Wenn das heilige Tier zum Problem wird
Auf Sri Lanka kommen sich Mensch und Elefant immer öfter in die Quere. Doch zwei Biologen schaffen beständige Lösungen

Von Robin Höltzcke
Mit einem Lächeln im Gesicht begrüßen sich die Einwohner Sri Lankas. Sie falten ihre Hände unter dem Kinn und sagen bei einer kleinen Verneigung "Ayobowan" – übersetzt: "Ich wünsche dir ein langes Leben." Obwohl das buddhistisch geprägte Land harte Zeiten hinter sich hat, sind Hilfsbereitschaft und Höflichkeit hier selbstverständlich – auch gegenüber Touristen. Die meisten Einwohner haben eine enge Verbindung zu den hier lebenden Tieren, insbesondere den Elefanten – denn diese gelten als heilig.
In den Nationalparks lassen sich die gutmütig aussehenden Dickhäuter bei einer Jeep-Safari hervorragend beobachten. Die sanften Riesen sind für viele Dorfbewohner jedoch eine Gefahr. Auf der Suche nach Futter vertilgen sie Reisernten und zerstören Gebäude in den Dörfern. Zwar versucht die Regierung, etwas dagegen zu unternehmen. Doch die politischen Umstände machen das nicht gerade einfach.
Hintergrund
Informationen:
Anreise: Flüge von Frankfurt nach Sri Lanka gehen meist über die Stadt Doha in Qatar.
Übernachtung: In der Cinnamon Lodge bei Habarana kostet ein DZ inklusive Frühstück ab 149 Euro pro Nacht. Von
Informationen:
Anreise: Flüge von Frankfurt nach Sri Lanka gehen meist über die Stadt Doha in Qatar.
Übernachtung: In der Cinnamon Lodge bei Habarana kostet ein DZ inklusive Frühstück ab 149 Euro pro Nacht. Von dort aus lassen sich gut Elefantensafaris starten; www.cinnamonhotels.com/cinnamonlodgehabarana
Ausflüge: Für Elefanten-Safaris gibt verschiedene Anbieter in Habarana. "Nature Trails" etwa bietet Touren in die nahe gelegenen Nationalparks. Für Angebote einen E-Mail an:info@cinnamonhotels.com
Währung: Am Flughafen und in größeren Städten kann man problemlos Euro in zu Sri-Lanka-Rupie umtauschen. Für einen Euro erhält man 346 Rupien. (Stand Oktober)
Essen &Trinken: In Sri Lanka isst man überwiegend verschiedene Currys. Doch Vorsicht: Manche sind sehr scharf. Auch wenn es heißt "a little spicy" dann ist das schon oft mehr als einem lieb ist. Da das Wasser verunreinigt sein kann, lieber auf Salate verzichten. Wer Fleisch ist sollte darauf achten, dass dieses gut erhitzt wurde. Denn häufig haben die Tiere Bandwürmer.
Bis 2009 herrschte in Sri Lanka 26 Jahre lang Bürgerkrieg, denn ein Teil der hinduistischen Bevölkerungsgruppe Tamil im Nordosten der Insel forderte seine Unabhängigkeit. Der hitzige Konflikt ist weiterhin ungelöst und sorgt immer wieder für Unruhen. Nicht zuletzt führten die Maßnahmen der Corona-Pandemie dazu, dass die Wirtschaft stark einbrach. Stromausfälle und endlose Schlangen an den Tankstellen gehörten zur Tagesordnung, die Einnahmen durch den Tourismus sanken um mehr als das Achtfache.
Hinzu kommt, dass sich die Lebensmittelversorgung verschlechtert. Im April 2021 versuchte nämlich die Regierung, chemische Pestizide und Düngemittel aus dem Land zu verbannen. Über Nacht sollten die Landwirte biologischen Anbau betreiben. Als Folge des abrupten Importverbots ging jedoch die Reisernte um 25 Prozent zurück, die Lebensmittelpreise schossen in die Höhe. 2022 erreichte die Inflation dann ein Rekordhoch – mit mehr als 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Das stetige Bevölkerungswachstum und die Ernteeinbußen erhöhen den Druck, mehr Flächen für landwirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Es schwinden die Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten – darunter auch die der heiligen Elefanten. So kommt es immer häufiger vor, dass sie, angelockt durch den Geruch von gelagertem Getreide, Dörfer aufsuchen und dabei verwüsten. Außerdem weiden sie auf den bestellten Reisfeldern und zertrampeln diese.
Bewohner nahe der Stadt Habarana im Herzen der Insel berichten, dass sie Todesangst haben, wenn nachts ein Elefantenbulle sein Unwesen treibt. Auswertungen der letzten Jahrzehnte haben ergeben, dass immer mehr Menschen durch Elefanten ums Leben kommen – aber auch umgekehrt. 145 Menschen und 433 Dickhäuter waren es im Jahr 2022. Das berichten die beiden Biologen Jennifer Pastorini und Prithiviraj Fernando, der sich Pruthu nennt.

Die Schweizerin und der Singhalese haben sich während des Studiums in den USA kennengelernt. Seit knapp 20 Jahren erforschen sie auf Sri Lanka das Verhalten und die Bewegungen der Inselelefanten. Ihr Ziel ist es, Lösungen für ein friedliches Zusammenleben mit den großen Landsäugetieren zu entwickeln.
Sri Lanka ist das Land mit der höchsten Elefantendichte weltweit. Die meisten Tiere können sich frei auf der Insel bewegen und kommen fast täglich mit Menschen in Kontakt. "Maßnahmen, wie Elefantengruppen aus einem Gebiet zu verjagen, helfen nur kurzzeitig und sind für die Tiere mit hohem Stress verbunden", erklärt Pruthu. Auch ende die Umsiedlung einzelner "Problem-Elefanten" meist damit, dass diese früher oder später zurückkehren. Aufgestellte Fallen oder Brunnen, aus denen sie nicht mehr herauskommen, stellen eine Gefahr dar.
Der Versuch, die Tiere mithilfe von Feuerwerkskörpern zu vertreiben, koste die Regierung mehr als eine halbe Million Euro pro Jahr, erklärt der Biologe. Die Experten berichten auch von grauenvollen Praktiken, um die Tiere zu vertreiben – etwa Kürbisse gefüllt mit Sprengstoff.
Elektrisch umzäunte Nationalparks sind aus Sicht des Forscherpaars auch keine nachhaltige Lösung. "Elefantengruppen werden dadurch getrennt, und es kommt zu Futtermangel in den eingezäunten Gebieten. Außerdem lernen die Tiere schnell, die Zäune zu durchbrechen." Der Lösungsansatz der beiden Elefantenforscher geht zwar auch mit Elektrozäunen einher. Jedoch wollen sie nicht die Elefanten umgrenzen – sondern ganze Siedlungen. "Zum Schutz der Dörfer hat die Regierung solche Barrieren gebaut, aufgrund mangelnder Wartung sind sie aber unwirksam", erläutert Pruthu. Außerdem durchtrennen sie die Korridore der Elefanten.
Im 108-Familien-Dorf Bendiwewa installierten die Elefantenforscher mit den Bewohnern einen vier Kilometer langen Elektrozaun, um die Menschen vor den Elefanten zu schützen. Die Quintessenz sei, dass die Bewohner den Zaun eigenständig aufbauen und so ein Verantwortungsgefühl entwickeln. Zugleich legt die Gemeinde Geld für anstehende Wartungen zur Seite. Nur so könne dieser langfristig seinen Zweck erfüllen. Doch "es dauerte, bis die Einwohner von der Idee überzeugt waren", blickt die 54-jährige Pastorini zurück.

Seit einem Jahr betreibt die Dorfgemeinschaft erfolgreich den Elektrozaun. "Zweimal hat ein Elefant Äste auf den Zaun gelegt und ist so eingedrungen", berichtet Pastorini. Die Schäden seien aber klein gewesen. "Früher gab es fast jeden Tag Elefanten, die ins Dorf kamen." Damit dauerhaft Strom durch den Zaun fließt, ist dieser mit einem Solarpanel und einer Autobatterie verbunden. "Bei einer Berührung bekommt man einen starken Schock. Für Mensch und Tier ist das aber nicht lebensgefährlich", erklärt Pruthu.
Das Biologenpaar gründete in Sri Lanka das "Centre for Conservation and Research" und seit 2008 arbeitet es mit Gemeinden daran, effektive Zäune zu etablieren. Da das Dorf Bendiwewa den Zaun mit 5000 Euro pro Kilometer nicht finanzieren konnte, hat die Tui Care Foundation zwischen 2021 und 2023 den Bau finanziert. Außerdem soll das Projekt in Bendiwewa Vorbild für die politischen Entscheidungsträger sein.
Während Pruthu entlang des Zauns von Bendiwewa läuft, erkennt er ein kleines Problem, das aber fatale Folgen haben kann. Äste eines Busches berühren den Draht und erden so den Stromfluss. "Wenn ein Elefant das merkt, dann ist der Zaun für ihn kein Hindernis mehr", so der 61-Jährige.
Für sichere Reisernten soll das Dorf Bendiwewa zukünftig auch portable Elektrozäune einsetzen, mit denen die Bewohner ihre Reisfelder schützen können. Ein Reisfeld wird nur drei bis vier Monate im Jahr bewirtschaftet. Die übrige Zeit können die Elefanten dann auf den Flächen umherziehen. Dieses Jahr war es für den Reisanbau bei Bendiwewa zu trocken, sodass ein Zaun vermutlich erst nächstes Jahr zum Einsatz kommt.
Bei einer Jeep-Safari durch den Kaudulla-Nationalpark erzählt Pruthu, weshalb es so wenige Elefanten mit Stoßzähnen in Sri Lanka gibt. Nur rund fünf Prozent der Tiere haben diese. Das liegt daran, dass Elefantenbullen mit besonders großen Stoßzähnen als Tempelelefanten gehalten werden. Die Tiere gelten als Verkörperung Buddhas. Pompös geschmückt müssen sie bei kulturellen Höhepunkten mit Reliquien durch die Menschenmassen laufen. Die meiste Zeit verbringen sie jedoch angekettet – so auch im Tempel des religiösen Zentrums Kandy.
Außerdem hält man die Rüsseltiere, um schwere Arbeit verrichten zu lassen. Etwa Baumstämme aus den Wäldern schleppen. Ebenso problematisch ist, dass viele Elefanten auf Mülldeponien nach Futter suchen. Auch die Elefanten, die gerade im Nationalpark Kaudulla weiden, suchen offenbar den Abfall der Menschen auf. Das zeigt ein Kothaufen, der eine Plastiktüte enthält.
Was die beiden Biologen positiv stimmt – dass mehr Menschen auf sie zukommen und auch einen Zaun haben wollen. "Ich verweise sie dann immer an das verantwortliche Ministerium", so Pruthu. Denn nur, wenn genügend Dörfer und Menschen die Regierung ansprechen, werde sich etwas ändern. Es freut die Biologen ebenfalls, dass immer mehr Elektrogeschäfte die nötigen Materialien für solche Zäune anbieten. In diesem Sinne: Ayobowan – Mögen das heilige Tier und sein Verehrer ein langes Leben haben.