Rainer Dulger, Gesamtmetall-Präsident, steht nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Atrium seines neuen Dienstsitzes. Die Abstimmung fand digital statt. Der ursprünglich geplante Arbeitgebertag wurde wegen der Corona-Krise verschoben. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Frankfurt/Main. (dpa) Der neue Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert von der Bundesregierung Reformen statt Steuererhöhungen, um die Kosten der Corona-Krise zu finanzieren. "Reformen für wirtschaftliche Dynamik bringen höhere Steuereinnahmen, ohne dass dafür Steuersätze steigen müssen", sagte Dulger der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ/Freitag). "Solange dieser Weg nicht beschritten ist, gibt es für Steuererhöhungen keine Grundlage."
Er sehe mit Sorge, dass sich auf dem Weg ins Wahljahr 2021 - anders als nach der Finanzkrise 2009 - "diesmal ein politischer Wettstreit darum anbahnt, welche und wie starke Steuererhöhungen es bald geben soll", sagte Dulger. So werde aber keine wirtschaftliche Dynamik entstehen. "Eher würgt es den erhofften Aufschwung ab."
So hatten etwa die Ministerpräsidenten der SPD-regierten Länder in ihrem Beschlussentwurf für die Bund-Länder-Runde am Mittwoch einen Corona-Solidaritätszuschlag ins Spiel gebracht. Dadurch müssten die durch die Pandemie im Gesundheitswesen verursachten Kosten nicht einseitig durch die gesetzlich Versicherten abgefedert werden, hieß es.
Die staatlichen Milliarden-Hilfen verteidigte Dulger: "Ich erkenne an, dass wir - Unternehmen und Beschäftigte - in diesen besonderen Zeiten viel staatliche Hilfe erhalten." Diese sei "sachgerecht und wirkungsvoll", wenn auch "nicht reine Marktwirtschaft", sagte er der FAZ. Umso wichtiger sei es, zügig zu marktwirtschaftlicher Politik zurückzukehren. "Starke Unternehmen, die möglichst vielen Menschen sichere Arbeitsplätze bieten können, sorgen dafür, dass am Ende über Steuern und Sozialbeiträge viel Geld in die öffentlichen Kassen kommt".
Dulger wurde am Donnerstag nach acht Jahren an der Spitze des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall zum neuen Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gewählt.
Update: Freitag, 27. November 2020, 09.47 Uhr
Rainer Dulger ist zum Arbeitgeberpräsidenten gewählt worden
Von Barbara Klauß
Heidelberg. Er ist ein Mann der klaren Ansagen: der Heidelberger Unternehmer Rainer Dulger, 56 Jahre alt, ist am Donnerstag zum neuen Arbeitgeberpräsidenten gewählt worden. In den vergangenen acht Jahren, in denen er an der Spitze des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall stand, hat er immer wieder deutlich Position bezogen. "Für weniger Arbeit kann es nicht mehr Geld geben", erwiderte er etwa auf den Vorschlag der Gewerkschaft IG Metall, bei schlechter Auslastung in den Unternehmen eine Viertagewoche mit Teillohnausgleich einzuführen. Auch mit Kritik an der Politik hielt er nicht immer hinterm Berg. So bezeichnete er im vergangenen Jahr etwa Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als "schwächsten Minister" und "Fehlbesetzung".
An der Spitze der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ersetze nun mehr hemdsärmelige Härte eine hanseatische Noblesse, schrieb die "WirtschaftsWoche" am Donnerstag. Beim Verband folgt Dulger auf den langjährigen Präsidenten Ingo Kramer – der zwar in der Sache auch hart argumentierte, aber selten öffentlich laut wurde.
Es wird erwartet, dass Dulger die BDA gegenüber der Politik wieder stärker als Mahner von marktwirtschaftlichen Reformen positioniert. Wettbewerb, Chancengerechtigkeit, Eigenverantwortung und unternehmerische Freiheit – das seien die Grundwerte, die ihm "besonders am Herzen liegen", erklärte er. Zwar lobte er in einer Videoschalte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Corona-Krisenpolitik der Bundesregierung und verzichtete auf scharfe Angriffe. Er machte aber zugleich klar: Es komme nun darauf an, den Blick auf die Zeit nach der Krise zu lenken. Dulger forderte etwa "Strukturreformen", damit die Sozialausgaben nach der Wahl nicht in die Höhe schnellten.
Auf der Agenda des neuen Arbeitgeberpräsidenten stehen außerdem eine leistungsfähige Infrastruktur, Klimaneutralität und der Strukturwandel. Digitalisierung und Nachhaltigkeit würden die Wirtschaft schließlich von Grund auf verändern, sagte er der "WirtschaftsWoche". Der Strukturwandel müsse gelingen – "wem, wenn nicht der deutschen Wirtschaft?" Allerdings müsse sie die dazu notwendigen Freiheiten haben.
Dulger hat an der Universität Kaiserslautern studiert und als Doktor der Ingenieurwissenschaften abgeschlossen. Nach einer kurzen Tätigkeit bei Audi stieg der begeisterte Hubschrauberpilot 1992 in das Familienunternehmen ProMinent ein, das er seit 1998 gemeinsam mit seinem Bruder Andreas führt. Der Hersteller von Dosier- und Spezialpumpen hat weltweit 2700 Beschäftigte. Dulger ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Heidelberg – will künftig aber zwei Tage in der Woche in Berlin sein.
In der Verbandsarbeit ist Dulger erfahren. Seit fast 20 Jahren bekleidet dort er Ehrenämter: zunächst ab 2001 als Vorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Rhein-Neckar. 2009 wurde er Chef von Südwestmetall, bevor er schließlich 2012 an die Spitze von Gesamtmetall rückte – wo er mit der IG Metall um die Arbeitsbedingungen von knapp vier Millionen Beschäftigten rang. Als Arbeitgeberpräsident muss der erfahrene Tarifpolitiker nun etwa auch die Interessen der Banken, des Einzelhandels oder der Pflegeanbieter im Blick haben.
Dulger übernimmt die neue Aufgabe in einer Zeit großer Unsicherheit, in der viele Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz bangen. Möglicherweise, sagt der BDA-Präsident, liege in der Krise aber auch eine Chance, den Anliegen der Arbeitgeber Geltung zu verschaffen: "In Zeiten, in denen es wirtschaftlich nicht so gut läuft, findet man vielleicht besser und schneller Gehör." Die Arbeitgeber in Baden-Württemberg jedenfalls hoffen – "angesichts der "enormen Herausforderungen" – mit Rainer Dulger auf eine "vernehmbare Stimme der Arbeitgeber" in Berlin, wie es in einer Mitteilung von Donnerstag heißt.
Dulger selbst erklärt: "Sie können davon ausgehen, dass ich entschieden in der Sache und fair im Umgang sein werde." Politik, fügt der neue Arbeitgeberpräsident hinzu, sei die Gestaltung des Machbaren. "Und da kommen Sie allein mit scharfen Worten auch nicht weiter."