TSG Hoffenheim gegen Basaksehir FK

Ein Team mit Verbindungen zur AKP und Erdogan

Hoffenheims Gegner Basaksehir ohne Schulden und Zuschauer - Aktuell sind die Türken auf Rang vier in der Süperlig

18.10.2017 UPDATE: 19.10.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden

Basaksehir FK wird vom ehemaligen Nationaltrainer Abdullah Avci trainiert. Foto: Imago

Von Tobias Schächter

Istanbul. Anfang November lädt der Türkische Fußball-Verband (TFF) Journalisten aus westeuropäischen Ländern in die Türkei ein. Rund um das Champions-League-Spiel zwischen Besiktas Istanbul und AS Monaco soll den Besuchern gezeigt werden, wie die Türkei - und speziell der Fußball im Land - "wirklich" seien. Die Türkei will unbedingt die EM 2024 ausrichten, das ist der Wunsch der Regierungspartei AKP und vor allem von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, einziger Mitbewerber ist Deutschland.

Schon im August hatte der neue Chef der Uefa-Medienkommission auf einer Veranstaltung versucht, europäische Journalisten davon zu überzeugen, dass der türkische Fußball Fortschritte mache. Der Mann ist aber vielleicht nicht ganz unparteiisch, er heißt Servet Yardimci, ein türkischer Reeder aus Rize am Schwarzen Meer. Yardimci versicherte laut Augenzeugenberichten, es gebe keinen Einfluss der Politik auf den skandalumtosten Fußball am Bosporus. Auch der Retortenklub Medipol Basaksehir FK, der heute in der Europa-League bei der TSG Hoffenheim antritt, stünde nicht unter dem Einfluss der Politik.

Das aber ist Propaganda, der Aufstieg der ehemaligen Betriebsportgruppe der Istanbuler Stadtverwaltung zu einem ernstzunehmenden Herausforderer der großen Klubs Fenerbahce, Besiktas und Galatasaray verdankt der Verein seinen guten Verbindungen zur Regierungspartei AKP und Staatschef Erdogan. Als der letztjährige Vizemeister im Sommer in der Champions-League-Qualifikation zuhause den FC Brügge besiegt hatte, feierten die Spieler den anwesenden Erdogan nach dem Abpfiff in der Kabine: Der Altinternationale Emre Belözoglu hielt die Hand Erdogans, während seine Mitspieler den Politiker hochleben ließen. Stürmer Emmanuel Adebayor erzählte hinterher, es sei großartig gewesen, mit dem Staatspräsidenten zu sprechen. Der Superstar aus Togo erklärte, dass er mit dem Mann, der so viel für die Türkei getan habe, nun ja vielleicht auch Projekte in seiner Heimat anstoßen könne.

Die Verbindungen zwischen Basaksehir FK und Erdogan sowie der AKP sind vielfältig. Schon der Name des Klubs liefert einen Hinweis. Im Jahr 2015 kaufte sich die Krankenhauskette Medipol bis 2019 in den Namen des Klubs ein, das Unternehmen wird von einem engen Vertrauten Erdogans geführt. Auch andere Großsponsoren weisen eine große Nähe zur AKP auf. Vor zwei Jahren weihte Erdogan persönlich das neue Stadion (Kapazität: 17.300 ) ein und erzielte beim Eröffnungsspiel einen gefeierten Hattrick.

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Gebaut wurde die Arena von der Kalyon Gruppe, die an den Plänen zum Umbau des Gezi-Parks beteiligt war und in den Bau des dritten Flughafens in Istanbul involviert ist, einem Prestige-Projekt der AKP-Regierung. Sponsor ist auch das Bauunternehmen Makro Insaat, das mit der Werbung "Bir Ev, Bir Aile" - "Ein Haus, eine Familie" - quasi das Programm der AKP in sich trägt. Die Bande zwischen der politischen Macht und dem Klub sind sogar verwandtschaftlicher Natur: Basaksehir-Präsident Göksel Gümüsdag, ein Unternehmer und Politiker, ist mit einer Nichte von Erdogans Frau verheiratet. Gümüsdag war lange Vorsitzender der Vereinigung der türkischen Profiklubs, jüngst trat er nicht mehr an. Viele vermuteten politische Ambitionen dahinter, womöglich im TFF, wo der langjährige Präsident Yildirim Demirören nach der verpassten WM-Qualifikation unter Druck steht?

Basaksehir, das vom ehemaligen Nationaltrainer Abdullah Avci trainiert wird, ist der einzige türkische Spitzenklub ohne Schulden. Aber auch ohne Fans. Normalerweise schauen nur rund 3000 Menschen bei den Heimspielen vorbei. Die Mannschaft aber ist sehr erfahren, neben Emre und Adebayor kicken dort auch andere Altstars wie der Schweizer Gökhan Inler, der Franzose Gael Clichy oder der Niederländer Eljero Elia. Aktuell steht die Elf auf Rang vier in der Süperlig, in der Europa-League gewann sie allerdings erst einen Punkt. Die Partie in Hoffenheim (0 Punkte) ist für beide zum Abschluss der Vorrunde also von großer Bedeutung.

Vor dem Stadion in Sinsheim wird übrigens eine Gruppe von Aktivisten gegen "die Ungerechtigkeit im türkischen Fußball" demonstrieren. Für sie ist der große Manipulationsskandal von 2011 noch nicht aufgearbeitet. Damals erkaufte sich Fenerbahce den Titel, Besiktas manipulierte das Pokalfinale zu seinen Gunsten. Auch zwei Spieler des damaligen Istanbul BB und heutigen Basaksehir FK wurden verurteilt - bevor viele Verurteilte mit Hilfe der Politik wieder reingewaschen wurden.

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