Leimen/Nußloch

Die Materialseilbahn wird abgerissen

Das Produktionsende naht. Die neue Nutzung der Trasse zwischen dem Nußlocher Steinbruch und dem Leimener Zementwerk ist noch unklar.

18.02.2022 UPDATE: 19.02.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
260 Loren transportieren seit über 100 Jahren Millionen von Tonnen an Kalkstein über die Dächer Nußlochs und Leimens. Foto: Alex

Von Benjamin Miltner

Leimen/Nußloch. Noch ruckeln und gleiten, surren und knarren sie jeden Wochentag über den Köpfen der Nußlocher und Leimener: Die 260 Gondeln der Materialseilbahn, die seit über 100 Jahren das Rohmaterial aus dem Nußlocher Steinbruch ins Leimener Werk von Heidelberg Cement liefern (siehe auch "Hintergrund"). Das Ende ihrer treuen Dienste hatte sich zuletzt abgezeichnet, Hoffnung auf den Erhalt der Seilbahntrasse gab es dennoch. Nun steht aber fest: Das geschichtsträchtige Bauwerk wird abgerissen. "Die Materialseilbahn wird nicht mehr benötigt und soll im Laufe der nächsten beiden Jahre abgebaut werden", wie Elke Schönig, Unternehmenssprecherin bei Heidelberg Cement, auf RNZ-Nachfrage mitteilt. Die Flächen unterhalb der etwa 5,6 Kilometer langen Strecke wolle man gemeinsam mit den Kommunen entwickeln und führe in Leimen sowie Nußloch Gespräche dazu.

Der Baustoffkonzern hatte bereits im September 2020 das Ende der Klinkerproduktion im Zementwerk Leimen für Ende 2022 oder Anfang 2023 angekündigt – zuvor war man immer von einem Kalksteinabbau bis etwa 2027 oder gar 2030 ausgegangen. Einen genaueren Zeitplan gibt es weiterhin nicht: "Wir beabsichtigen nach wie vor, zum Jahresbeginn 2023 die Ofenanlagen in Leimen stillzulegen und das Werk als Mahlwerk weiterzubetreiben", wie Schönig erklärt. Schicht im Schacht im Nußlocher Steinbruch ist dann übrigens noch nicht: Der noch vorhandene Rohstoff soll laut der Unternehmenssprecherin für andere Zwecke genutzt werden. "Unser Tochterunternehmen ,Heidelberger Sand und Kies’ prüft die Möglichkeiten für einen weiteren Abbau, allerdings in geringerem Maße als bisher."

Hintergrund

> Die Leimener Zementfabrik wurde 1896 von der "Portland-Cement-Werke Heidelberg AG" – heute Heidelberg Cement – errichtet. Ein Brand am Fabrikgebäude in Heidelberg des 1873 gegründeten Unternehmens hatte die Suche nach einem neuen Standort möglichst in der Nähe der

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> Die Leimener Zementfabrik wurde 1896 von der "Portland-Cement-Werke Heidelberg AG" – heute Heidelberg Cement – errichtet. Ein Brand am Fabrikgebäude in Heidelberg des 1873 gegründeten Unternehmens hatte die Suche nach einem neuen Standort möglichst in der Nähe der Rohstoffe losgetreten. Schnell entstanden in Leimen rund um das Werk Wohnungen und eine eigene kleine Gemeinde mit Festhalle, Kindergarten, Werksbücherei und Hallenschwimmbad. Zuletzt hat der global tätige Baustoffkonzern mit dem 2016 eingeweihten "HeidelbergCement Technology Center" 20 Millionen Euro in ein Forschungszentrum am Standort Leimen investiert.

> Die Materialseilbahn verbindet seit über 100 Jahren den Nußlocher Steinbruch mit dem Leimener Zementwerk. Erstmals im Mai 1917 probeweise und seit 1918 im regulären Betrieb befördern 260 Gondeln pro Stunde bis zu 320 und jährlich bis zu 800.000 Tonnen Kalkstein bergab über die rund 5,6 Kilometer lange, von 60 Stützen gehaltene Strecke. Die Gondeln ersetzen somit etwa 40.000 Lastwagen-Fahrten jährlich. (bmi)

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Und ohne Materialseilbahn, die vielen Nußlochern ans Herz gewachsen ist. Diese Zuneigung der Mondspritzergemeinde hat sich 2017 gar in der Gründung des Vereins "Materialseilbahnfreunde Nußloch" manifestiert. Auch Bürgermeister Joachim Förster betont stets den Wert der Lorenbahn für die Gemeinde und hatte auf den Erhalt des für ihn sowie für den Verein "bedeutenden Kulturgutes" gehofft. Dies sei aber letzten Endes die Entscheidung der Firma Heidelberg Cement, die bis auf wenige Ausnahmen auch Eigentümer der jeweiligen Grundstücke ist, so der Rathauschef.

"Für die Gemeinde wären der Erhalt und die Wartung der kompletten Strecke nicht zu stemmen." Man sei aber mit dem Unternehmen in guten Gesprächen, den "einen oder anderen Teil als Industriedenkmal erhalten zu können." Förster denkt dabei etwa an den Eingangsbereich des Steinbruchs, das Umlenkwerk im Allming und die Schutzbrücken über den Straßen an den Ortseingängen. Diese könnten etwa mit einzelnen Loren drapiert, mit Blumen geschmückt und so als Erinnerungsorte gestaltet werden.

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Das Ende des Kalksteinabbaus naht: Am Standort Leimen wird Anfang 2023 aus einem Zement- ein Mahlwerk. Foto: Alex

In der Nachbarstadt Leimen gehen die Überlegungen zur Nutzung der Trasse in eine ähnliche Richtung. Stadtsprecher Michael Ullrich berichtet von Planungen, die von einem Radweg über Parkbänke bis hin zu einem kleinem Dokumentationszentrum reichen. Für weitere Details verweist er auf den 17. März, an dem sich der Ausschuss für Umwelt und Verkehr mit dem Thema beschäftigen soll.

"Die Trasse läuft über sehr unterschiedliche Grundstücke, teils an der Straße entlang, teils über Acker, Bau- und Gewerbegebiet", erklärt Nußlochs Bürgermeister Förster. Jeder Abschnitt sei differenziert zu betrachten. Die künftigen Nutzungen werde der Gemeinderat im ersten Halbjahr 2022 besprechen. Über die Zukunft des Steinbruchs brauche man sich angesichts der langfristigen Abbaulizenzen noch nicht den Kopf zu zerbrechen.

Schon eher über künftige Verkehrsbelastungen durch Lkw: Denn für den Transport des übrigen Rohstoffes an den jeweiligen Kunden von "Heidelberger Sand und Kies" biete sich die Bundesstraße B 3 an, so Unternehmenssprecherin Schönig. Dies werde derzeit wie auch der Beginn des weiteren Abbaus geprüft. "Es wird sich aber um ganz andere Mengen als bisher handeln."

Ort des Geschehens

Die Umwandlung in ein Mahlwerk am Standort Leimen geht derweil "mit einer stufenweisen Reduktion der derzeit 120 um rund 90 Stellen" auf dann 30 Mitarbeiter einher. Was den Ab- oder Rückbau der Ofenanlagen sowie den weithin sichtbaren Schornstein des Zementwerks angeht, heißt es aus dem Unternehmen: Ob und wann Gebäude oder Teile davon zurückgebaut werden, ist noch nicht entschieden. Unter Denkmalschutz stehen lediglich das Verwaltungsgebäude direkt an der Rohrbacher Straße und die im einstigen Jugendstilbad angesiedelte heutige Werkskantine. Für beide Gebäude werde laut Schönig "derzeit eine interne Nachnutzung" diskutiert.

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