1899 Hoffenheim

Was Alexander Rosen über "die Fans" denkt

Im RNZ-Gespräch verrät der Sportdirektor der TSG Hoffenheim, warum es mit Trainer Sebastian Hoeneß weiter geht - "Nicht jubelnd durch den Kraichgau getragen"

05.05.2021 UPDATE: 06.05.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 51 Sekunden
Mit Corona-Maske und kritischem Blick: Alexander Rosen macht keinen Hehl daraus, dass die aktuelle Spielzeit auf verschiedenen Ebenen eine schwierige ist. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Heidelberg. Alexander Rosen, 41, leitet seit 2013 die Geschicke der Hoffenheimer Profis – und ist damit einer der dienstältesten Manager der Bundesliga. Im exklusiven Gespräch mit der RNZ nahm sich der Vater zweier Söhne Zeit, über die zahlreichen Herausforderungen der aktuellen Saison, die Entwicklung auf dem Transfer- und Trainermarkt, aber auch über Julian Nagelsmann sowie Hass und Hetze im Internet zu sprechen.

Alexander Rosen, haben Sie heute schon auf 16 gestellt?

Wie darf ich das verstehen?

Ich gehe davon aus, dass Sie Ihr erster Weg am Morgen im Büro zu einem Abreißkalender führt mit einem Countdown bis zum 22. Mai, wenn – in 16 Tagen – diese verzwickte Saison endlich beendet ist ...

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(grinst) Ach so, nein. Der erste Weg führt nicht zum Kalender, sondern oftmals zum Corona-Test. Unabhängig davon ist es auch nicht so, dass ich das Ende der Saison herbeisehne. Aber wenn man Richtung Mai kommt und solch ein Jahr hinter sich hat, dann merkt man schon, dass danach zwei, drei Wochen runterfahren nicht schaden würden.

Ist das Ihre bislang schwierigste Saison, noch fordernder als die im Abstiegskampf 2015/2016?

Wenn man das große Ganze im Blick hat – ja. In meiner ersten Saison ging es ums Einarbeiten, um berufliche Themen. In der angesprochenen Spielzeit, als wir Markus Gisdol entlassen mussten, ging es um sportliche Fehlentwicklungen. Jetzt ist die Dimension einfach eine andere, die Herausforderungen waren viel breiter gefächert.

Hinzu kamen Corona-Fälle und großes Verletzungspech. Ist das einfach eine Runde, in der man mit Rang zehn bis 13 leben kann oder muss die TSG auch mittelfristig kleinere Brötchen backen?

Unser Ehrgeiz hier bleibt unverändert. Aber die angesprochenen Dinge darf man bei der Gesamtbewertung dieser Saison niemals vergessen. Insofern muss der Maßstab ein anderer sein als in den Spielzeiten, in denen überwiegend alle Spieler zur Verfügung standen. Wir haben in Krisenzeiten einmal mehr gezeigt, zu was wir hier im Stande sind. Ein großes Kompliment geht dabei an die Mannschaft, das Trainerteam und alle Mitarbeiter im Klub, die trotz zahlreicher Nackenschläge – teilweise auch selbst verschuldet – einfach immer weiter gemacht haben. Gerade in den vergangenen Spielen haben wir unser wahres Gesicht gezeigt. Die Basis dafür war, dass wir davor zusammengeblieben sind, ruhig agierten und nicht den sogenannten Mechanismen der Branche verfielen.

Stichwort Trainerwechsel ...

Von den 18 Bundesligaklubs der aktuellen Saison werden voraussichtlich 14 (!) am 1. Juli 2021 einen anderen Cheftrainer haben als am 1. Juli 2020. Manche haben sogar mehrfach gewechselt. Eigentlich ein Wahnsinn.

Ihr Trainer Sebastian Hoeneß lässt die Herzen der Fans aktuell nicht unbedingt höher schlagen. Ist er den Anhängern für die kommende Saison überhaupt noch zu vermitteln?

Was sind denn "die Fans"? Das, was anonym in diversen Foren oder sozialen Netzwerken teilweise beleidigend geschrieben wird, repräsentiert nicht unsere Kurve, die immer treu ist und die wir nun leider schon viel zu lange nicht gesehen haben. Es repräsentiert aber auch nicht den Rest unserer Anhängerschaft. Unabhängig davon sind wir alle selbstkritisch genug und wissen, dass wir in dieser Saison nicht permanent jubelnd durch den Kraichgau getragen worden wären. Kritik, auch überzogene, gehört zum Geschäft dazu und das ist auch völlig in Ordnung so.

Sie werden aber nicht behaupten, dass Sebastian Hoeneß in Fan-Kreisen über jeden Zweifel erhaben ist ...

Es darf jeder seine Meinung haben und die ist in unserem Sport nun mal sehr oft ergebnisgetrieben. Das ist ja das Schöne am Fußball, dass er nach wie vor interessiert, begeistert, polarisiert und emotionalisiert. Am Ende ist es aber unsere Aufgabe bei der TSG, die Dinge einzuordnen und zu entscheiden.

Und das tun Sie nach der Saison oder herrscht da für beide Parteien bereits Klarheit?

Die Ausrichtung, mit welchem Trainer wir in die neue Saison gehen, ist völlig klar und in der Klubführung einstimmig entschieden: mit Sebastian Hoeneß. Er ist durch die vielen Krisen, die es zu managen galt, stabil durchgegangen, kommuniziert super mit den Jungs, hat eine Idee, die man gerade zuletzt gegen Gladbach und Freiburg gesehen hat. Aber wir befinden uns im Profifußball und ich wähle mal bewusst das Stilmittel der Übertreibung: Wenn wir jetzt dreimal in Folge 0:8 verlieren, dann sind wir wahrscheinlich die Nummer 15, die den Trainer wechselt. (lacht)

Was können Sie uns zu den Kaderplanungen verraten? Mit David Raum (Greuther Fürth) und Angelo Stiller (Bayern München II) stehen bislang zwei Neuzugänge fest. Wird noch viel mehr passieren?

Der Markt ist pandemiegeprägt und extrem schleppend. Es passiert noch relativ wenig bis gar nichts. Bisher haben wir zwei Spieler ablösefrei verpflichtet. Dazu kommt Georginio Rutter, bei dem wir den Transfer gegen eine geringere Aufwandsentschädigung vorgezogen haben. Ansonsten werden wir eher versuchen, für die kommende Saison ohne internationale Spiele den Kader erst einmal geschickt zu verschlanken. Und dann gibt es da noch unsere Topspieler ...

... wie etwa Andrej Kramaric oder Florian Grillitsch ...

... genau. Da muss man mal sehen, ob es ein konkretes, lukratives Angebot gibt, über das man nachdenken müsste. Aktuell ist das nicht der Fall.

Sie halten es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass sich bei beiden noch etwas tut?

Das sind Spieler, die man als Sportdirektor eigentlich nicht abgeben will, die aber selbst auch Wünsche und Vorstellungen haben. Ein Florian Grillitsch beispielsweise hat sich vor vier Jahren auch für uns entschieden, weil er wusste, dass er sich in diesem Umfeld weiterentwickeln und eventuell für einen absoluten Topklub empfehlen kann. Ohne uns kleiner zu machen als wir sind – aber wir sind eben nicht Bayern München oder der FC Liverpool. Zu beiden genannten Spielern besteht ein großes Vertrauensverhältnis, d.h. wenn solch ein Verein kommt, der den Spieler reizt, dann werden wir uns zusammensetzen.

Auch für Trainer und Funktionäre hat sich ein Transfermarkt entwickelt. Julian Nagelsmann, den sie aus den gemeinsamen Jahren in Hoffenheim so gut kennen wie kaum ein anderer, geht für die Rekordsumme von angeblich 25 Millionen von Leipzig nach München ...

Das Verhältnis zwischen Julian und mir ist nach wie vor sehr gut und ich bin total davon überzeugt, dass er bei d e m deutschen Klub Bayern München eine Ära prägen kann. Es ist sein absoluter Traumverein. Solch eine Konstellation finde ich daher alles andere als verwerflich. Andere Trainerwechsel sorgen dagegen auch bei mir für Verwunderung, um es mal vorsichtig auszudrücken. Generell sehe ich diese Entwicklung, dass Trainer wie Spieler gehandelt werden, nicht so gerne.

Wie viel haben Sie eigentlich für Sebastian Hoeneß bezahlt?

Er war in München unter Vertrag, hatte keine Klausel und sensationell die Drittliga-Meisterschaft mit einer extrem jungen Mannschaft gewonnen. In der Tat haben also auch wir eine Entschädigung geleistet. Ich würde es aber mal in der Kategorie "angemessen" einordnen.

Wie steht es um Ihre eigene Zukunftsplanung?

Ich bin jetzt seit acht Jahren für die Profiabteilung zuständig und habe es immer wieder betont: Ich fühle mich hier wohl, mich zieht es nicht weg. Ich hatte in all den Jahren genug Optionen, aber bisher hat es mich nicht gereizt zu gehen. Ich bin aber auch der Meinung, dass man Veränderungen in der Zukunft niemals grundsätzlich ausschließen sollte.

Apropos Zukunft: Wie haben Sie die Entwicklungen rund um die geplante Super League wahrgenommen?

Hier können wir jetzt mal von "den Fans" sprechen. Die haben ihre Stimme erhoben – und zwar nicht nur im Netz. Ich war total überrascht, mit welcher Wucht das Thema über Nacht offiziell gemacht und mit welcher noch größeren Wucht es dann abgewehrt wurde. Die Super League war nichts anderes als ein Sanierungsmodell für Klubs, die über Jahre hinweg Misswirtschaft betrieben und Hunderte Millionen an Schulden angehäuft haben. Gerade in diesen Zeiten war das ein katastrophales Signal.

Welche Lehren sollten daraus gezogen werden?

Auch dem letzten Funktionär muss nun bewusst sein, dass eine Grenze erreicht wurde. Das Rad wurde deutlich überdreht – und erfreulicherweise noch mal zurückgedreht. Für den Fußball sollte es ein deutliches Warnsignal gewesen sein.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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