Hoffenheim hat weiter an Prestige gewonnen

Den Hoffenheimern fehlen beim 1:2 im Bonus-Match gegen den großen FC Bayern nur das Quäntchen Glück und ein Bonus-Punkt

04.11.2013 UPDATE: 04.11.2013 05:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden
Kevin Volland setzte Martínez und Co. enorm zu. Fotos: APF
Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Wenn die ruhmreichen Bayern in die Rhein-Neckar-Arena kamen, wurde es für das Münchner Starensemble noch nie ein Spaziergang. Zeremonienmeister Pep Guardiola hatte im Vorfeld die bisherigen Ergebnisse in Sinsheim genau studiert. "Es war immer kompliziert", sagte der erfolgsverwöhnte Katalane, der als Erbe von Jupp Heynckes beim letztjährigen Triple-Gewinner vor seiner größten persönlichen Herausforderung steht. "Gratulation an Markus und seine Mannschaft", hob Guardiola respektvoll an, was an den "gemischten Gefühlen" bei Markus Gisdol nichts änderte. "Hoffe" hatte am Samstag das derzeit weltbeste Vereinsteam richtig gefordert, geärgert und zum Nachdenken gebracht, doch am Ende mangelte es beim 1:2 (1:1) vor 30 150 Zuschauern im erstmals ausverkauften Stadion in dieser Spielzeit an den berühmt-berüchtigten Kleinigkeiten, die eben letzten Endes den Unterschied ausmachen.

"Wir haben nur an Ansehen gewonnen", konstatierte Gisdol, "aber zum Schluss hast du doch null Punkte. Wenn du die Bayern noch mehr ärgern willst, dann muss alles optimal laufen." Bis auf zwei Szenen machten die Hoffenheimer alles prima. Leidenschaftlich stemmten sie sich gegen den vermeintlich übermächtigen Kontrahenten - und über weite Strecken der höchst intensiven Partie schien es so, als würde sich der 23-fache deutsche Meister die Zähne am Dorfklub ausbeißen. Erst recht, nachdem Bayern-Torhüter Manuel Neuer bei einem Eckball von Kai Herdling daneben gegriffen hatte und der am zweiten Pfosten stehende TSG-Jüngling Niklas Süle mit Wucht zum umjubelten 1:0 (34.) einnetzte. Neuers Geschenk und Süles Bundesliga-Premierentor nährten den Glauben an eine faustdicke Überraschung. Kevin Volland legte sofort nach: Bei seinem Schuss (36.) blieb - im Gegensatz vor zwei Wochen - das Außennetz vor der Nordkurve intakt, bei seinem zweiten raffinierten Versuch (37.) vom rechten Strafraumeck aus reagierte Neuer prächtig. In dieser Phase brachte der Außenseiter den haushohen Favoriten erheblich ins Wanken. Um so bitterer für die tapferen Gisdol-Schützlinge, dass sie diesmal nicht von der hohen Spielkunst des Champions-League-Gewinners bezwungen wurden. Das 1:1 (39.) sollte ein Zufallsprodukt sein - Ribérys Freistoß fand das Loch in der TSG-Mauer und Mario Mandzukic fälschte unhaltbar für Keeper Koen Casteels ab. Und das 1:2 (75.) resultierte von der Entstehungsgeschichte her aus einem fatalen Fehlpass von Süle, der den Ball in die Mitte auf Martínez passte. Verrückterweise eroberte Andreas Beck das Rund zurück, um es unglücklich gegen Schweinsteiger zu verlieren - dann ging's superflott über Martínez, Ribéry zu Müller, der die Fußspitze vor Rudy brachte. "Wir hätten den Ball einfach wegschießen sollen", sagte Casteels hinterher, wegen des FCB-Pressings ständige Anspielstation und elfter Feldspieler.

Für die Bayern kam die Führung einer Erlösung gleich. Guardiolas Orchester der Superlative gab in der Folgezeit den Ton an und ließ dank seiner Klasse und Cleverness nichts mehr bis zum Ausklang zu. Insgesamt war's freilich ein "schmutziger", unspektakulärer Arbeitssieg - wenn man so will ein Rückfall in alte Bayern-Zeiten, jener Mixtur aus "Dusel" und unnachahmlicher Effizienz. Fußballästhet und Perfektionist Guardiola deutete seine Unzufriedenheit an. "Das war heute nicht unsere beste Vorstellung", sagte Pep ernüchtert, "ich muss mein Konzept korrigieren."

Fast dankbar nahm Guardiola den Lehrstoff der fast gleichwertigen Hoffenheimer zur Kenntnis. Gisdol hatte sich für ein kompaktes 4-3-3-System entschieden und mit Rudy, Strobl und Herdling gleich drei Sechser auflaufen lassen. Die taktisch klug eingestellten, sehr variablen TSGler legten den Rekord-Bayern, die zum 36. Mal hintereinander ungeschlagen blieben und somit die Bestmarke des HSV von 1982/83 einstellten, einen imaginären Gürtel um. "Das war ein bisschen unkonventionell. Aber es war mit eines unserer besten Spiele", verriet Kapitän Beck den taktischen Masterplan, der Mann-gegen-Mann-Situationen und Rotationen auf den Außenbahnen beinhaltete.

Es fehlte nicht viel - und Gisdols Rasenschach wäre aufgegangen. "Ich denke, unser Trainer kann mit uns als Mannschaft zufrieden sein", sagte Süle mit süßsaurer Miene. Ganz klar: Der Leistungstrend ging zuletzt im kuriosen Phantomtor-Match gegen Leverkusen, beim wohltuenden 4:1 in Hannover und nun gegen die Rekord- und Titeljäger des FC Bayern klar nach oben. Doch das Engagement, leider zu wenig belohnt, sollte gerade in den nächsten Wochen gegen Hertha, Augsburg, Bremen und Frankfurt mehr Ertrag bringen. "Da sind wir nicht so extrem Außenseiter", betätigte sich Gisdol vorsorglich als Mahner.

Wie dem auch sei: Im Bonus-Spiel gegen den FC Ruhmreich hätte Hoffenheim durchaus einen Bonus-Punkt verdient gehabt. Immer wenn die "Roten" in Sinsheim gastieren, legen die Kraichgauer eine Extramotivation an den Tag und dürfen stolz auf sich sein. Aber gegen Bayern bleiben sie auch im elften Bundesliga-Spiel ohne Sieg. Kleine Ergebnisse und große Gefühle gehören gegen Guardiolas Galafußballer offenbar dazu.

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