Walldürn

Junge Leute ernten Kartoffeln wie zu Großvaters Zeit

Sie arbeiteten mit alten Geräten auf dem Feld. Die Erdäpfel werden beim Aussiedlerhof Sans verkauft.

08.10.2021 UPDATE: 10.10.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Mit einem Kartoffelroder aus dem Jahr 1964 haben Nico Rauch und sein Großvater Hans Müller, Lennart Sans, Lukas Farrenkopf, Silvana Sans, Lorena Bruch, Ann-Kathrin Latzko und Norman Herkert ihre Erdäpfel geerntet. Foto: Adrian Brosch

Walldürn. (adb) Herbstzeit ist Erntezeit! Was früher nicht selten zum Kraftakt verkam, ist heute dank moderner technischer Hilfsmittel keine große Hürde mehr. Einen ganz anderen Weg gehen jedoch junge Leute aus Walldürn und Umgebung: Sie entschieden sich bewusst für die Kartoffelaussaat und -ernte mit Gerätschaften aus Opas Zeiten – mit Rat und Tat eines aus der Landwirtschaft stammenden Großvaters.

Die Idee hierzu hatten der 23-jährige Maschinenbautechniker und angehende Landwirt Nico Rauch aus Buchen und sein 22 Jahre alter Freund Lennart Sans aus Walldürn, der als Milchtechniker tätig ist. Sie gingen zusammen mit Lukas Farrenkopf (16), Silvana Sans (24) und Lorena Bruch (16) aus Walldürn, Ann-Kathrin Latzko (23) aus Waldstetten und Norman Herkert (22) aus Rippberg ans Werk. Mit von der Partie war dazu Nico Rauchs Großvater Hans Müller (80), der der jungen Generation mit seinem Fachwissen zur Seite stand.

Ursprünglich hatten sie am 1. Mai auf einem Feld bei Walldürn Kartoffeln gesteckt. "Wir wollten etwas Eigenes aufziehen und dabei vor allem im Bezug auf den Kartoffelkäfer und die Krautfäule sowie auf die Bedeutung der Wettereinflüsse auf Landwirtschaft, Boden und Ernte am direkten Beispiel vor Ort Neues lernen", erklären sie. Bereits hier kam ihnen während eines Gesprächs der Gedanke, mit altem Handwerkszeug zur Tat zu schreiten – und zwar mit rund 60 Jahre alten Setz- und Hackgeräten, einem ebenso alten Häufelgerät und einem Kartoffelroder aus 1964, den die Gruppe eigens über eine Internetauktion "organisierte". Wieder andere Werkzeuge – darunter der aus dem Jahr 1976 stammende Schlepper der Marke "International" - stammen aus dem nächsten Umfeld. "Den Schlepper hat mein Großvater Hans Müller damals neu gekauft", erklärt Nico Rauch.

Einsatzbereit waren die Gerätschaften sofort: "Der Schlepper bekam zur Sicherheit neues Motoröl mit Filter, aber ansonsten war alles problemlos gangbar", schildert Lennart Sans, der diesen Umstand auf die Robustheit und Belastbarkeit gerade älterer Landmaschinen zurückführt. Dem stimmt Nico Rauch zu: "Wo wenig Technik und Elektronik sind, kann auch wenig kaputt gehen", erklärt der 23-Jährige und lobt die durchweg "sehr solide Verarbeitung".

Das erfordere jedoch im Umkehrschluss kräftigeres Zupacken. "Die Arbeit mit älteren Geräten und Maschinen ist definitiv deutlich anstrengender", erklärt Rauch. Der Zeitaufwand ist ebenfalls deutlich höher als mit aktuellen Einsatzgeräten. Man sei "auf dem Feld nicht so schlagkräftig", komme aber dennoch "recht gut voran" und sehe die Landwirtschaft aus einer anderen Perspektive, die dem ursprünglichen Tätigkeitsbereich nahekommt. "Es ist und bleibt körperliche Arbeit, obwohl es auch auf diese Weise Spaß macht", so der angehende Landwirt. Er vergleicht das Fahren eines alten Schleppers und die Bedienung antik erscheinender Geräte mit einem typischen Oldtimer. Dahingehend bekomme man auch ein intensiveres Gespür im Umgang mit der Technik, von dem man später im Sinne der Selbsthilfe nur profitiere: "Man hört bei einem alten Fahrzeug viel genauer hin, wo es klappern oder quietschen könnte, schaut nach und versucht, die Ursache umgehend zu beseitigen."

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"Wenn man mit alten Geräten arbeitet, lernt man die bisher vielleicht als selbstverständlich angesehenen und nicht weiter beachteten Errungenschaften der Technik umso mehr zu schätzen", betonen die beiden und erinnern etwa an die in aktuellen Traktoren verbaute Klimaanlage oder elektronisch unterstützte neue Landwirtschaftsgeräte. "Im Ganzen hat aber jede Zeit ihr Gutes – und wir haben dieses Mal auf jeden Fall einiges gelernt", freuen sie sich. Ihre Kenntnisse konnten sie freilich nicht nur über die Landwirtschaft erweitern: "Wenn man selbst etwas aufzieht, entwickelt man ein größeres Bewusstsein für regionale Lebensmittel und schmeckt den Unterschied", so Nico Rauch abschließend.

Ort des Geschehens

Info: Die wie zu Großvaters Zeiten gehegten und geernteten Kartoffeln sind beim "Kartoffelhäusle" am Walldürner Aussiedlerhof Sans erhältlich – entweder in Jutesäcken oder lose aus der Kartoffelkiste.

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