Winzer von Baden

Simona Maier wechselt zwischen Blazer und Gummistiefeln

Sie wird Technische Betriebsleiterin. Die Winzerin wurde im falschen Körper geboren.

13.05.2022 UPDATE: 15.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Ab 1. Juni arbeitet Simona Maier als Technische Betriebsleiterin bei der Genossenschaft „Winzer von Baden“ in Wiesloch. Dass sich die 31-Jährige auf die Stelle beworben hat, hatte viel mit der Produktion des Weins „One Love“ zu tun. Foto: Pfeiffer

Von Annette Steininger

Wiesloch. Als die RNZ-Redakteurin Simona Maier 2018 das letzte Mal traf, hatte sie gerade die erste geschlechtsangleichende Operation hinter sich. Einige weitere folgten, unter anderem am Kehlkopf für eine weiblichere Stimme. Denn Simona Maier wurde als Simon geboren, wusste aber ab ihrer Jugendzeit, dass sie eine Frau ist und im falschen Körper zur Welt gekommen war. Heute ist sie "angekommen", wie die Mühlhausenerin selbst sagt, sie ruht in sich. Und das merkt man.

Selbstbewusst, im roten Blazer und mit sich fröhlich kringelnden blonden Locken, hat die ehemalige badische Weinprinzessin – bis Ende Juni 2021 war sie in Amt und Würden – Neuigkeiten zu verkünden: Denn die zielstrebige 31-Jährige macht Karriere: Am 1. Juni tritt sie ihre Stelle als Technische Betriebsleiterin der Genossenschaft "Winzer von Baden" in Wiesloch an.

Und das hat sehr viel mit einer regenbogenfarben etikettierten Flasche zu tun, einem Blanc de Noirs, den sie jetzt auf den Tisch stellt. Rewe ist schon vor einer Weile auf die Winzerin mit ihrer "Weinmanufaktur am Heiligenstein" aufmerksam geworden und wollte von Simona Maier wissen, ob sie sich vorstellen könnte, einen Wein für den Supermarkt-Riesen zu produzieren. "Sie hätten gern 120.000 Flaschen", erinnert sie sich noch, wie perplex sie damals war. "Das konnte ich in der Menge aber nicht leisten, auch nicht zusammen mit dem Weingut Clauer in Heidelberg, wo ich noch bis Ende Mai als Kellermeisterin tätig bin", erzählt Maier.

Sie suchte also jemanden für die Zusammenarbeit und wurde bei den "Winzern von Baden" und hier insbesondere beim zweiten Kellermeister Simon Eschenbacher fündig. Gemeinsam entwickelten sie "One Love", der nun seit Anfang Mai deutschlandweit bei Rewe erhältlich ist. Ein Teil der Trauben stammt auch von Simona Maiers eigenem Weingut. Während der Arbeit wuchs ihr das Team ans Herz. Schon länger war zudem bekannt, dass der erste Kellermeister, Jürgen Knopf, in den Ruhestand geht.

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Und Simon Eschenbacher habe kein Interesse daran gehabt, sich auf die Nachfolge zu bewerben. "Er will lieber im Keller bleiben", erzählt Simona Maier schmunzelnd. Also bewarb sie sich auf die Stelle – "es war ein Bewerbungsverfahren mit mehreren Runden" – und reüssierte. Die genaue Zahl der Bewerber kennt Simona Maier nicht, aber es schienen einige gewesen zu sein. Sie freut sich riesig, dass es geklappt hat und dass nun im Weinbereich, der doch mehr eine Männerdomäne ist, mehr "Frauenpower" reinkommt.

"Hier bedient man sich eher weiblicher Personen, wenn es um Marketing geht, in der Produktion aber sind Frauen Mangelware." Dass sie mal ein Mann war, ist weniger ein Thema als vielmehr die Sorge von ein paar Winzern, dass die junge Simona Maier alles umkrempeln könnte und auch "dass gewisse Produkte vom Markt verschwinden". Wobei Letzteres nichts mit der künftigen Technischen Betriebsleiterin zu tun hat, sondern mit einer Änderung im Weinbezeichnungsrecht. Es werde schon Streichungen geben, aber im Liter-Bereich, beruhigt Maier.

Hintergrund

> Die "Winzer von Baden eG", früher "Winzerkeller Wiesloch" mit Sitz in Wiesloch, ist ein Zusammenschluss mehrerer Winzergenossenschaften aus dem nördlichen Baden. Die Genossenschaft ist der größte Weinerzeuger in den Bereichen Badische Bergstraße und Kraichgau. In 25

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> Die "Winzer von Baden eG", früher "Winzerkeller Wiesloch" mit Sitz in Wiesloch, ist ein Zusammenschluss mehrerer Winzergenossenschaften aus dem nördlichen Baden. Die Genossenschaft ist der größte Weinerzeuger in den Bereichen Badische Bergstraße und Kraichgau. In 25 Ortschaften zwischen Hemsbach im Norden und Bruchsal im Süden, zwischen der Rheintal-Autobahn im Westen und Sulzfeld an der Ravensburg im Osten bewirtschaften 1400 Winzer in sieben Ortsgenossenschaften eine Gesamtrebfläche von etwa 650 Hektar. ans

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Es gebe allerdings auch Winzer, gerade solche im Vollerwerb, die sich explizit freuen, dass die Genossenschaft auf die Zukunft ausgerichtet wird. Simona Maier will nicht alles neu machen, aber Abläufe und Prozesse optimieren, denn vor allem das Organisatorische ist ihr Metier. So koordiniert sie unter anderem das Team, das im Keller für den Weinausbau zuständig ist und dasjenige, das das Abfüllen übernimmt.

Die künftige Technische Betriebsleiterin tritt ihren Job in einer schwierigen Zeit für die Weinbranche an, die laut Maier "sehr unter Preisdruck" steht. Die Flaschenpreise gingen durch die Decke, die Lieferzeiten seien lang. Ihr ist es in jedem Fall wichtig, "die Winzer mit ins Boot zu holen", sich eng mit ihnen abzustimmen, beispielsweise auch zum Erntezeitpunkt und zu den Weinen, die am Markt gerade "en vogue" sind. Sie will "dezent" neue Technik einsetzen. Beispielsweise Kühltechnik, um die Gärung besser steuern zu können. "Und mit neuer Hefe experimentieren." Außerdem freut sie sich auf das Wein-Probieren und das Abstimmen des Süße-Säure-Spiels. Zudem wird sie mit Begeisterung daran gehen, den neuen Keller, der an den bisherigen angeschlossen ist, mit Fässern und Tanks auszustatten.

Ihr ist die enge Zusammenarbeit mit dem Team und den Winzern richtig wichtig, sodass sie auch weiterhin im Kelterhaus anzutreffen sein wird. Natürlich in Gummistiefeln. Aber genauso wird man sie auch im Blazer antreffen, je nach Anlass. Respekt vor der neuen Stelle hat sie schon, schließlich trägt sie Verantwortung für 20 Mitarbeiter und letztlich auch für 650 Hektar Rebfläche. Komplett seriös werde sie jetzt aber nicht, sagt Simona Maier schmunzelnd. Sie selbst und ihr Team sind allerdings nicht zuletzt wegen ihrer ganz besonderen Geschichte davon überzeugt: "Wenn jemand Veränderungen schaffen kann, dann Simona Maier."

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