeit tritt, sich nie versteckt. Im Spiel hatte Beck jedoch defensiv ungewohnt häufig das Nachsehen und brachte offensiv in 15 Spielen noch keine Torvorlage zustande.
Ebenfalls eine schwarze Hinserie war es für Andreas Ibertsberger. Der Österreicher, sonst einer der zweikampfstärksten Spieler im Team, wurde immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Man merkt dem Routinier an, dass er keine Vorbereitung hatte. Er versuchte, sich den Anschluss ans Team zu erarbeiten. Das gelang aber nur teilweise. Besonders bitter: Gerade für Ibertsberger geht es um die Zukunft. Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus. Er muss sich für eine Weiterbeschäftigung empfehlen.
Bleiben noch Matthias Jaissle und Manuel Gulde. Die beiden Langzeitverletzten konnten sich in der Vorrunde nicht empfehlen. Gulde kehrt nun allmählich über die U23 zurück, sammelt Spiel- und Trainingspraxis. Für Jaissle war es ein überaus hoffnungsvoller Start in die Vorbereitung. Er wirkte fit, hatte die Nase vor Marvin Compper und strahlte im Trainingslager endlich wieder Zuversicht und Kampfgeist aus. Doch erneut warf ihn eine schwere Verletzung zurück. Es folgte eine erneute OP und die Hoffnung, dass beim nächsten Anlauf endlich alles besser wird.
Insgesamt macht die Leistung in der Abwehr Hoffnung. Fehler sind menschlich und passieren sogar Weltklassespielern wie Manuel Neuer. Wenn die TSG ihre individuellen Unkonzentriertheiten minimieren kann, und vor allem die Offensivspieler sich noch besser in Stanislawskis Defensivkonzept integrieren, ist eine solide Defensivleistung möglich. Als Grundlage für ein schnelles Umschalten und kurze Wege zum gegnerischen Tore ist dies unerlässlich. Hier hat die TSG noch Verbesserungsbedarf. Die geringe Anzahl an erzielten Toren (dazu siehe Teil 3 des Vorrunden-Checks) ist auch auf die nicht konsequente Verteidigung der Offensivspieler zurückzuführen. Mannschaftliche Geschlossenheit im Pressing, das Verschieben im Verbund sind neben den individuellen Aussetzern vielleicht die größten Baustellen.