Vegane Ernährung

Nur Gemüse für den Hund (plus Video)

Experten sehen viele Vorteile. Für Hundetrainer Martin Rütter spielt auch der Spaßfaktor eine Rolle.

10.06.2022 UPDATE: 11.06.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Der Hund stammt vom Wolf ab. Und bereits dieser ist kein ausschließlicher Fleischfresser. Im Verlauf der Domestizierung wurden Hunde sogar teilweise deutlich weniger fleischreich ernährt als heute. Foto: Getty

Von Marcel Schreiner

Heidelberg. Vierbeiner, Fellnase oder Fiffy – für den Hund gibt es unzählige Synonyme. Und: Es gibt wohl auch unendlich viele Streitthemen rund um das Leben unserer treuen Begleiter. Eines der größten ist die Frage, was bei unseren Hunden auf dem Teller landen soll. Konventionelles Futter, Rohfutter oder besser gleich ganz vegan – wer dieses Thema anspricht, kann sich auf Diskussionen gefasst machen. Dabei sind sich die Experten beim Thema vegane Hundeernährung gar nicht so uneinig, wie man es meinen könnte.

Noch vor wenigen Jahren war die rein vegane Ernährung bei vielen Experten sehr umstritten. Der bekannte Hundetrainer Martin Rütter gehörte zu diesen, streitet das auch keineswegs ab. "Das stimmt, ich habe das Thema früher wirklich nicht ganz ernst genommen und mich oft darüber amüsiert", gibt er unumwunden zu, korrigiert diese Haltung aber im Anschluss umgehend: "Ich bin auch ein Typ, der Dinge immer wieder hinterfragt und ich habe auch kein Problem damit, es zuzugeben, wenn ich Stuss geredet habe."

Direkte Worte des "Hundeflüsterers", die ihren Ursprung vermutlich dort haben, wo viele Kritikpunkte an einer veganen Ernährung bei Hunden anknüpfen. "Es sind viele Unsicherheiten und falsche Mythen, die bei diesem Thema herumgeistern", erklärt Lisa Kainz von der Tierrechtsorganisation Peta. Diese "Halbwahrheiten", die gerade im Internet gerne von beiden Lagern vorgetragen werden, hindern dabei an einer ernsthaften, wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik.

Eine klassische Argumentation ist beispielsweise der Verweis auf die Ursprünge des Hundes und seine Vorfahren. Markus Mairle von der Ortsgruppe des Deutschen Schäferhunde-Vereins aus Handschuhsheim-Ziegelhausen kennt diese Herleitung gut. "Es heißt immer, der Hund sei ein Abkömmling vom Wolf und damit ein Raubtier", erklärt er: "Ich glaube aber, das ist so nicht mehr ganz wahr." Die lange Zeit als Begleiter des Menschen habe stattdessen dazu geführt, dass sich Hunde auch an die Ernährung des Menschen gewöhnt hätten. "Gerade früher, als Fleisch noch teurer war, bekam der Hund dann eben auch viel Reis, Nudeln und Kartoffeln", beschreibt er diese Anpassung: "Insofern lassen sich Hund und Wolf so nicht vergleichen." Auch Tierärztin Christina Gayer sieht kaum noch Parallelen. "Hunde sind mittlerweile sehr angepasst, man kann nicht mehr sagen, dass ein Hund wie ein Wolf wäre", erklärt sie: "Sie sind fast schon zu den Omnivoren zu zählen."

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Doch die wohl wichtigste Frage: Kann ein Hund überhaupt gesund bleiben, wenn er kein Fleisch frisst – und zwar dauerhaft? "Ich selbst ernähre meine Hunde nicht vegan, setze sogar rohes Fleisch zu", sagt Mairle, der trotzdem wenig Bedenken hat: "Dass es gefährlich wäre, glaube ich aber nicht." Auch für Hundetrainer Rütter steht eine ganz andere Frage ganz im Mittelpunkt: der Geschmack. "Man muss sich die Frage stellen: Entwickelt mein Hund Spaß beim Essen, kann er es wirklich schlingen? Auch das trägt zum Wohlbefinden bei." Wenn das Futter schon beim Kauen förmlich zu Staub zerfalle, sei es keine Option. In dieser Hinsicht hat sich gerade in den vergangenen Jahren viel getan. "Die allermeisten Hunde nehmen das vegane Futter sehr gut an und der Markt an verschiedenen Geschmacksrichtungen wächst aktuell sehr", weiß Tierschützerin Kainz: "Mittlerweile gibt es eine riesengroße Auswahl an veganen Futtermitteln zu kaufen."

Wichtig bleibt dabei, dass es sich eben um ein ausgewogenes Futter mit den entsprechenden Zusätzen handelt – oder der Halter wird selbst aktiv und sorgt sich um die idealen Bestandteile. "Es müssen alle Komponenten enthalten sein, zudem sollten alle Bestandteile sowohl quantitativ als auch qualitativ im Futter zu finden sein", betont Kainz. Heißt: Wer seinen Hund gut ernähren möchte, muss sich auf diesem Gebiet schlau machen. Wer alles richtig machen will, kann sich auch Hilfe vom Fachmann holen. "Ich würde immer jemanden empfehlen, der sich in die Materie eingearbeitet hat", rät Tierärztin Gayer. So könne man beispielsweise Aufgasungen oder ähnliche Probleme durch die falsche Fütterung vermeiden. "Jeder sollte selbst wissen, wie er seinen Hund ernährt, wenn man gewisse Regeln einhält, kann man dem Hund füttern, was ihm schmeckt", sagt auch Mairle: "Bei der veganen Variante muss man aber Zusätze füttern – ähnlich wie beim Rohfutter. Aber das ist ja heute kein Problem mehr."

Problematisch wird es allerdings, wenn persönliche Überzeugungen die Sicht vernebeln. Auch hier neigen natürlich beide Extreme dazu, schnell und mitunter unreflektiert Stellung zu beziehen. Für Peta keine gute Ausgangslage. "Diese Probleme lösen wir am Besten ganz sachlich und ohne Emotionen", versucht es Kainz mit kühlem Kopf: "Wenn sich die Menschen intensiv und unvoreingenommen mit dem Thema auseinandersetzen, sehen sie auch die Vorteile."

Aber auch vegan lebende Menschen sind vor den sprichwörtlichen Scheuklappen nicht gefeit. "Viele Veganer versuchen das auf das Tier zu übertragen, das finde ich nicht gut", hat auch Mairle schon seine Erfahrungen gemacht: "Der Hund muss das auch wollen, man kann es ihm nicht einfach nur hinstellen und er frisst es nicht."

Gründe, überhaupt über eine Umstellung nachzudenken, gibt es indes ausreichend. Gerade bei Hunden mit Allergie-Probleme, von denen auch Mairle immer häufiger mitbekommt, wird verstärkt auf vegane Kost umgestellt. Die Schlussfolgerung für Kainz: "Wenn für einen Allergie-Hund alle wichtigen Inhaltsstoffe vorhanden sind, dann sind sie das für einen Hund ohne Beschwerden ebenso."

Es sind Erkenntnisse wie diese, die Martin Rütter dazu gebracht haben, sich noch einmal verstärkt dieser Thematik zu widmen. Aktuell ist er mit seinem Programm "Der will nur spielen!" auf Deutschland-Tour, kommt auch in die SAP Arena in Mannheim. Wenn der Hundeprofi gerade nicht auf der Bühne steht, beschäftigt er sich nach eigener Aussage aktuell sehr intensiv mit der veganen Hundeernährung. "Ich habe mir die Frage gestellt, wie in Ordnung es ist, wenn ich mir ein Tier halte, das andere Tiere frisst und damit Tierleid fördert. Und Hundefutter kommt in der Regel aus der Massentierhaltung."

Ein Gedanke, der nicht nur Veganern, sondern allen Tierliebhabern ein ziemlicher Dorn im Auge sein kann – das hat auch Rütter erkannt. "Das ist ein total moralisches Problem: Ich MUSS ja nicht mit einem Hund zusammenleben. Aber ich möchte es, weil es mich glücklich macht", erklärt er und ergänzt: "Mein Glück und das meines Haustiers kann ich ja nicht über das Leid anderer Tiere stellen. Deswegen finde ich den reinen Gedanken, einen Hund vegan ernähren zu können, erstmal spannend."

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