Der frühere Vorsitzende Guido Shamir ist tot
Der Progressive mit der Leidenschaft für Opern: Am Wochenende verstarb er im Alter von 77 Jahren in seiner Wohnung in Kirchheim.
Heidelberg. (pne) Es waren emotionale Worte, die Guido Shamir am 2. Februar 1979 in einem Leserbrief an die RNZ wählte. Zum Anlass nahm er die Serie "Holocaust", die zuvor erstmals im deutschen Fernsehen zu sehen gewesen war. "Ich bin ein 32-jähriger Jude, dessen Vater all die grauenhaften Ereignisse und noch vieles mehr (...) hat miterleben müssen: der Eltern wie auch Frau und Kind im KZ verloren hatte. Auf bestialische Weise wurden meine Vorfahren vernichtet", bekannte Shamir.
1946 geboren, wuchs Shamir sowohl in Heidelberg, der Heimat seiner Mutter Gertrud, als auch einige Jahre in Israel auf. Die Geschichte seines Vaters Leo, der den Holocaust überlebt hatte, verwand Shamir nie richtig: Sein Nervensystem, so schreibt er es im Alter von 32 Jahren in der RNZ, sei aufgrund der familiären Vergangenheit beschädigt, nach wie vor müsse er therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
Als junger Erwachsener schloss Shamir als Jahrgangsbester die Heidelberger Wirtschaftsschule ab. Im Anschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Buchhalter beim Kaufhaus "Horten" am Bismarckplatz. In Kirchheim betrieb er später einen eigenen Papierladen, arbeitete als Buchhalter im Prinzhotel Heidelberg.
Im Juni 1988, mit 41 Jahren, wurde Shamir, der unter anderem für den Freundeskreis Heidelberg-Rehovot tätig war, dann zum Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde gewählt. Er gehörte zu denjenigen, die sich für ein eigenes jüdisches Gemeindezentrum stark machten: In seine Zeit fiel der Grundsatzbeschluss für den Bau des heutigen Gemeindehauses in der Häusserstraße in der Weststadt.
Nach der Öffnung Osteuropas kamen viele Juden aus der früheren Sowjetunion in das neue Gemeindezentrum nach Heidelberg. Das führte dazu, dass sich orthodoxere und liberalere Mitglieder "zusammenraufen" mussten, wie Shamir es Ende 1994 einmal ausdrückte. Er selbst konnte und wollte das jedoch nicht mehr und trat im Februar 1995 von seiner Funktion als Kantor zurück. Die Gemeinde hatte zuvor liberale Gottesdienste verboten, bezeichnete Shamirs Gottesdienst als "Gotteslästerung". Dieser gründete daraufhin eine "Vereinigung für religiös-liberales Judentum", mit der er für "einen anderen Zugang zur Religiosität" warb.
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Nach dem Bruch mit der Heidelberger Kultusgemeinde arbeitete Shamir noch einige Jahre freiberuflich als Kantor der Jüdischen Gemeinde Rheinpfalz. Die letzten Jahre lebte er alleine und zurückgezogen. Seine Zeit verbrachte er unter anderem mit dem Genuss von Opern, vor allem die griechische Sängerin Maria Callas mochte er.
Er sei "absolut nicht fürs Vergessen der Vergangenheit", hatte Shamir in seinem Leserbrief an die RNZ geschrieben. Am Wochenende verstarb er nun im Alter von 77 Jahren in seiner Wohnung in Kirchheim. An diesem Freitag um 10 Uhr wird er auf dem jüdischen Teil des Bergfriedhofs beigesetzt.