Weinheim

Querdenker-Demo am Sonntag verlief friedlich

"Weiße Rosen" als zweifelhafte Symbole - Rund 100 Demonstranten stellten Inzidenz-Zahlen und Masken infrage

01.11.2020 UPDATE: 02.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 9 Sekunden
Der 1,5-Meter-Abstand wurde auf dem Protestmarsch eingehalten. Foto: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Sonntagnachmittag, kurz vor 15 Uhr. Grauer Himmel. Nieselregen. Novembertristesse liegt über der Zweiburgenstadt. Auf dem Dürreplatz haben sich knapp 50 Menschen eingefunden. In ihrer Mitte eine Frau mit goldfarbenem Stirnreif. Auf einem Schild um ihren Hals outet sie sich als "Heilige Corona – Schutzpatronin bei Seuchen". Die Frauen und Männer sind Angehörige und Sympathisanten der Initiative "Querdenken 6201", die sich hier zu einer weiteren ihrer sonntäglichen Demos versammelt haben. Vom Dürreplatz aus wollen sie durch die Fußgängerzone zum Schlosspark marschieren und auf der Wiese eine Kundgebung abhalten. Tenor: "Für den Erhalt unserer Grundrechte" und "gegen Maskenzwang".

Das Brisante: Das Ordnungsamt der Stadt hatte – unabhängig von dem von den Querdenkern als "Spaziergang" titulierten Protestmarsch – bereits vor gut einer Woche das Gebot einer Mund-Nasen-Bedeckung und der Einhaltung der Mindestabstandsregel in Fußgängerzone und Schlosspark erlassen. Würden sich die Demonstranten daran halten?

Die Polizeikräfte aus ganz Nordbaden mussten nicht einschritten. Foto: Dorn

14.45 Uhr.: Mannschaftstransportwagen und Streifenwagen der Polizei fahren auf. Rund 30 Beamte und Einsatzkräfte von Bruchsal bis Weinheim sind vor Ort. Offiziell angemeldet wurden nach Angaben von Weinheims Revierleiter, Polizeioberrat Holger Behrendt, und seinem Stellvertreter, Polizeihauptkommissar Bernd Kilian, 100 Personen auf dem Dürreplatz. Etwa noch einmal die gleiche Anzahl will sich mit ihnen anschließend im Schlosspark vereinigen. Tatsächlich sind es hier wie dort nur halb so viele. Ebenfalls am Dürreplatz ist Mark Lucht vom Bürger- und Ordnungsamt der Stadt. Lucht bemüht sich gegenüber Ulrike Rogall, der Sprecherin der "Querdenken"-Initiative, um Deeskalation.

Angesichts der geringen Zahl der Demonstranten sei das Mund-Nasen-Maskengebot zu vernachlässigen, wenn die "Spaziergänger" bei ihrem Zug den Eineinhalb-Meterabstand einhalten. Sollten sie den nicht halten, werde man letztlich nicht davor zurückscheuen, denjenigen oder diejenige, der/die dagegen verstößt, aus der Gruppe herauszuziehen. Behrendt: "Das Ganze wird dann als Ordnungswidrigkeit verfolgt und zieht auf jeden Fall eine Strafe nach sich."

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„Querdenkerin“ Ulrike Rogall trug eine weiße Rose als „Zeichen der Trauer“, wie sie sagte. Foto: Dorn

15.07 Uhr: Die "Spaziergänger" setzen sich nach entsprechender Information durch Rogall in Zweiergruppen in Bewegung. Ein Trommler macht die Begleitmusik, die Marschierenden skandieren auf dem Weg zum Marktplatz "Frieden, Freiheit, Liebe, Wahrheit". Niemand trägt Maske. Knapp 20 Minuten später erreicht die Gruppe den Schlosspark und ein mittels Flatterband abgesperrtes Areal, wo weitere Querdenkern unter anderem aus Mannheim und Darmstadt warten.

Rogall dankt der Polizei und bittet die Pressevertreter um "faire Berichterstattung". Höhnisches Gelächter antwortet ihr – vonseiten der Querdenker. Von OB Manuel Just sei sie "massiv enttäuscht", weil dieser den bundesweiten Lockdown in der Stadt mittrage, so Rogall: "Dafür müssen Sie gegenüber den Bürgern bei der nächsten Wahl geradestehen!"

Was die Inzidenzzahlen im Kreis betrifft, macht sie eine gänzlich andere Rechnung auf als offizielle Stellen – und stellt die hohen Infektionszahlen in Abrede. Und auch was die Alltagsmasken betrifft, warnt sie davor, dass Menschen davon "in Angst und Schrecken versetzt" und "traumatisiert" würden. Darüber hinaus hätten Bürger Angst davor, sich in Kliniken behandeln zu lassen. Als Promi-Redner ist Thomas Wüppesahl, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, aus Hamburg angereist. Auch Allgemeinmediziner Werner Rusche greift zum Mikrofon, ehe Rogall erneut das Wort ergreift und auf einen Eimer mit weißen Rosen zum Mitnehmen hinweist.

Die Antwort auf die Frage der Presse, ob sie eine Assoziation mit der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" aus der NS-Zeit herstellen will, bleibt Rogall schuldig. Dies zu interpretieren, sei jedem selbst überlassen. Nur so viel: Gedacht seien die Rosen als "Symbol der Trauer", weil "niemand verstanden hat, was schon beim ersten Lockdown kaputtging". Die Rosen sollen vor dem Haus von OB Just niedergelegt werden.

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