1899 Hoffenheim

Darum macht sich Manager Rosen keine Sorgen um die Zukunft

Trotz Ende der Ära Nagelsmann hat sich die TSG "in der Nahrungskette nach oben gearbeitet".

21.05.2019 UPDATE: 22.05.2019 06:00 Uhr 4 Minuten, 54 Sekunden

Sieht seinen Weg in Hoffenheim noch nicht am Ende: Manager Alexander Rosen. F.: APF

Von Nikolas Beck

Zuzenhausen. Alexander Rosen (40) übernahm im November 2010 die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums der TSG Hoffenheim. Seit mittlerweile sechs Jahren leitet der verheiratete Vater zweier Söhne die Geschicke der Bundesligamannschaft als Direktor Profifußball - und hat sich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung erklärt der gebürtige Augsburger, warum er sich - trotz einiger anderer Angebote - dazu entschied, seinen Vertrag bei der TSG bis 2023 zu verlängern.

Alexander Rosen, wo wurde mehr Adrenalin freigesetzt: Bei ihrer gemeinsamen Canyoning-Tour mit Julian Nagelsmann oder beim nervenaufreibenden letzten Bundesliga-Spieltag?

Grundsätzlich ist der Adrenalinspiegel in der Bundesliga schon recht hoch und am letzten Spieltag vielleicht noch etwas höher. Wenn man allerdings vor einem Sprung in circa 15 Meter Tiefe steht oder sich aus 30 Metern abseilen muss, dann ist das Level durchaus vergleichbar und definitiv ein besonderes Erlebnis. Wir haben das als persönlichen Abschluss einer fast zehnjährigen gemeinsamen Zeit gemacht. Für mich galt es in der Organisation dabei, die Herausforderung zu meistern, wie ich den Extremsport-Liebhaber Julian Nagelsmann an seine Grenzen bringen kann. Also haben wir zusammen mit zwei Guides eine durchaus "spezielle" Tour in einer fantastischen Schlucht gemacht.

Wie ist Ihre Gefühlslage nach diesem turbulenten Finale?

Auch interessant
1899 Hoffenheim: Sportchef Rosen schließt teure Einkäufe nicht aus
1899 Hoffenheim: Stafylidis wird Schulz-Nachfolger (Update)
Schulz geht, Adamyan kommt: 1899-Nationalspieler Nico Schulz wechselt zu Borussia Dortmund
1899 Hoffenheim: Das ist der erste Neuzugang
TSG 1899 Hoffenheim: Sportchef Alexander Rosen verlängert Vertrag bis 2023

Es fühlt sich immer noch nicht gut an. Man denkt: Es kann nicht sein, dass wir Neunter sind, wir haben 51 Punkte, eine Tordifferenz von +18 und laut Statistik fast 300 Torchancen herausgespielt - nur Bayern ist da besser. Aber unsere Effektivität war einfach schlecht. Darüber hinaus haben wir beinahe den Latten- und Pfostenrekord der Bundesliga (28!) eingestellt und dann gibt es im Fußball manchmal Dinge, die nicht bis ins letzte Detail erklärbar sind.

Wie beeinträchtigt das Verpassen der Europa-League-Plätze die Kaderplanung?

Es wird tendenziell eher die Größe des Kaders beeinflussen als den Lizenzspieleretat. Tatsächlich ist es so, dass wir nicht nur im laufenden Geschäftsjahr enorme Erträge generiert haben, sondern auch in den Jahren davor. In der Vorsaison wurde ein Überschuss in Höhe von 28 Millionen Euro realisiert - das ist herausragend. Nicht zuletzt durch die Transfers von Nico Schulz und Kerem Demirbay sind wir bei einer weitsichtigen Planung auch für die kommenden Jahre in einer sehr stabilen Ausgangslage, die uns optimistisch in die Zukunft blicken lässt. Deshalb wirft es uns wirtschaftlich auch nicht aus der Bahn, dass wir das internationale Geschäft nicht erreicht haben.

Müssen Sie ohne die Europa League mehr Überzeugungsarbeit leisten, um Spieler halten zu können?

Es mag sein, dass dieses Thema im Einzelfall eine übergeordnete Bedeutung haben kann. Unsere Jungs wissen aber sehr genau, was sie hier haben - und was möglich ist. Wir haben nach wie vor eine hohe Qualität im Kader und ein ruhiges, aber sehr ambitioniertes Umfeld, und zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit zeigen, wie hervorragend man sich bei der TSG entwickeln kann. Es muss schon viel passieren, dass Spieler uns verlassen und ich nehme wahr, dass wir uns Jahr für Jahr in der Nahrungskette nach oben gearbeitet haben. Zudem wissen viele Spieler durch die Verpflichtung von Alfred Schreuder genau, was auf sie zukommt - das ist ein weiterer Vorteil.

Apropos Schreuder: Wie lief das bei der Trainersuche?

Wir sind diese Herausforderung sehr offen angegangen und hatten einen großen Vorteil: den Faktor Zeit. Wir haben uns in Ruhe auf einem Markt bewegt, der auch für mich persönlich sehr interessant war. Dieser Prozess war sehr spannend und wir haben - das ist sicher kein Geheimnis - nicht nur mit einem Kandidaten gesprochen. Dabei konnte man viel über Menschen, andere Vereine und deren Herangehensweisen erfahren. Das alles war sehr lehrreich, aber auch ohne Frage intensiv.

Stand Alfred Schreuder schon von Beginn an auf der Kandidatenliste?

Nachdem er hier weg war, hielten wir trotzdem weiter Kontakt. Bereits im Herbst habe ich ihn darauf angesprochen und ihm gesagt, dass er sich einmal Gedanken über den Cheftrainerposten in Hoffenheim machen solle. Danach waren wir immer im Austausch. Alfred war einer der ersten Namen, die ich mit den Geschäftsführern Frank Briel und Peter Görlich sowie Dietmar Hopp besprochen habe. Es war nie eine überlange Namensliste an Trainern und Alfred war immer mit dabei.

Er ist nicht der Entertainer, der Julian Nagelsmann ist. Haben Sie Sorge, dass Hoffenheim nun ein Stück weit unsexy wird?

Es gibt ja noch mich (lacht). Aber Spaß beiseite: Was das betrifft, habe ich überhaupt keine Sorge. Julian hat zweifellos einen sehr großen Beitrag zu unserer positiven Wahrnehmung geleistet. Aber wir bleiben weiter ein spannender Klub - daran wird sich nichts ändern. Natürlich würde jeder, der versucht, wie Julian zu sein, scheitern. Aber ich glaube, gerade deshalb tut es gut, die Arbeit mit Alfred Schreuder fortzusetzen, einer gefestigten Persönlichkeit mit einem hervorragenden Charakter. Sicher gibt es in der Zukunft die eine oder andere Story weniger über einen verrückten Anzug oder einen roten Mantel, das ist ganz sicher. Viel wichtiger ist aber doch die Arbeit auf und neben dem Platz. Was die akribische Herangehensweise angeht, die Übungsformen, die Spielideen, das Lesen der gegnerischen Spielidee und das Umstellen während einer Partie, ist Alfred auf Top-Niveau. Die Vermittlung all dessen an die Spieler wird natürlich eine andere sein. Aber das ist vielleicht auch gut so.

Sie haben Ihren Vertrag bis 2023 verlängert. Gab es nicht die Überlegung: Mit der Ära Nagelsmann endet auch meine eigene hier?

Ich bin mit meinem Job hier sehr zufrieden. Ich darf hier in einem starken Team mit vielen Freiheiten gestalten und spüre großes Vertrauen. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir diese Frage nicht gestellt hätte. Ich würde noch mehr lügen, wenn ich behaupten würde, dass es keine anderen Optionen für mich gab. Mich würde natürlich irgendwann einmal reizen in einem großen Klub zu arbeiten, der Jahr für Jahr um Titel spielt. Es muss aber sehr viel passen, dass ich sagen würde: Das ist es jetzt für mich. Ich habe einfach gespürt, dass mein Weg in Hoffenheim noch nicht zu Ende ist.

Haben Sie aktuell Anzeichen, dass ein weiter Leistungsträger gehen könnte?

Nein, habe ich nicht.

Viele Leihspieler kehren zurück, aber Sie wollen den Kader reduzieren. Wie viel Arbeit wartet denn in den kommenden Wochen noch auf Sie?

Es wird genug zu tun geben, aber viele Themen sind bereits vorbereitet. Die dringlichsten Hausaufgaben sind gemacht und wir haben die Kernthemen - Besetzung einer defensiveren Außenverteidigerposition und zwei schnelle Spieler für die Offensive - auch schon umgesetzt. Jetzt geht es mit der Detailarbeit weiter, auch im Hinblick auf die ausgeliehenen Spieler.

Was ist denn für Hoffenheim nächste Saison drin?

Um das zu beurteilen ist es noch etwas früh. Es gilt abzuwarten, wie unser Kader zu Beginn der Vorbereitung aussieht und wie sich die anderen Klubs in der Sommerpause aufstellen. Klar ist aber, dieser neunte Platz, den ich ehrlich gesagt nach wie vor nicht so ganz fassen kann, ist heute schon ein innerer Antrieb für die nächste Saison. Am Ende des Tages müssen wir die Fehler bei uns suchen, aber was wir in der vergangenen Saison teilweise bei uns erleben mussten, gehört in die Kategorie des Unerklärbaren, die im Fußball viel stärker zum Tragen kommt als in anderen Mannschaftssportarten.

Inwiefern?

Ort des Geschehens

Wenn eine Mannschaft im Basketball Woche für Woche so spielt wie wir, dann wird sie am Ende Dritter. Weil einfach so viel mehr Möglichkeiten entstehen, viel mehr Würfe, die zu Punkten verwandelt werden können. Im Fußball gibt es weniger Chancen, also auch weniger Tore. Es gilt also effektiv zu sein, was uns leider viel zu häufig fehlte und manchmal braucht man einfach auch ein bisschen Spielglück. Und so sind wir nun am Ende der Saison Erster - allerdings nur in der Latten-und-Pfosten-Treffer-Rangliste (lacht).

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.