Teuren Lebenswandel mit Corona-Schnelltest-Betrug finanziert?
Fiktive Corona-Schnelltest-Zentren: 26-Jähriger ist wegen Subventionsbetruges angeklagt.

Von Marco Partner
Mannheim. Hohe Kreditanfragen, gefälschte Ausbildungsdokumente, erfundene Firmen und fiktive Corona-Teststationen: Die Betrugskette, die ein 26-Jähriger vorzuweisen hat, ist lang. Wegen Verdacht des Subventionsbetrugs muss sich der gebürtiger Mannheimer derzeit vor dem Landgericht verantworten. Durch falsche Angaben soll er versucht haben, sich während der Corona-Pandemie staatliche Gelder von rund 46 Millionen Euro auf sein Konto überweisen zu lassen. Eine Befragung zu den persönlichen Umständen zeigt, wie die Lebensunterhaltungskosten stetig wuchsen und die Betrugsmasche schleichend zur Methode wurde.
Ein Mercedes im Wert von 43.000 Euro. Dazu eine Mietwohnung mit monatlichen Kosten von 920 Euro warm. Eine hohe finanzielle Belastung für einen frisch ausgebildeten Automobil-Kaufmann. Als der Angeklagte damit begann, im Namen seiner Tante Corona-Soforthilfen zu beantragen und später durch die Angabe fiktiver Corona-Schnell-Teststationen Millionensummen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) einforderte, hatte er sich schon einen Lebensstandard angeeignet, der nur schwer mit den monatlichen Einnahmen allein zu decken war.
Finanzielle "Nebeneinkünfte" werden bei der Anhörung vor der Wirtschaftsstrafkammer viele genannt. Mit Wertpapieren soll der Angeklagte schon früh gehandelt haben. Beträge – ob Schulden oder Gewinne – werden nicht genannt. Bei Durchsicht der Kontoauszüge sei zudem eine nicht näher definierte Summe aufgefallen, die unter dem Verwendungszweck "Drogen" vermerkt ist. "Der Scherz eines Freundes, ich habe nichts verkauft", versichert der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft hält ihm zudem vor, dass der Automobil-Kaufmann nach seinem erfolgreichen Abschluss Dokumente gefälscht haben soll, um neben dem festen Lohn weiterhin Ausbildungszuschüsse zu erhalten. Ein Darlehen für den Autokauf wurde ihm gewährt, obwohl ein Privat-Insolvenzverfahren gerade abgeschlossen war. Der Versuch, kurz danach für den Kauf einer Eigentumswohnung einen Kredit in Höhe von 210.000 Euro zu beantragen, aber scheiterte.
Im Sommer 2022 war der Angeklagte dann plötzlich gut bei Kasse, der Auto-Kredit konnte auf einen Schlag getilgt werden. Durch die Angabe einer fiktiven Corona-Teststation werden dem 26-Jährigen nach der erfolgreichen Registrierung bei der KVBW ganze 165.000 Euro überwiesen. Auch die Beantragungen von Corona-Soforthilfen unter der Angabe fiktiver Firmen seiner Tante und dem Vater seiner Ex-Freundin sind erfolgreich: 11.400 Euro gehen auf sein Konto ein.
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Bei weiteren zwölf Fällen mit angeblichen Corona-Teststationen und Forderungen von über 44 Millionen Euro flog die Betrugsmasche bei der digitalen Eingabe jedoch auf. Die KVBW erstattete beim Landeskriminalamt Anzeige wegen Betrugs. Seit einem halben Jahr sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft und muss Ende Februar mit einem Urteilsspruch rechnen. Begleitet wird das Verfahren von einem psychiatrischen Gutachter, der sich während des Prozesses ein Bild von dem 26-Jährigen machen soll, bei dem schon früh ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) diagnostiziert wurde. Der Vater sei unbekannt, die Kindheit schwierig gewesen, die Schule habe er zunächst abgebrochen. Auch Gewalt habe er erfahren müssen, weshalb die Öffentlichkeit bei der Befragung Familienangehöriger ausgeschlossen wird.
Allein in Baden-Württemberg ermittelt die Polizei laut Landeskriminalamt in knapp 300 Fällen wegen falsch abgerechneter Bürgertests. Insgesamt sind bei der Wirtschaftsstrafkammer in Mannheim bislang fünf Verfahren wegen Corona-Subventionsbetrugs anhängig. Bei einem besonders schweren Fall kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren drohen.
Update: Dienstag, 7. Februar 2023, 19.56 Uhr
46 Millionen Euro mit Corona-Betrügereien erschlichen
Von Marco Partner
Mannheim. Angebliche Corona-Teststationen, Soforthilfeanträge im Namen der Tante und fiktiver Firmen: Ein 26-jähriger Mannheimer soll versucht haben, sich durch falsche Angaben insgesamt fast 46 Millionen Euro zu erschleichen. Nun muss er sich wegen Verdacht des Subventionsbetrugs in mehreren Fällen vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts verantworten, ihm droht eine Gefängnisstrafe von mehreren Jahren. Zu Prozessbeginn am Dienstag räumt der Angeklagte seine ihm zur Last gelegten Straftaten vollumfänglich ein.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Anfang Juni 2022 soll sich der Angeklagte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) registriert und für acht angeblich von ihm in Mannheim und Ludwigshafen betriebene Teststandorte Leistungen eingefordert haben: Für die Monate Januar bis Mai 2022 wollte er als "nicht-ärztlicher Auftragnehmer" für die vermeintlichen Corona-Testungen insgesamt 44 Millionen Euro geltend machen. Dafür brauchte er wohl nicht mehr als einen Computer und ein paar Zahlen.
In den Datenportalen der KVBW trug er Standort-Identifikationsnummern, Adressen und erfundene Abrechnungen ein, die auf sein Konto verbucht werden sollten. Nach einer Plausibilitätsprüfung schöpften zwei Mitarbeiter der KVBW laut Staatsanwaltschaft jedoch Verdacht. Aufgrund von Auffälligkeiten und Ungereimtheiten erfolgten Anrufe, E-Mails mit Rückfragen und eine Auszahlungssperre. Das hinderte den Angeklagten nicht daran, seinerseits Druck auszuüben. Er würde auf den Kosten für die Testungen sitzen bleiben und habe den Versuch unternommen, die Auszahlung zu beschleunigen.
Er schien sich seiner Sache wohl sicher zu sein, denn in den Vorjahren kam der gelernte Automobil-Kaufmann mit seiner Masche zunächst davon: 2020 und 2021 beantragte er im Namen seiner Tante sowie des Vaters seiner früheren Lebensgefährtin ohne deren Wissen oder Billigung gleich mehrere Corona-Soforthilfen.
Angebliche Test-Stationen, fiktive Firmen
Aus einem ehrenamtlichen Sozialdienst der Tante wurde ein "Seniorenheim-Service", aus einer nebenberuflichen IT-Tätigkeit eine Softwarefirma, die sich aufgrund der Pandemie in einer existenzgefährdenden Wirtschaftslage befände. Eine Auszahlung von staatlichen Coronahilfen in Höhe von 11.400 Euro ließ sich der Angeklagte so auf sein Konto überweisen.
Auch bei einer fiktiven Teststation in Ilvesheim schien seine Taktik zunächst aufzugehen. Für ein angeblich von ihm und seiner Tante betriebenes Testzentrum beantragte er Auszahlungen in Höhe von 420.000 Euro. Und tatsächlich gingen zumindest 165.000 Euro auf sein Konto ein. Dann kam es im Juli 2022 zum Auszahlungsstopp, auch weitere Versuche mit fiktiven Testzentren in Ilvesheim, Mannheim und Heddesheim (hier versuchte der Angeklagte, Zahlungen von 1,2 Millionen Euro zu erwirken) schlugen fehl.
In dieser Zeit erstattete die KVBW bereits beim Landeskriminalamt Anzeige wegen Betrugs. Auch aufgrund des telefonischen Kontakts sei dem Angeklagten wohl nach und nach bewusst geworden, dass seine Strategie entlarvt wurde.
Nicht nur versuchte er es nun mit "kleineren" Beträgen. Auch in den digitalen Eingabemasken registrierte er sich erneut, und korrigierte die Forderungen nach und nach auf einen Betrag von null Euro. Doch da war seine Betrugsmasche bereits aufgeflogen. Nun befindet er sich seit über einem halben Jahr in Untersuchungshaft.
Nach dem Verlesen der insgesamt 17 Straftatbestände durch die Staatsanwaltschaft gibt die Verteidigung das kurze Statement ab, dass der Angeklagte die Vorwürfe vollumfänglich einräume. Auch der in einem weißen Hemd gekleidete 26-Jährige bestätigt dies durch ein kurzes "Ja".
Der Prozess wird am 6. Februar um 9.30 Uhr fortgesetzt, dann soll ein psychiatrischer Sachverständiger sein Gutachten vorstellen. Das Urteil wird Ende Februar erwartet. Insgesamt wurden am Mannheimer Landgericht bislang vier Verfahren wegen versuchten Corona-Subventionsbetrugs verhandelt.



