Karl Jaspers’ Heidelberger Wohnhaus (1923- 1948) in der Plöck 66. Foto: Heribert Vogt
Von Heribert Vogt
So fern und doch so nah: Auch wenn der große Heidelberger Philosoph und Psychiater Karl Jaspers bereits vor 50 Jahren am 26. Februar 1969 starb, so begegnet man ihm doch stets aufs Neue. Zum Beispiel bei der Vergabe des Heidelberger Karl-Jaspers-Preises 2017 an das eng mit Heidelberg verbundene Forscherpaar Jan und Aleida Assmann, das dann 2018 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde. Diese hohe Auszeichnung hatte übrigens Jaspers selbst 1958 auch bekommen.
Jaspers verfügt auch über weltweite Strahlkraft. So etwa als Doktorvater von Hannah Arendt und damit in den anhaltenden internationalen Debatten um die jüdische Politiktheoretikerin etwa in Israel oder den USA. Und zum Beispiel die 1951 in Japan gegründete Jaspers Society of Japan, eine von acht Jaspers-Gesellschaften, ist nach wie vor aktiv. 2015 sprach der Rechtswissenschaftler Paul Kirchhof als Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften im Hinblick auf Jaspers’ Werk von einem "Schatz an Denkhilfen zu unserer Orientierung".
Der Philosoph Karl Jaspers. Foto: Archiv
Aber auch in der RNZ spiegelte sich das dramatische Zeitgeschehen um Karl Jaspers wider. So bezog sich die Korrespondenz mit der Zeitung 1948/49 auf einen Kristallisationspunkt im Leben des so apostrophierten "Praeceptor Germaniae": Die Verbrechen des noch frischen Zweiten Weltkriegs und die Schuldfrage, das persönlich erlittene Unrecht, die zwiespältige Rolle Heidelbergs und der Universität in jenen Zeiten wie auch die Entwicklungen im damaligen Nachkriegsdeutschland bildeten für Jaspers eine schwierige Gemengelage, in der er sich entschloss, Heidelberg wie Deutschland zu verlassen und 1948 einen Ruf an die Universität Basel anzunehmen.
Gleichwohl zählt Jaspers, 1883 in Oldenburg geboren, zu den bedeutendsten Vertretern der Universität Heidelberg. Neben Edmund Husserl, Martin Heidegger oder Hans-Georg Gadamer gehört er zu den prägenden deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Zunächst studierte er Jura in Heidelberg und München, dann Medizin in Berlin, Göttingen und Heidelberg. Am Neckar war Jaspers seit 1908 als Psychiater tätig, nach seiner Habilitation 1913 lehrte er an der Ruperto Carola zuerst Psychologie, seit 1920 als Professor für Philosophie. In der Nazizeit erfolgte 1933 der Ausschluss aus der Universitätsverwaltung, 1937 die Zwangspensionierung und 1938 das Publikationsverbot. Mit seiner jüdischen Ehefrau geriet Jaspers dann in akute Lebensgefahr.
Bei Kriegsende 1945 wieder in seine Universitätsämter eingesetzt, war Jaspers maßgeblich am Wiederaufbau der Ruperto Carola beteiligt, bevor er 1948 nach Basel wechselte. Aber auch danach blieb er mit Büchern wie "Die Atombombe und die Zukunft des Menschen" (1957) oder "Wohin treibt die Bundesrepublik?" (1966) ein Mahner im Nachkriegsdeutschland. Mit seinen politischen Schriften übte er Kritik an der deutschen wie an der Weltpolitik. 1958 wurde der Existenzphilosoph mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt.
Auf mehr als 50 Bände und eine Laufzeit von 18 Jahren ist ein großes, 2012 begonnenes Editionsprojekt der Heidelberger Akademie der Wissenschaften angelegt, in dem die kommentierte Gesamtausgabe der Werke, des Nachlasses und der Briefe von Karl Jaspers erarbeitet wird. Erstellt wird die Ausgabe in Kooperation mit der Baseler Karl-Jaspers-Stiftung an den Universitäten Heidelberg und Oldenburg. Die Leitung liegt bei den Heidelberger Professoren Thomas Fuchs (Psychiatrie/Philosophie) und Jens Halfwassen (Philosophie).
Die Herausgeber nutzen den im Deutschen Literaturarchiv Marbach verwahrten Nachlass und die im Oldenburger Karl-Jaspers-Haus untergebrachten über 11000 Bände der Jaspers’schen Forschungsbibliothek. Während der Heidelberger Schwerpunkt auf den klinischen und philosophischen Schriften liegt, stehen in Oldenburg in Ergänzung zum dortigen Hannah-Arendt-Zentrum Jaspers’ politische Schriften im Fokus.
In Heidelberg erinnert eine Gedenktafel in der Plöck 66 an das Wohnhaus des Philosophen und Psychiaters. In Bergheim ist das Heidelberger Centrum für Transkulturelle Studien (HCTS) der Universität im Karl Jaspers Zentrum (Voßstraße 2) angesiedelt.
Aktuell geblieben ist Jaspers’ Wortprägung von einer "Achsenzeit in der Weltgeschichte" (800-200 v. Chr.). Dazu erschien 2012 in der Harvard University Press der Jaspers gewidmete Band "The Axial Age and Its Consequences" (Herausgeber: Robert N. Bellah, Hans Joas). Darüber sprach auch noch vor Kurzem der gegenwärtige Friedenspreisträger Jan Assmann in der Neuen Universität.