Wie Chinas Rentner fit bleiben
Chinas Bevölkerung altert, das Rentenalter steigt. Wie sich Senioren mit ungewöhnlichen Sportarten fit halten – und warum es dabei nicht nur um Sport geht.

Wang erinnert sich: Sein Arzt riet ihm vor Jahren wegen seiner steifen Schulter zu mehr Sport. Also habe er nach etwas Überlegen entschieden, eine Peitsche zu kaufen, sagt der heute 69-Jährige. "Ein alter Mann in unserer Heimatstadt sagte, ich solle die kaufen. Ich kann auch keine Tricks. Ich schwinge sei einfach zweimal hin und her", berichtet Wang, der wie manche seinen vollständigen Namen lieber nicht nennt.
Mehr Zeit für Neues
"Ältere Menschen achten heute mehr auf ihre Selbstfürsorge, sie treiben Sport und führen einen gesunden Lebensstil", sagt die Ärztin für traditionelle chinesische Medizin Liu Yajun. Sport stärke Muskeln und Knochen, verbessere Koordination und Gleichgewicht - wichtig, gerade im Alter. Den Vorruhestand hält Liu für eine großartige Möglichkeit, weil Menschen so Neues ausprobieren könnten.
Frau Wei nutzte diese Chance: Die 51-Jährige hörte bereits auf zu arbeiten. Jetzt trainiert sie fast jeden Morgen mit anderen Rentnerinnen auf dem Platz vor dem berühmten Trommelturm im Herzen Pekings mit Schwert und Fächer Tai-Chi. "Es fördert die Blutzirkulation und hilft bei kleineren körperlichen Beschwerden", sagt sie. Für die meditative Kampfkunst nimmt sie sich ein bis zwei Stunden pro Einheit Zeit.
Das Alterungsproblem Chinas
Chinas Bevölkerung altert rasant. Weil die Babyboomer nun in den Ruhestand gehen, gibt es immer mehr Rentner. Bei einer parallel sinkenden Geburtenrate wächst der Druck auf die Rentenkasse, aber auch den Arbeitsmarkt. Experten schätzen, dass sich Chinas Bevölkerung mit ihren heute rund 1,4 Milliarden Einwohnern bis 2100 halbiert haben könnte. Deshalb erhöht Peking seit diesem Jahr schrittweise das Rentenalter von 60 auf 63 Jahre für Männer und von 55 auf 58 Jahre für Frauen.
Chinas Wirtschaft, die unter schwachem Konsum leidet, wittert gute Geschäfte mit den alten Leuten. Für Reisen gibt es speziell für Rentner angepasste Züge. Diese "Silberhaar"-Zugreisen bieten an Bord nicht nur Verpflegung, sondern auch eine Krankenstation. Bis 2035 erwartet die Regierung, dass die "Silber-Wirtschaft" neun Prozent statt wie derzeit sechs Prozent zum Wachstum beiträgt.
Peking verordnet mehr Fitness
Auch Sportprodukte sind gefragt - mit Hilfe staatlicher Unterstützung. Denn fast jeder zweite Erwachsene gilt als übergewichtig. Laut staatlichen Medien stieg so auch die Nachfrage nach Sportartikeln und Fitness-Angeboten unter Rentnern. Umfragen zeigten demnach, dass etwa die Hälfte der Rentner mindestens einmal die Woche Sport treibt.
Die Ideen gehen ihnen nicht aus: Im Netz kursieren Videos von betagten Sportlern, die mit kuriosen Übungen begeistern. Manche stoßen ihren Rücken gegen einen Baumstamm - das soll die Durchblutung anregen. Andere hängen ihren Kopf in eine Art Schaukel und schwingen daran hin und her. Ganz ungefährlich ist das "Nacken-Hängen" nicht. Nach Berichten über tödliche Unfälle verboten die Behörden die Übung in manchen Parks.
Tanzen - "das Schönste überhaupt"
Weniger gefährlich ist Tanzen. Wer abends durch Chinas Städte schlendert, sieht häufig große Frauengruppen, die auf Plätzen zu schrillem chinesischem Techno tanzen. Im Pekinger Taoranting-Park bereitet sich Ge Fang an einem brütend warmen Vormittag auf das Training mit ihrer Tanzgruppe vor. "Ich komme jeden Tag", sagt die 68-Jährige.
Das Hobby habe sie im Ruhestand entdeckt. Ihre Gruppe tanzt "Matrosen-Tanz" - eine Art chinesischer Swing. "Diese Aktivität hat großen Einfluss auf die Gesundheit älterer Menschen", sagt Ge und deutet auf eine Mittänzerin, die bereits über 80 Jahre alt sei. Nach so vielen Tanzjahren fühle sie sich glücklich und gesund. "Tanzen ist das Schönste überhaupt", meint Ge.
Der chinesische Hacky Sack
Beliebt ist in China auch der "Jianzi", ein Federfußball, den man mitunter akrobatisch in der Luft hält. Wer die Rentner am Trommelturm in Peking nach dem besten Spieler fragt, hört den Namen Lao Fan. Der 70-Jährige erzählt, Jianzi sei schon in der östlichen Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) gespielt worden.
Vor sieben oder acht Jahren habe er damit angefangen. "Federfußball ist Training, und beim Trainieren dient er als eine Brücke der Freundschaft, weil sich Fremde dabei kennenlernen können und gute Freunde werden", sagt er. Lao Fan sieht aber noch einen anderen Nutzen: Weil er durch das Jianzi-Spielen gesund bleibe, müssten sich seine Kinder weniger um ihn sorgen. "Es ist also eine Win-win-Situation für alle."