Fitnessstudios

Es darf wieder gepumpt werden - aber nach Vorschrift (plus Video)

Am Dienstag öffnen die Fitnesscenter in der Region – Zeitjung blickte bei drei Heidelberger Studios hinter die Kulissen

28.05.2020 UPDATE: 31.05.2020 06:00 Uhr 4 Minuten, 20 Sekunden
Maribell Freiin Grote. Foto: Rothe

Von Matthias Kehl

Grünes Licht für Fans des Fitnesssports. Ab Dienstag dürfen Baden-Württembergs Studios wieder Sportbegeisterte empfangen. Allerdings unter strengen Sicherheitsvorgaben. Coronabedingt. Dort, wo zwei Monate zuvor sich noch Mädels gegenseitig bei Kniebeugen unterstützten, Jungs sich an der Hantelbank anfeuerten, ist nun erst einmal Training auf Sparflamme angesagt. Hochintensive Dauerbelastung? Per Verordnung verboten. Gegenseitiger Körperkontakt? Nicht gestattet. Der Dusch- und Saunagang danach? Vorerst noch nicht erlaubt. Doch trotz Einschränkungen wird Fitness in Studios wieder möglich. Man sieht sich wieder, kann auf Abstand die Muskeln spielen lassen. Es darf gepumpt werden – nach Vorschrift.

Hintergrund

Wie groß ist die Ansteckungsgefahr im Sportstudio?
Das sagt Martin Kriegel, Professor an der Technischen Universität Berlin. Er forscht unter anderem zur Ansteckungsgefahr von virenbesiedelten Aerosolen:

"Beim Sporttreiben werden mehr

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Wie groß ist die Ansteckungsgefahr im Sportstudio?
Das sagt Martin Kriegel, Professor an der Technischen Universität Berlin. Er forscht unter anderem zur Ansteckungsgefahr von virenbesiedelten Aerosolen:

"Beim Sporttreiben werden mehr Aerosole in die Luft abgegeben als bei der Büroarbeit, allein dadurch, dass sich die Atemfrequenz erhöht. Die Quellstärke ist also größer (doppelt oder dreifach so groß).

Sie können sich das aber so vorstellen: Es ist ein Raucher im Raum, der dauerhaft raucht. Sie werden den Rauch zwar nicht überall sehen, aber nach einer gewissen Zeit im gesamten Raum riechen. Anstelle des Rauchs (sichtbar und nicht sichtbar) können sie die Aerosole/Viren setzen.

Inwieweit die von Viren besiedelten Aerosole noch vital und infektiös bleiben, ist Gegenstand von Forschungen, die wir gemeinsam mit Kollegen der Medizin hier in Berlin machen.

Wenn ich eine Empfehlung abgeben sollte: Abstand halten, mehr als die empfohlenen 1,5 m, eher 2-3 Meter, weil der Atemluftstrom größer ist und eine Begrenzung der Personenzahl. Zwangslüften mit maschinellen Lüftungsanlagen und hohem Luftwechsel (Erneuerung der Raumluft durch Außenluft). Fensterlüftung reicht bei größeren Räumlichkeiten nicht aus.

Problematisch erscheinen auch Toiletten, da durch Ausscheidungen anscheinend auch Viren auf die Toilettenoberflächen kommen, die dann durch den Spülvorgang aerosoliert werden, also dann an die Luft abgegeben werden (von Schüssel in die Luft). Toilettengänge außerhalb der Privatwohnung sollten soweit wie möglich vermieden werden."

 

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Die RNZ hat drei unterschiedliche Studios in Heidelberg vor der Öffnung besucht. Jedes von ihnen arbeitet gemäß der Vorgaben mit einem eigenen Sicherheitskonzept und gewährte Zeitjung dabei vorab einen Blick hinter die Kulissen.

Auch per Stream beim Kurs dabei

Das rot-weiße Flatterband auf dem Boden gibt die Richtung vor. Im Pfitzenmeier-Ressort im Heidelberger Carré weisen sie auf den Weg und den Abstand hin. Bernhard Köllner blickt zufrieden. "Von Jammern ist bei uns nichts zu hören, wir freuen uns auf den Start", so der Geschäftsleiter. Am Beispiel anderer Pfitzenmeier-Studios in Hessen, die unter leicht anderen Vorschriften schon vorher öffnen durften, orientiere man sich. Das Studio in der Heidelberger Poststraße ist herausgeputzt, frisch renoviert, fertig zum Re-Start. Nur die Hocker an der Theke fehlen. Social Distancing lässt grüßen.

Im zweistöckigen Studio, wo vor Corona zur Stoßzeit bis zu 200 Personen gleichzeitig die Muskeln brennen ließen, koordiniert man den Ansturm neu. "Online wird die aktuelle Auslastung einsehbar sein", erklärt Swetlana Fink, die das Studio führt. Für Kurse könne man sich 24 Stunden vorher einbuchen. Einige davon wurden in den vergangenen elf Wochen online per Video angeboten. "Das wollen wir zusätzlich unbedingt beibehalten", sagt Fink. Denn im Studio dürfen nur zehn Teilnehmer gleichzeitig schwitzen. Eine angebrachte Kamera überträgt aber Kurse per Stream. "So können Mitglieder auch von zu Hause teilnehmen", freut sich Fink. 

Fitness nach Vorschrift: Martin Möll (l.) und Jochen Michel am Stepper im Fitropolis in Rohrbach. Foto: Philipp Rothe

Auch das Trainerteam des Heidelberg-Studios ist heiß auf den Re-Start. Allen voran Maribell Freiin Grote. Die 23-Jährige hielt sich während der Zwangspause unter anderem durch Workouts von Fitness-Influencerin Pamela Reif in den heimischen WG-Wänden in Form. Sport mit mehr Platz und mehr sozialem Kontakt seht sie entgegen. Grote schwingt das große Handtuch über die Trainingsbank. Zieht sauber ein paar Rückenaufzüge durch. Schon die ersten Übungen im leeren Studio und im Trainingsdress machen ihr Lust auf mehr, sagt sie - und geht entlang der Bodenmakierung zur nächsten Station.

Strikter Stundenplan und schwitzen im Freien 

Die Verkehrsschilder sind platziert, die Einbahnstraße eingerichtet. Gleich am Eingang gibt es im Fitropolis in Rohrbach ein kleines Fläschchen mit Desinfektionsmittel für jeden. Ein eigenes Sicherheitskonzept haben Studioleiter Martin Möll und Jochen Michel, Geschäftsführer der TSG Rohrbach, zusammen mit ihrem Team auf die Beine gestellt. "Wir wagen uns vorsichtig ran", sagt Möll, der ab Dienstag zunächst zehn Teilnehmer gleichzeitig auf der 330 Quadratmeter großen Fitnessfläche trainieren lassen lässt. Zurückrudern müssen, wolle man nur am Ergometer.  "Wir arbeiten mit festen Zeiten samt vorheriger Anmeldung", erklärt Michel. Für jeweils 75 Minuten können sich Mitglieder werktags von morgens um acht bis abends um 22 Uhr einbuchen. Zwischendurch kommt ein Schichtwechsel. "Nach jeder Einheit bleiben 15 Minuten zum Putzen und Lüften", sagt Möll.

Hintergrund

Die Auflagen

Seit dem 22. Mai wissen die Studio-Betreiber im Land, unter welchen Bedingungen sie öffnen dürfen. "Bei strikter Einhaltung sieht unser Gesundheitsamt kein erhöhtes Infektionsrisiko", so die Pressesprecherin des Rhein-Neckar-Kreises Silke

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Die Auflagen

Seit dem 22. Mai wissen die Studio-Betreiber im Land, unter welchen Bedingungen sie öffnen dürfen. "Bei strikter Einhaltung sieht unser Gesundheitsamt kein erhöhtes Infektionsrisiko", so die Pressesprecherin des Rhein-Neckar-Kreises Silke Hartmann gegenüber der RNZ. Die wichtigsten Punkte der Verordnung des Kultus- und Sozialministeriums für Sportstätten im Überblick:

Trainingsabstand: Es gilt die 1,5-Meter-Regel. Direkter körperlicher Kontakt ist untersagt.

Platz beim Einzeltraining: Gerechnet auf die Gesamttrainingsfläche des Studios muss pro Person zehn Quadratmeter Platz gegeben sein.

Platz beim Gruppentraining: Erlaubt ist Gruppentraining bis zu zehn Teilnehmern. Bei Kursen mit Raumwegen muss es 40 Quadratmeter Platz pro Person geben, bei statischen Kursen zehn Quadratmeter pro Person.

Umkleidekabinen bleiben genau wie Duschen, Wellness- und Saunabereich geschlossen. Nur Toiletten bleiben geöffnet.

Verausgabung: Nicht erlaubt ist "hochintensive Ausdauerbelastung".

Verweilen im Studio sollte man nicht länger als zum Training nötig. Getränke und Snacks sind nur zum Mitnehmen erlaubt.

Hygieneregeln: Am Gerät oder an der Hantelbank ist stets ein Handtuch unterzulegen. Studios müssen ausreichend Gelegenheit zum Händewaschen und Desinfizieren anbieten. Alle Geräte sollen durchgehend desinfiziert, die Einrichtung ausreichend durchlüftet werden.

Trainingsauskunft: Name, Kontaktdaten und Aufenthaltszeit des Trainierenden müssen festgehalten werden.

Bei einem Infektionsfall werden die Daten des Infiziertem dem Gesundheitsamt übermittelt, danach alle gleichzeitig Anwesenden kontaktiert und zum Corona-Test gebeten.

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Die vor etwa drei Jahren eingeführte und zunächst nur sporadisch genutzte Trainingsapp zur Koordination der Kurse komme dem Studio nun zu Gute, sagt Michel zufrieden. Digitalisiert und motiviert wolle man durchstarten. Die zehn in Voll- und Teilzeit arbeitenden Mitarbeiter des Studios kommen nun aus der Kurzarbeit. 1200 Mitglieder wollen schließlich koordiniert und angeleitet werden. "Unseren Mitarbeitern", sagt Michel, "steht es frei, eine Maske zu tragen". Eine Pflicht besteht laut Vorschrift weder für Trainer noch für Trainierende. Per Mail wurden alle Mitglieder vorab über alles zu beachtende informiert, erzählt Michel.

Stolz ist der TSG-Geschäftsführer auf die etwa 500 Meter vom Studio entfernte Freilufthalle, in der auch Spinning-Kurse möglich werden sollen. Im Innenbereich solle niemand "mit hochrotem Kopf", so Michel, an die Belastungsgrenze gehen. Die Verordnung verlangt es. Michel und Möll schwingen sich auf die Stepper und machen den Probelauf. Ein Gerät dazwischen bleibt abstandsgetreu frei. Bis aufs kleinste Detail ist alles durchgeplant.

So sehr sich Michel und Möll aufs Wiedersehen mit den Trainierenden freuen: Zum Verweilen außerhalb des Trainings ist das Studio, sonst Treffpunkt zum Quatschen und Zusammensein, vorerst nicht vorgesehen. "Auch wenn es schwer fällt", weiß Möll. Sport und Gesundheit sollen im Fokus stehen. Protein-Shakes und Kaffee gibt es Am Rohrbach weiterhin. In der To-Go-Variante. 

Renovierungskünstler mit Corona-Zertifikat

Vadim Grebe grinst und guckt stolz auf die frisch gestrichenen Wände des Cleverfit-Studios. "Ich bin in zwei Monaten schon fast zum Malermeister geworden", sagt der 21-jährige stellvertretende Leiter der Fitnessstätte in Rohrbach. Dass er statt zum Pinsel nun wieder zur Hantel greifen kann, ist ganz in seinem Sinn. Er und das 15-köpfige Mitarbeiter Team rund um Studio-Leiter Dehzad Nasrat, haben das 1200 Quadratmeter große Fitness-Areal auf Hochglanz getrimmt. "Durch die Krise sind auch wir noch mal näher zusammen gerückt", sagt Nasrat, dessen Crew auch das Cleverfit-Ressort in Mannheim-Neckarstadt betreut. 

Neuzugang Neill Beck,22, stieß im März dazu  - zwei Wochen vor der Zwangsause. "So lernt man seine Kollegen gleich in einer besonderen Situation kennen", stellt Beck fest. Wie auch für die 20-jährige Lydia Efe, die seit September die Cleverfit-Crew verstärkt, ist für Beck Fitness mehr als nur Individualsport. Die Trainer wollen unbedingt wieder ihre Mitglieder physisch motivieren. Auch - und vor allem in der Krise.

"Selbst mussten wir uns natürlich auch in Form halten", sagt Grebe lachend und spannt mit der Hantelstange den Bizeps an. Auch der 26-jährige Studioleiter Nasrat macht ein paar Curls. Zumindest für die Mitarbeiter war neben dem Home-Workout das Einzeltraining in Rohrbach möglich. "Sonst könnten wir unsere Kunden ja nicht unter die Augen treten", scherzt Grebe.

Doch auch in Sachen Corona-Vorkehrungen war man fleißig. "Jeder von uns musste die Corona-Vorkehrungen pauken - von Symptomen bis hin zu allen Fitness-Verordnungen", sagt Nasrat. Nur wer den Online Kurs mit Zertifikat abschließt, dürfe im Studio arbeiten, so der Studioleiter. 

Sein Team, dass die Auflagen studierte und im Studio renovierte, ist bereit, die Mitglieder zu empfangen. Alle die zum Training einchecken, werden per Chipband registriert. Die Studio-Software checkt dann die Auslastung. Ein spontaner Besuch ist möglich - sei jedoch gegebenfalls mit Wartezeit verbunden. "Gleichzeitig können maximal 60 Personen trainieren", sagt Nasrat. Das Kurs-Training wurde schon vorher über WhatsApp-Gruppen organisiert, der jeweilige Leiter fungiert als Admin.  "So haben wir und unsere Mitglieder uns auch über die letzte Zeit gegenseitig motiviert", sagt Grebe. Der Fitness-Ökonomie-Student freut sich vor allem auf den direkten sozialen Kontakt. Natürlich abstandsgemäß. Auch dem Training will er wieder einen neuen Anstrich verleihen -  wie zuvor den rot bemalten Wänden im Studio. Die Ampel für Pumper jedenfalls schaltet wieder auf Grün.