Abenteuer auf vier Rädern
Neun Monate, drei Quadratmeter, zwei Menschen: Unser Roadtrip im VW-Bus

Von Sarah Kringe
Die erste Lektion erteilt mir das Vanlife schon, bevor wir losfahren: Geduld. Natürlich passen die verflixten Nieten nicht in die Löcher, die ich gebohrt habe. Irgendwie muss ich mit dem Bohrer verrutscht sein und habe damit das Metallplättchen, das ich vorher mühevoll zugesägt hatte, unbrauchbar gemacht. Also noch einmal von vorn.
Während mein Freund Mathias innen im VW-Transporter, der einmal unser Zuhause sein soll, an der Elektrik schraubt, gehe ich fluchend zurück in die Werkstatt. Eine halbe Stunde Arbeit umsonst. "Wenn das so weitergeht, kommen wir nie los", denke ich, als ich erneut die Säge ansetze.
Mit Geduld bin ich schon von Natur aus nicht gesegnet. Mein oft hektischer Job als Pressereferentin im Berliner Politikbetrieb hat die letzten Jahre auch nicht dazu beigetragen, dass ich mehr Gelassenheit entwickle. Außerdem habe ich handwerklich zwei linke Hände. Bisher konnte ich eine Bohrmaschine kaum von einem Akkuschrauber unterscheiden und brauche deshalb für Arbeiten, die Mathias in ein paar Minuten erledigt hätte, deutlich länger, als es mir lieb ist.
Aber ich will unbedingt helfen. Um es im Instagram-Jargon zu sagen: Wir sind gerade mitten in unserer Vanconversion und kurz davor, uns ins Vanlife zu stürzen. Konkret bedeutet das, dass wir die nächsten Monate in einem selbst umgebauten Transporter leben werden.
Diesen Winter habe ich genau das gemacht, worüber man in Lifestyle-Magazinen so häufig liest: Ich habe einen hart erarbeiteten und gut bezahlten Job gekündigt und mit einem Mann, den ich erst seit ein paar Wochen kannte, einen Transporter gekauft um damit quer durch Europa zu fahren. Über den Balkan, das Baltikum und Finnland wollen wir zum Nordkap. Ein Trip von gut 15.000 Kilometern, für den wir maximal neun Monate Zeit haben.
Mathias habe ich letzten Herbst im Urlaub in Österreich kennengelernt. Er lebt in den Bergen im Pinzgau und der Kontrast zu meiner Wahlheimat Berlin könnte nicht größer sein. Hier die energiegeladene Großstadt mit ihren abertausend Möglichkeiten, dort das idyllische Bergdorf am Rande des Hohe Tauern Nationalparks.
Wer die ursprüngliche Idee für unseren Roadtrip hatte, weiß ich nicht mehr. Aber es war Mathias, der auf seine unnachahmliche österreichische Art meine Bedenken beiseite gewischt hat: "Scheiß di ned oa!" Damit war alles gesagt. Schnell hatten wir einen passenden Bus gefunden und den Winter über haben wir uns über den Innenausbau den Kopf zerbrochen und viel Organisatorisches erledigt.
Mit unseren Plänen sind wir nicht allein. Die sozialen Medien sind voller Globetrotter und Hippies, die genau dasselbe vorhaben. Vanlife ist eine Bewegung (Instagram: ein Movement), ein Lebensstil, eine Haltungsfrage. Zusammengefasst in einem Hashtag (vanlife).
Das ist zum einen praktisch, weil wir auf viele Tipps und Erfahrungswerte von anderen Busbastlern und Reisenden zurückgreifen können. Andererseits beschleicht mich während der Planungsphase immer mehr das Gefühl, dass nicht alles so sonnenuntergangsglücklich ist, wie es Instagram und Co. vermitteln. Vor allem lebenspraktische Fragen klammern die Influencer gern aus: Wie funktioniert das mit der Krankenversicherung? Muss man den Bus in einer anderen Fahrzeugklasse anmelden, wenn er umgebaut ist?, und so weiter.
Wir wollen, dass unser Bus möglichst autark funktioniert, sommers wie winters, und haben eine Standheizung und eine Solaranlage installiert. Das alles hat viel Nerven und noch mehr Zeit gekostet. Eigentlich wollten wir Mitte Mai losfahren, tatsächlich wird es die erste Juni-Woche. Und dass, obwohl ich seit Wochen Hummeln im Hintern habe und endlich los möchte. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass uns die wirklichen Herausforderungen noch bevorstehen: Funktioniert das, zu zweit auf drei Quadratmetern, über Monate? Ohne Toilette, ständig die Gefahr, im Chaos zu versinken, und die Aufgabe, einen Nachtplatz zu finden, an dem man nicht ausgeraubt wird? Findet man überhaupt die Einsamkeit und das Abenteuer, oder trifft man nur überall auf andere Vanlifer?
Während ich die Metallplatte zum zweiten Mal zusäge, hoffe ich, dass ich in den kommenden Monaten auch dafür genug Geduld aufbringen kann.
Info: In loser Reihenfolge berichtet uns Sarah Kringe an dieser Stelle von ihrem Wohnmobil-Abenteuer mit ihrem Freund Mathias.