Von Nachtwächtern und Greifen
Wer entlang der Burgenstraße durch Süddeutschland reist, taucht tief in die Vergangenheit ein

Von Monika Hamberger
Bitte lassen Sie keinen Müll auf dem Weg liegen. Einen Kaugummi deuten Greifvögel als Beute. Ein fataler Gedanke." Staunend nehmen die Besucher der Greifenwarte auf Burg Guttenberg die Worte zur Kenntnis. Sie verfolgen gespannt eine Flugvorführung der Falkner. Aufgeregt trippeln die Raubvögel auf ihren Stangen hin und her, geht ihre Bezugsperson vorbei. Vielleicht hat die ja wieder Leckerbissen in der Tasche. "Kontrollierter Wildflug" ist eine Aufgabe der hier nachgezüchteten Vögel. Aber auch verletzte Greife und Eulen finden Aufnahme und Pflege, erfahren die Zuschauer. Dann starten die Vögel über die Köpfe der Besuchergruppe hinweg. Fliegen ist für die wuchtigen Tiere Schwerstarbeit.
Hintergrund
INFORMATIONEN
Allgemeines: Die 770 Kilometer lange Burgenstraße ist in mehrere Etappen gegliedert. Es gibt dazu eine Radwegvariante. Auch Oldtimertouren für die Strecken gibt es im Programm. Vielerorts bieten sich Premium-Partnerhotels
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Allgemeines: Die 770 Kilometer lange Burgenstraße ist in mehrere Etappen gegliedert. Es gibt dazu eine Radwegvariante. Auch Oldtimertouren für die Strecken gibt es im Programm. Vielerorts bieten sich Premium-Partnerhotels als Zwischenstationen an. Die beschriebene Route führt von Franken nach Nordwürttemberg.
Weitere Auskünfte: Infos unter Telefon 0 71 31/ 97 35 01 11, Telefax 0 71 31/ 97 35 01 20, www.burgenstrasse.de und born@burgenstrasse.de
Entlang der Burgenstraße, die zwischen Mannheim und Bayreuth verläuft, gibt es viel zu sehen und zu erleben. Und: Eine Fahrt auf der 770 Kilometer langen Strecke gleicht einer Zeitreise in die Vergangenheit. In Schwäbisch Hall auf der zur St. Michaelskirche führenden hohen Steintreppe sollte heute eigentlich für die nächste Freilicht-Aufführung geprobt werden. Doch ein heftiges Gewitter macht den Schauspielern einen Strich durch die Rechnung ... Hoch über dem Marktplatz in Schwäbisch Hall thront das imposante Gotteshaus. Im Jahre 1156 als romanische Basilika geweiht, wurde sie 1427 bis 1525 in eine gotische Hallenkirche umgebaut.
Johannes Brenz, ein Anhänger Luthers, reformierte vorsichtig und ohne Bildersturm. Viele wertvolle spätmittelalterliche Kunstwerke blieben der Kirche auf diese Weise erhalten. Der mühsame Weg über die Treppen ist lohnenswert. Eng beieinander stehende Fachwerkhäuser reihen sich unten um den Marktplatz, auf dem unter bunten Sonnenschirmen während des Wochenmarktes emsiges Treiben herrscht.
In Schwäbisch Hall siedelten in vorchristlicher Zeit bereits die Kelten in der Nähe einer Salzquelle. Salz, das "weiße Gold des Mittelalters", trug zur Entwicklung der topografisch recht ungünstig im engen Tal der Kocher gelegenen Siedlung bei. Der hier geprägte Heller und das Salz, das bei der noch heute fließenden Quelle auf dem Haalplatz durch Verdampfen der Sole gewonnen wird, verliehen der Stadt ihren Namen.
Schoko-Chili, Kurkuma-Mandel oder Kürbis-Ingwer: Eiscremesorten mit diesen Gewürz-Kombinationen sind exotisch. In den Arkaden der ehemaligen Wäscherei des Bauernschlosses Kirchberg an der Jagst, im dritten Schlosshof der Anlage, haben sich Nina und Klaus Sohl einen Traum verwirklicht, als sie die "moo Eismanufaktur" gründeten: die Herstellung von Heumilcheis aus selbst pasteurisierter Milch, ohne künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe. Die beiden arbeiten eng mit in der Region ansässigen Milchbauern zusammen. "Gerade für Menschen mit Allergien sind natürliche Beimischungen wichtig", erklärt Nina und führt stolz durch ihre Manufaktur. "Als nächstes wollen wir Demeter-Milch verarbeiten."
Hoch über der Jagst thront das eindrucksvolle Schlossgemäuer. Im Verlauf der Jahrhunderte wurde das Gebäude für allerlei Zwecke genutzt, ob als Sammellager für Zwangsarbeiter vor ihrer Rückführung oder als Unterkunft für Asylsuchende. Gerade werden Räumlichkeiten zu Hotelzimmern umgewidmet. Ein Konzertsaal ermöglicht Festspiele. Im September 2015 kaufte die Stiftung "Haus der Bauern" unter dem Vorsitzenden Rudolf Bühler das Gebäude und gründete ein sozio-kulturelles Zentrum. "So wurde den Bauern wieder zurückgegeben, was mit ihren Abgaben einst gebaut wurde", sagt Eberhard Mann, der Besuchsprogramme für die bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall im Hohenloher Land organisiert und durch die weitläufige Anlage führt.
Das mittelalterliche Rothenburg mit seiner gut erhaltenen Altstadt gehört zu einer der herausragenden Stationen. Einst Kaisersitz der Staufer, erlebte die an einem Handelsweg liegende Stadt um 1340 ihre Blütezeit. Kriegerische Auseinandersetzungen brachten das quirlige Leben zum Erliegen. Doch dann entdeckten Maler und Poeten die Schönheit dieses fränkischen Fleckens. Carl Spitzweg war einer von ihnen. Und Wassily Kandinsky malte 1902 nach seinem Besuch das Bild mit dem Titel "Alte Stadt".
Eine Gruppe Touristen steht erwartungsvoll vor dem Rothenburger Rathaus. Gewandet in einen warmen Umhang, in einer Hand die Laterne, in der anderen die Hellebarde, um den Hals ein ausgehöhltes Kuhhorn, macht sich der Nachtwächter mit seinem Gefolge auf den Weg durch das nächtliche Rothenburg. "Ist euch die kleine Türe im großen Stadttor aufgefallen?", fragt er. Doch im Dunkeln hat wohl keiner darauf geachtet. Der Nachtwächter klärt auf: "Um feindliche Eindringlinge außen vor zu halten, wurde das Tor abends geschlossen. Verpassten Bewohner diese Zeit, konnten sie gegen ein Entgelt durch das ,Ein-Mann-Tor‘ hereingelassen werden. Nun wisst ihr, was Torschlusspanik bedeutet!"
Nachtwächter zu sein, war einst sicherlich eine interessante Aufgabe. Galt es doch, das Wohlergehen der Stadt im Blick zu haben. Diebe wurden mit der Hellebarde in Schach gehalten, mit dem Kuhhorn blies der Wächter den Feueralarm. Und natürlich wusste er auch, wer sich mit wem in dunkle Ecken verdrückte ...



