Mannheim

Schneider gibt Lebenshilfe durch Nadel und Faden

EU-Neuankömmlinge aus Südosteuropa lernen beim Projekt "Rom CaSaR" das Schneidern

18.03.2019 UPDATE: 19.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Jovica Arvanitelli bringt den Projektteilnehmern das Schneiderhandwerk bei. Foto: Gerold

Mannheim. (jami) Wer in einem fremden Land Fuß fassen möchte, muss die Sprache lernen, aber auch eine berufliche Qualifikation ist sehr wichtig. Das weiß Jovica Arvanitelli. Der ausgebildete Schneider ist Leiter des Projekts "Rom CaSaR - wir lernen schneidern", das Anfang des Jahres angelaufen ist. Es richtet sich an neu zugewanderte Menschen aus EU-Ländern, von denen viele nach Mannheim kommen. Jovica Arvanitelli bringt ihnen das Schneiderhandwerk näher. Er möchte ihnen damit eine Chance auf dem Arbeitsmarkt verschaffen oder den Weg in die Selbstständigkeit ermöglichen.

Die Abkürzung "Rom CaSaR" setze sich aus den Anfangsbuchstaben des Begriffs Schneider in den Sprachen Rumänisch, Bulgarisch und Griechisch zusammen, erklärt Jovica Arvanitelli in den Räumen des Landesverbands deutscher Sinti und Roma im Quadrat U3, wo er das Projekt der Öffentlichkeit vorstellt. Stolz blickt er in die frisch renovierten Räumlichkeiten, in denen sich neben der Musikschule Weiss, die sich mit der Musik der Sinti und Roma beschäftigt, auch die neue Nähwerkstatt befindet. "Ein wenig eng hier", gibt er scherzhaft zu. Aber professionelle Nähmaschinen und eine ebenfalls professionelles Bügelbrett benötigen ihren Platz. Die Gerätschaften stammen zum großen Teil aus dem Mannheimer Gründerzentrum Textilerei, von dem das Projektteam die Maschinen zu einem guten Preis abkaufen konnte.

"Unser Ziel ist die Integration und Beschäftigung von EU-Neuankömmlingen, die Interesse am Nähhandwerk haben oder ihre Fähigkeiten entdecken möchten", erklärt der Schneider. Sie sollen jedoch nicht nur die Fertigkeit erlangen, qualitative Sakkos und Co. zu schneidern: "Wir möchten ihnen auch den richtigen Umgang mit Kunden vermitteln, zum Beispiel, damit sie ihnen erklären können, warum die Preise beim Schneider höher sind als bei so manchen Billiggeschäften." Etwas, dass unter Umständen hilfreich sein kann, wenn man ein eigenes Geschäft hat. Ein weiteres Ziel ist außerdem, dass die Teilnehmer mit anderen Menschen in Kontakt kommen.

Die meisten Projektteilnehmer sind bulgarische Roma. Auch eine Frau aus dem Iran sei dabei, erzählt Arvanitelli. Hauptvermittler der Teilnehmer ist das Mannheimer Kooperationsprojekt "Anima - Ankommen in Mannheim", an dem sich neben der Stadt auch die Caritas, das Diakonische Werk und der Paritätische Wohlfahrtsverband beteiligen. Es richtet sich ebenfalls vornehmlich an Ankömmlinge aus Südosteuropa. "Rom CaSaR" selbst wird aus dem Mannheimer Integrationsfonds gefördert und von der Beratungsstelle für gleichberechtigte Teilhabe des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg, unterstützt.

Was das Projekt am Ende bewirken wird, kann Jovica Arvanitelli noch nicht sagen. Die Dauer ist erst einmal für das Jahr 2019 angesetzt. Das Interesse diverser Firmen aus der Umgebung an den Arbeiten aus der Nähwerkstatt ist bereits geweckt. Es gibt bereits eine Kooperation mit der Firma Freudenberg und einer Heidelberger Bäckerei. Für letztere fertigt die kleine Schneiderei Transportbeutel aus Stoff an, die in der Bäckerei verkauft werden. Mit der Handwerkskammer Rhein-Neckar stehe man auch in Kontakt, so der Projektleiter.

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Der Gruppenunterricht findet einmal pro Woche statt. Dabei lernen die Teilnehmer unter anderem den richtigen Umgang mit den Maschinen, von denen es diverse Modelle mit unterschiedlichen Funktionen gibt, je nachdem, ob die Fertigung traditionell oder industriell läuft. Manche sind teilweise computergesteuert, um Arbeitsschritte zu automatisieren und beschleunigen. "Auf dem Lehrplan stehen allerdings auch Infoschulungen zum Thema Arbeit, zum Beispiel zu den Rechten und Pflichten als Arbeitnehmer", erklärt der Projektleiter. Denn auch das gehört zu einer erfolgreichen Integrationsarbeit dazu. "Am Ende bekommt jeder ein Zertifikat." Und damit eine Urkunde, die den Menschen möglicherweise neue Türen in ihrer Wahlheimat öffnen.

Dass man sich mit dem Schneiderhandwerk tatsächlich etwas aufbauen kann, zeigt der Lebensweg von Jovica Arvanitelli. Er selbst ist einst aus dem ehemaligen Jugoslawien geflüchtet und habt 2004 in Speyer seine Schneiderausbildung gemacht. "Das war für mich die einzige Möglichkeit etwas zu lernen, denn für die Schneiderlehre gibt es kein duales System und man brauchte keine Arbeitsgenehmigung. Das war meine Rettung." So kam Jovica Arvanitelli letztlich auch zu seiner Arbeitserlaubnis und konnte sich ein Leben in Deutschland aufbauen.

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