1899 Hoffenheim

Gegen Stuttgart viel Selbstvertrauen getankt

4:0! Hoffenheim genügen zwölf starke Minuten nach der Pause, um den schwäbischen Landesrivalen aus Stuttgart zu demontieren

28.10.2018 UPDATE: 29.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Freude pur: Brenet und Joelinton (r.) feiern das Torfestival gegen die desolaten Weinzierl-Schützlinge. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Manchmal gibt es auch im hoch bezahlten Profi-Fußball den "Ketchup-Effekt": Zuerst will nichts aus der Flasche flutschen - und dann kommt fast alles in einem Schwall. Im übertragenen Sinne war dies am Samstagabend beim Landesgipfeltreffen zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem VfB Stuttgart der Fall. Trotz der frühen Roten Karte gegen Emiliano Insúa (8.), nach einem ungestümen Kung-Fu-Tritt gegen Pavel Kaderabek, kam der Kraichgauklub nur schleppend in diese zunächst zerfahrene Partie, um nach dem Seitenwechsel binnen zwölf Minuten alles klar zu machen. Schießbude Stuttgart - mit zwei Doppelschlägen von Joshua Brenet (48.) und Joelinton (51.) sowie von Ishak Belfodil (57./60.) zerlegten die Blauen die Roten dann nach Belieben.

"Nach einem aufregenden Champions-League-Spiel ist es normal, dass man etwas Zeit braucht", wirkte TSG-Trainer Julian Nagelsmann nach dem letztlich glatten 4:0 (0:0) total entspannt, während sein Arbeitskollege Markus Weinzierl, erst seit drei Wochen in Amt und Würden, finster dreinschaute, als sei die Bundesliga ein Gespensterwald. "Solche Spiele braucht kein Mensch", haderte Weinzierl mit dem Spielverlauf. Das 0:4 zu Hause gegen Spitzenreiter BVB und nun das 0:4 im badischen Nachbarland sind nun mal kein Empfehlungsschreiben, sondern ohne Wenn und Aber ein gründlich missratener Einstand.

"Dosenöffner": Joshua Brenet (r.) markiert das 1:0 für "Hoffe" im Nachschuss, VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler ist chancenlos. Foto: APF

"Hoffe" hingegen verbreitete vor ausverkauftem Haus (30.150 Zuschauer) gute Laune. Schon nach einer guten Stunde grölten die Fans der "Nagelsmänner" stakkatohaft "Wer nicht hüpft, der ist ein Schwabe" und wenig später "die Nummer eins im Land sind wir", was der Blick aufs Tabellenbild deutlich unterstreicht. Eine in der ersten Hälfte meist mittelprächtige, aber hoch emotionale Begegnung hätte nur dann einen anderen Verlauf nehmen können, wenn Stürmer-Routinier Mario Gomez (6.) seine große Chance nutzt. Gomez schoss den Ball zwar gegen die Laufrichtung von Oliver Baumann, aber eben links am Pfosten vorbei. Unmittelbar danach folgte Insúas Aussetzer, der VfB-Linksverteidiger traf Kaderabek auf Kopf- und Schulterhöhe. Referee Frank Willenborg schaute sich die Szene nochmals am Videoschirm an und entschied auf glatt Rot (8.). Eine harte, aber nachvollziehbare Entscheidung. Gnädiger meinte es Willenborg mit dem zweiten Argentinier im Brustring-Trikot. Santiago Ascacibar hatte Florian Grillitsch (35.) übel umgetreten, nach Intervention aus dem Kölner Keller und erneutem Studium der Videobilder zückte Willenborg nur Gelb, obwohl diese Attacke noch rotwürdiger war und für Grillitsch das ärgerliche Aus im Derby bedeutete. Der "Ösi" wurde laut Nagelsmann "extrem getroffen", eine MRT-Untersuchung am heutigen Montag wird zeigen, wie gravierend die Verletzung ist. Kaderabek verließ die Arena ebenfalls mit schmerzverzerrtem Gesicht. "Ich kann die Schulter nicht richtig bewegen", sagte der Tscheche kurz angebunden beim Durchschreiten der Mixed Zone.

Hintergrund

Baumann: Gemütlicher Abend für den TSG-Keeper. Bis auf einen Schuss von Gomez und einen Kopfball von Gonzalez kaum in Gefahr.

Kaderabek: Früh gehandicapt nach dem Tritt von Insúa.

Bicakcic: Einsatzfreudig gegen

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Baumann: Gemütlicher Abend für den TSG-Keeper. Bis auf einen Schuss von Gomez und einen Kopfball von Gonzalez kaum in Gefahr.

Kaderabek: Früh gehandicapt nach dem Tritt von Insúa.

Bicakcic: Einsatzfreudig gegen seinen Ex-Klub. Blockte einmal super (50.).

Vogt: Wechselhaft. Hätte beinahe das 0:1 von Gomez eingeleitet ...

Brenet: Torschütze und Vorbereiter. Klare Steigerung nach der Pause.

Grillitsch: Begann als einer der wenigen vielversprechend. "Opfer" von Ascacibar. Droht länger auszufallen.

Zuber: Dynamisch über außen. Leitete das 3:0 geschickt ein.

Nelson: Ziemlich unauffällig in der ersten Halbzeit. Glänzend aber sein Slalomlauf gegen drei VfBler auf engstem Raum vor dem erlösenden 1:0.

Kramaric: Diesmal mit Licht und Schatten. Übertrieb hin und wieder die Finten und das Dribbling. Wurde von Nagelsmann für die nächsten Herausforderungen geschont.

Belfodil: Sehr, sehr spielfreudig. Ansatzloser Aluminiumtreffer (23.). Krönte seine exzellente Leistung mit dem Doppelpack.

Joelinton: Nach Belfodil der beste Hoffenheimer Angreifer. Torschütze des 2:0. Mitbeteiligt am 3:0. Rackerte wie ein Berserker.

Demirbay: Nach dem Ausscheiden von Grillitsch auf der Sechs. Von ihm gingen viele Impulse und Ideen aus.

Grifo: Bekam mal wieder eine Chance. Schöner Schlenzer (86.), leider an den Außenpfosten.

Nordtveit: Ordentliche Vorstellung des erfahrenen Norwegers. jog

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Zwei Wermutstropfen an einem Festtag - "Hoffe" hätte allzu gerne auf negative Begleiterscheinungen verzichtet. Denn sonst passte unter den Augen von zahlreichen prominenten Gästen, wie etwa Günter Netzer oder Ex-TSG-Trainer Markus Gisdol, so gut wie alles. Zum ersten Mal seit dem 14. April (2:0 gegen den HSV) stand wieder die Null, durch das 4:0 gelang im 19. Duell mit dem schwäbischen Rivalen der bislang höchste Sieg, und man konnte endlich mal "einen Gang rausnehmen und ein paar Körner sparen", wie es TSG-Kapitän Kevin Vogt treffend ausdrückte. Vor allem im Hinblick auf das knifflige DFB-Pokalspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) bei RB Leipzig kam dies den Hoffenheimern sehr gelegen. Vogt hob nach der einseitigen Angelegenheit gegen den "Vau-eff-Bee" die offensive Verteidigungshaltung, das Konzentrationsvermögen und die Effizienz in der Chancenverwertung hervor. "Wir haben auch in dieser Höhe verdient gewonnen", analysierte Vogt, "in solch einem Spiel brauchst du einen Dosenöffner."

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Dieser sollte das 1:0 von Brenet (48.) sein. Danach ging es in Sinsheim Schlag auf Schlag - mit tatkräftiger Unterstützung der Gäste, bei denen alle Dämme brachen. "Hoffe" tankte rechtzeitig vor den Auswärtshürden in drei Wettbewerben (Leipzig im Pokal, Leverkusen in der Liga, Lyon in der Königsklasse) mächtig Selbstvertrauen. "Mit so einer Leistung wie in der zweiten Halbzeit kann man auch in Leipzig weiterkommen", strahlte Julian Nagelsmann Zuversicht aus. RB-Übergangstrainer Ralf Rangnick hat die Messlatte schon mal hochgelegt: "Es wird eines der Highlight-Spiele." Logisch, wenn Nagelsmann auf seinen künftigen Verein und Arbeitgeber trifft ...

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