Farbenrausch

Provence in Gelb

Raps statt Lavendel: So schön ist der Frühling im Luberon.

11.04.2019 UPDATE: 13.04.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 15 Sekunden

Wer nur im Sommer in die Provence reist, verpasst dieses Bild: Im Luberon blüht derzeit der Raps in sattem Gelb. Hier vor den Toren der Ortschaft Murs. Foto: Sobik

Von Helge Sobik

Manchmal duftet der Frühling nicht. Dann leuchtet er. In strahlendem Gelb, enorm satt und intensiv. Es ist das andere Gesicht der Provence. Als würde sich die Sonne in den Blüten auf den Äckern spiegeln. Zypressen säumen diese Felder in loser Folge wie vom Himmel gefallene Ausrufezeichen, Gehöfte aus aufeinandergestapelten hellen Natursteinen thronen auf sanften Hügeln inmitten all dieses Gelbs als wäre es nie anders.

Hintergrund

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Anreise: Flüge z.B. mit Lufthansa (www.lufthansa.com) oder Air France

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INFORMATIONEN

Anreise: Flüge z.B. mit Lufthansa (www.lufthansa.com) oder Air France (www.airfrance.com) von Frankfurt nach Marseille ab etwa 80 Euro pro Strecke, Leihwagen z.B. bei Sunny Cars (www.sunnycars.de) ab 190 Euro/Woche. Wer mit dem eigenen Auto anreist, fährt von Heidelberg aus übers Elsass in Richtung Lyon und von dort weiter Richtung Avignon.

Maut: Fast alle Autobahnen in Frankreich sind mautpflichtig. Die Tarife sind recht hoch, Kreditkartenzahlung ist möglich.

Übernachtung: z.B. im stimmungsvollen Hotel "Le Crillon" in Murs im Luberon (über www.booking.com, DZ ab 75 Euro). Ferienwohnungen über Domaine de Saint-Jean bei Saint-Saturnin-les-Apt (www.ledomainesaintjean.com) ebenfalls im Luberon. Übernachtung mit Frühstück ab 110 Euro. Zahlreiche Ferienhäuser gibt es auch bei Novasol (www.novasol.de) und Interhome (www.interhome.de).

Essen & Trinken: In Saint-Saturnin-les-Apt ist das kleine "L’Estrade" mit täglich wechselnder Karte und typisch französischer Küche besonders gut. Vornehmer geht es im "Le Petit Palais d’Aglaé" bei Gordes zu. Die Feinschmecker-Abendmenüs für 60 Euro pro Person wechseln wöchentlich.

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Das aber, was da so intensiv blüht und nicht duftet, erwartet hier keiner so recht - nicht mitten in der Provence, nicht im Lavendel-Land: Raps. Bis hinter den Horizont. Endlose Felder bei Murs im Luberon zum Beispiel.

Still ist es drumherum, fast kein Auto ist jetzt auf den schmalen Asphaltbändern unterwegs, die sich durch die Hügellandschaft etwa 60 Kilometer östlich von Avignon und anderthalb Fahrtstunden nördlich von Marseille von Dorf zu Dorf winden. Ein Lieferwagen vielleicht, ein Traktor mal - kein Wohnmobil, keine Campinggespanne, fast kein Wagen mit ausländischem Kennzeichen. In den Cafés haben die Kellner Zeit für einen Plausch, in den Restaurants sind die besten Plätze auf den Terrassen frei.

Im Frühling scheint kaum ein Urlauber die Provence auf der Agenda zu haben. Und erst im Sommer wird es wieder so richtig voll - und teurer: Wenn die ganze Gegend in zartes Lila getaucht ist und über allem ein intensiver Blütenduft liegt. Das ist das Antlitz, für das diese Region so berühmt ist. Das Bild, das auf jedem Reiseführereinband zu sehen ist und die Tourismuswerbung bestimmt. Ihr anderes Gesicht ist aber ebenso schön.

Régine Liardet zuckt mit den Schultern. Sie ist ein wenig mitschuldig an dem Lila-Klischee. Die Frau ist Lavendelbäuerin in Sault. "Dabei blüht der Lavendel frühestens von Mitte Juni bis maximal Ende August", sagt sie. "Aber irgendwie ist sein Violett zu unserer Farbe geworden." Was sie vom Gelb der Rapsblüte hält? "Ach, das schönste an all der Zeit außerhalb der Lavendelblüte ist doch, dass dann viel weniger los ist", sagt sie. "Die Provence ist noch urtümlicher, unsere Dörfer liegen ruhig da. Und du kriegst überall einen Parkplatz." Jetzt lacht sie wieder. Liardet ist hier geboren, hat im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal ihrem Vater bei der Ernte geholfen und später gemeinsam mit ihrem Sohn den elterlichen Lavendel-Hof übernommen. Sie führt ihn bis heute, hat auch im Frühling geöffnet, verkauft in ihrem Hofladen Lavendelseife, Duftöle, Parfum - und getrocknete Lavendelsträuße. Weil Lila einfach dazugehört.

Mindestens sechs Wochen ist die Vegetation hier im Süden der in Deutschland voraus. Die vielen Mitarbeiter von Bernard Voisin sind deshalb bereits im April im Hochbetrieb. Voisin ist einer der größten "Arbeitgeber" der Region. Mehr als 19 Millionen Beschäftigte sind für ihn im Einsatz: Voisin ist "Chef" von über 320 Bienenstöcken mit jeweils gut 60.000 Bienen. Er ist Imker und verkauft den Geschmack der Provence im Glas - herrlich duftenden Lavendel-Honig im Sommer. Und jetzt eben Rapshonig. Seine Bienen sind nun in den Feldern und auch auf den Kirschplantagen bei Saint-Saturnin-les-Apts unterwegs, tanzen durch die Kelche bis die Sonne hinter den Hügeln verschwindet.

Morgens hängt oft noch Nebel in den Pinien hinter den Häusern und taucht die Nachbargebäude in geisterhaftes Licht. Von irgendwoher bellt ein Hund, kühl ist es, es duftet nach Pinien und Kräutern. Sobald sich dieser Vorhang zu lichten beginnt, setzt das Vogelkonzert ein - und keine halbe Stunde später ist der Schleier verschwunden. Das Thermometer klettert auf 22 Grad, der Himmel ist sattblau, es leuchtet in allen Farben.

Es ist dieses besonders intensive Licht, das seit jeher Künstler zum Malen hierher gelockt hat - im Frühling und Herbst mehr noch als im Sommer. Erst van Gogh weiter südlich nach Arles, dann Cézanne immer wieder an den Mont Ventoux mitten in der Provence, schließlich Pablo Picasso. Der hat sich vor fast 60 Jahren das trutzige Schloss von Vauvenargues bei Aix-en-Provence gekauft, dort sein Atelier eingerichtet und einfach aus dem Fenster geschaut hat. Dabei hat er sich mit dem Licht und den Farben aufgeladen - und dann gemalt. Weil er nie zuvor so viele Landschaftsbilder in so kurzer Zeit vollendet hat, sprechen Kunsthistoriker über seine Zeit in der Provence als "Picassos grüne Periode". Vor dem Portal des Schlosses ist er bestattet.

Wie der Frühling hier schmeckt? Nicht nur nach Honig, auch nach dem ersten frischen Gemüse der Saison, nach Radieschen und Tomaten, nach selbst gemachtem Käse direkt vom Bauernhof. Und nach einem Gläschen Rosé. Diesen trinkt man am besten auf einer Restaurant-Terrasse mit Blick über diese irgendwie archaische Landschaft, all diese in die Gegend gesprenkelten Dörfer. Die Provence - gerade hier im Luberon - ist noch so stimmig, so unverdorben. Es macht Spaß, über die Märkte zu bummeln, in kleinen Geschäften Zutaten einzukaufen. Und am Ende schmeckt die Provence nach allem, was die herzhafte Landküche mit mediterranem Einschlag hergibt - ob am Herd des Ferienhauses oder im Lokal.

Und wenn man später zuhause eines dieser mitgebrachten Honiggläser aufschraubt und probiert, dann ist das Provence-Gefühl auf einen Schlag wieder da. Was tun, wenn der Honig alle ist? Wieder hinfahren. Am besten im Frühling.