Fridays for Future gegen den Beton: Einige Hundert Demonstranten protestieren gegen die Produktion von HeidelbergCement. Foto: Rothe
Von Barbara Klauß
Heidelberg. "Stoppt Zement! Stoppt Zement!", schallt es hundertfach durch die Kurfürstenanlage in Heidelberg. Bis zu 800 vor allem junge Menschen ziehen mit Trommeln und Pfeifen von der Stadtbücherei Richtung Uniplatz und skandieren: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr zu viel Häuser baut!" Zum ersten Mal hat die Bewegung Fridays for Future in Heidelberg zum Protest gegen ein Unternehmen aufgerufen: Im Mittelpunkt steht an diesem Freitag der Baustoffkonzern HeidelbergCement. "Blumenwiesen statt Betonwüsten", steht auf einem der Banner, die sie durch die Straßen tragen.
Hauptkritikpunkt: der CO2-Ausstoß. 76 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat das Unternehmen, das zu den größten Baustoffkonzernen der Welt gehört, im Jahr 2018 eigenen Angaben zufolge verursacht. Fridays for Future rechnet HeidelbergCement damit zu den größten CO2-Produzenten und fordert die Verantwortlichen zum Handeln auf.
Der Konzern betrachtet sich allerdings nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung anstehender Aufgaben, wie ein Unternehmenssprecher erklärt. Man begrüße die gesellschaftliche Diskussion zum Klimawandel. Der Klimaschutz sei seit vielen Jahren ein vorrangiges Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie.
"Dass die Zementindustrie energieintensiv ist und einen großen Teil zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, ist unstrittig", so der Sprecher. Doch habe sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, den spezifischen CO2-Fußabruck bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 30 Prozent zu senken. Bisher sei weltweit eine Reduktion um rund 20 Prozent erreicht worden. Bis spätestens 2050 will HeidelbergCement CO2-neutralen Beton entwickeln. Dafür steigert der Konzern die Energieeffizienz seiner Produktionsanlagen, setzt verstärkt auf alternative Roh- und Brennstoffe – insbesondere auf Biomasse wie etwa Klärschlamm – und ersetzt, soweit möglich, den CO2-intensiven Klinker im Zement durch mineralische Roh- und Reststoffe mit deutlich niedrigerem CO2-Fußabdruck. Bis 2030 will HeidelbergCement 80 Prozent seines jährlichen Forschungs-Budgets für die Entwicklung nachhaltigerer Produkte einsetzen.
Die Schüler und Studenten bei der Demonstration beeindruckt das wenig. "Das sind schöne Ziele", sagt Line Niedeggen von Fridays for Future. Die aber reichten noch nicht, um der Klimakatastrophe zu begegnen. "Schönrechnerei bringt keine Klimagerechtigkeit", fügt die Heidelberger Schülerin Anna Hermann hinzu. "Dazu gehört 100-prozentiger konsequenter Klimaschutz in allen Ländern, bei allen Tochterunternehmen und nicht nur auf dem Papier." Darüber hinaus, meint Line Niedeggen, dürfe sich ein Großkonzern wie HeidelbergCement nicht nur auf interne Abläufe konzentrieren, sondern müsse seinen Einfluss auch nutzen, um einen weltweiten Wandel in Gang zu setzen.
Denn auch das Verhalten des Unternehmens in Teilen der Welt kritisieren die Demonstranten, unter die sich Mitglieder von Umwelt- und Menschenrechtsbewegungen wie SaveKendeng, Klimakollektiv, Rise for Justice, Architects for Future und Extinction Rebellion mischen. So sei der Konzern an verschiedenen Orten, etwa in Indonesien und Togo, an der Zerstörung wichtiger Ökosysteme und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, heißt es. "HeidelbergCement ruht sich auf niedrigen Umwelt- und Menschenrechtsstandards in anderen Teilen der Welt aus", sagt etwa Cyrus Amin Parsa von Extinction Rebellion. Am heutigen Samstag demonstriert ein Netzwerk der togoischen Diaspora ab 13 Uhr vor dem Heidelberger Hauptbahnhof unter anderem gegen die vermeintliche Zerstörung der Umwelt in Togo durch HeidelbergCement.
Der Konzern übernehme an allen seinen gut 3000 Standorten Verantwortung für die Menschenrechte und eigene Umweltauswirkungen, erklärt der Unternehmenssprecher dazu. "Dabei halten wir uns in allen Ländern, in denen wir aktiv sind, an nationales und internationales Recht." In den vergangenen Jahren hatten verschiedene Nichtregierungsorganisationen HeidelbergCement oder Tochterorganisationen vorgeworfen, sich nicht an nationale Normen zu halten. "Wir haben alle Fälle eingehend geprüft und weisen die entsprechenden Vorwürfe entschieden zurück", so der Sprecher.
Beton, für den Zement der Grundstoff ist, sei der weltweit am häufigsten eingesetzte Baustoff, sagt er noch. "Ohne diesen Baustoff ist weder Infrastruktur noch Leben in Metropolen denkbar."
Natürlich wolle Fridays for Future nicht, dass alle Menschen in Holzhütten wohnen, erklärt Line Niedegger. Aber die Bewegung wünscht sich klimafreundliche Alternativen. HeidelbergCement jedenfalls wird nicht zum letzten Mal Thema gewesen sein bei Fridays for Future. Den Termin der Hauptversammlung am 7. Mai haben sich die Aktivisten schon einmal vorgemerkt – auch wenn das ein Donnerstag ist.
Im Zuge der Demonstration gegen HeidelbergCement hatten die Heidelberger "Fridays for Future"-Aktivisten drei Tage lang auch den Instagram-Account der RNZ übernommen. Ziel war es, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und den Menschen so einen Einblick in die Planung und Organisation einer FFF-Demo zu geben. Die Demonstration am Freitag war live zu sehen: In den Stories gab es kurze Segmente des Demo-Zugs, und der Reden.