Willkommen im Mittelalter
Das Château de Murol im im auvergnatischen Département Puy-de-Dôme wurde 1889 unter Denkmalschutz gestellt. Ein Glück, denn so blieben auch die historischen Anbauten erhalten.

Von Heiko P. Wacker
Sie sind in der Auvergne allgegenwärtig, die Kegel der Chaîne des Puys: 80 noch sehr junge Vulkane reihen sich hier zu einer Kette, der Puy de Dôme ist der wohl bekannteste. Man ist also an den Anblick dieser markanten Berge gewöhnt, rollt man westlich von Clermont-Ferrand durchs Land. Doch beim ersten Blick auf die Burg Murol bleibt trotzdem jeder stehen. Zu markant, zu dominant thront das Château auf seinem Basaltkegel. Es ist ganzjährig geöffnet, also schauen wir mal rein.
Die großzügigen Haltebuchten an der D5, die sich hier von Saignes nach Süden schlängelt, sind schon ein guter Hinweis. Erst eine Linkskurve, dann eine Rechtskurve, dann noch ein Stück bergab – und schon sieht man es zur Linken aufragen, das Château. Staunend steigen auch wir aus unserem VW California, um den Anblick zu genießen. Denn passend kommt die Sonne raus, und taucht das steinige Gebilde in helles Licht, während im Hintergrund die grauen Wolken mit der bewaldeten, diesigen Szenerie zu verschwimmen scheinen. Welch Dramatik!

Die Basaltzunge, auf der sich die befestigte Anlage erhebt, ist genau 1050 Meter hoch – und diese Ziffer entspricht auch den ersten Anfängen der Anlage. Denn gegründet wurde die Burg im 11. Jahrhundert, drei wichtige Straßenverbindungen konnten hier kontrolliert werden. Die Herrschaft Murol war ein ansehnlicher Besitz im Herzen einer fruchtbaren, wohlhabenden und vergleichsweise dicht besiedelten Region. Im 13. und 14. Jahrhundert genossen die Herren von Murol denn auch eine wichtige Stellung in der Auvergne. Doch auch sie hatten unter dem Hundertjährigen Krieg zu leiden: Zwar wurde die Burg von Murol niemals von den Engländern eingenommen, doch wurden die verheerenden Auswirkungen dennoch spürbar, nicht nur wegen der Epidemien verödeten viele der umliegenden Dörfer. Unter der Herrschaft von Guillaume schien es dann ab dem späten 14. Jahrhundert wieder aufwärtszugehen – besuchen wir ihn doch!
Der Weg zur Burg ist gut ausgeschildert, der Parkplatz auch für größere Fahrzeuge geeignet, und zudem kostenlos. Auch ein neues Besucherzentrum soll dieser Tage fertiggestellt werden. Gleich hinterm Tor werden Besucher mit einer Infobroschüre versorgt, die gibt es aktuell in fünf Sprachen – und natürlich auch auf Deutsch. Und mit der darf die Burg besichtigt werden, staunend stromert man durch die Küche und den Keller, steigt Treppen auf und nieder. Die Texte der Broschüre geben einen guten Einblick in die Geschichte der Anlage, die noch in großen Teilen intakt ist.
Zu verdanken ist dies der Tatsache, dass das "Château de Murol" bereits 1889 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Bedeutung der mittelalterlichen Höhenburg nahe der Gemeinde Murol war schon im 19. Jahrhundert offensichtlich. Ein Glück, denn so blieben auch die Anbauten des Spätmittelalters erhalten, denn ab 1390 wirkte Guillaume II. de Murol in seinen Ländereien und natürlich auch auf seiner Burg. Dort begegnet man ihm unversehens in seiner Stube. Zwar nur als Illumination und auch nur Französisch sprechend, und doch ist die Präsentation ungemein beeindruckend.
Denn während er mit dem Federkiel in seinen Büchern arbeitet, dabei auf- und abschreitet, mit sich selbst spricht und Beträge notiert, wird deutlich, wie wichtig seine Arbeit war. Immerhin hatte er sich nach Jahren des Rittertums auf die Burg zurückgezogen, um mit fester Hand über sein Eigentum zu walten. Zwanzig Jahre lang erledigte er alle seine Geschäfte selbst, während er die Festung gleichzeitig erweitern und restaurieren ließ. Der mächtige Turm oder die zweite Kapelle zeugen noch heute von seinem Fleiß. Zudem führte Guillaume zwei Register, in denen sich Gedichte und persönliche Erinnerungen mit Figuren, aber auch einem langen autobiografischen Testament vermischen.
Penibel verwaltet Guillaume seinen Besitz, mit spitzer Feder vermerkt er munter noch das kleinste Stück Kleidung in seinen Büchern. Die sind nun eine wertvolle Quelle der Geschichtswissenschaft, ein unschätzbares Zeugnis seiner Zeit. Im 15. Jahrhundert kam die Burg an die Familie d’Estaing, im 16. Jahrhundert ließ diese Kanonen aufstellen, später kamen noch Renaissance-Gebäude hinzu. Ein Jahrhundert danach jedoch wurde die Burg verlassen, sie zerfiel, kam aber schließlich an die Gemeinde Murol.
Heute ist Château de Murol gerade für Familien ein lohnendes Ziel: Eigens wurde eine Kammer mit historischen Gewändern eingerichtet, ein wenig Spaß am Verkleiden darf jeder haben. Doch wo die historischen Mauern zum Erkunden einladen, da laden die Shows und Vorführungen im Vorhof zum Staunen ein, vor allem die Ritter- und Pferdevorführungen ziehen die Besucher an. Auf der Homepage, und eine Burg, die was auf sich hält, hat natürlich eine, finden sich alle Infos bis hin zur Webcam. Die blickt über das Dorf Murol auf die Burg, die markant und dominant auf ihrem Berg thront. So modern kann ein Château sein.
INFORMATIONEN
Anreise: Bis zum Château de Murol sind es ab Heidelberg knapp 800 Kilometer über die A5 bis Müllheim im Markgräflerland und dann über die französische Autobahn via Lyon. Man ist gut beraten, in der Auvergne ein eigenes Fahrzeug zu haben, die Region bietet noch allerhand sehenswerte Kleinode.
Übernachten: Nur rund fünf Kilometer entfernt von Murol findet sich der Camping la Vallée Verte in Saint-Nectaire, die freundlich geführte Anlage bietet sowohl ein Schwimmbad wie auch ein Bistro, frisches Baguette und leckere Croissants gibt’s täglich auf Vorbestellung. Wer ohne eigenen Camper anreist, kann auf eins der elf Ferienhäuschen zurückgreifen: www.valleeverte.com
Château de Murol: Der Eintritt kostet in der Hochsaison 11,50 Euro für Erwachsene, Kinder zwischen zehn und 17 Jahren bezahlen 5,70 Euro, alle Besucher bis zum Alter von zehn Jahren sind frei, außerhalb der Schulferien ist der Eintritt vergünstigt. Die Anlage ist jedoch nicht barrierefrei, und auch für Kinderwagen nicht geeignet. Festes Schuhwerk sei empfohlen: www.murolchateau.com