Wenn der Blick in den Spiegel zur Qual wird
Bei der weltweit größten Behandlungsstudie zur Psychotherapie bei Magersucht sind auch Heidelberger Mediziner dabei.
Heidelberg/Tübingen. (kum) Für Anorexia nervosa Patienten und Patientinnen ist der Blick in den Spiegel eine regelrechte Tortur. Sie nehmen sich als übergewichtig wahr, obwohl ihr Body-Mass-Index bereits eine bedrohliche Form angenommen hat. Die Gewichtsreduktion wird durch eine chronisch geringe Nahrungsaufnahme erreicht. Frauen sind überproportional häufig von der Krankheit betroffen, nämlich im Verhältnis 1:12. Obwohl die Krankheit auf den ersten Blick rein äußerliche Merkmale aufweist, wie ein stark abgemagertes Erscheinungsbild, handelt es sich in erster Linie um eine schwere psychosomatische Erkrankung. Deshalb heißt es in internationalen Behandlungsleitlinien, dass die Psychotherapie die Behandlung der Wahl für Erwachsene mit Magersucht ist. Je nach Schwere der Erkrankung und Gewicht können Patienten und Patientinnen ambulant behandelt werden.
Eine Studie, deren Erkenntnisse bereits in die internationalen Behandlungsleitlinien eingeflossen sind, ist die "Anorexia Nervosa Treatment of Outpatients" kurz Antop, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dabei wurden drei innovative Behandlungsprogramme in einer randomisierten kontrollierten Studie verglichen.
Hintergrund
> Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine schwerwiegende psychosomatische Erkrankung, die insbesondere Frauen betrifft und oft tödlich verlaufen kann. Die Betroffenen sind enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Aber auch ihre Angehörigen stehen
> Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine schwerwiegende psychosomatische Erkrankung, die insbesondere Frauen betrifft und oft tödlich verlaufen kann. Die Betroffenen sind enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Aber auch ihre Angehörigen stehen unter einem großen Leidensdruck. Bereits 2014 entstand aus einer Kooperation zehn deutscher psychosomatischer Universitätskliniken unter der Leitung von Prof. Stephan Zipfel (Universitätsklinikum Tübingen) und Prof. Wolfgang Herzog (Universitätsklinikum Heidelberg) die weltweit größte Psychotherapiestudie für ambulante Magersucht-Patientinnen. Daran knüpft die aktuelle Fünf-Jahres-Nachuntersuchung mit ihren Ergebnissen an.
> Die "fokale psychodynamische Therapie" bearbeitet in Therapiesitzungen die ungünstige Gestaltung von Beziehungen sowie Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung von Emotionen.
> Die "kognitive Verhaltenstherapie" zielt auf die Normalisierung des Essverhaltens und Gewichtssteigerung sowie die Bearbeitung mit der Ess-Störung verbundener Problembereiche, wie etwa Defizite bei sozialer Kompetenz.
> Die optimierten Behandlungen der "Richtlinienpsychotherapie" wiederum orientieren sich an Methoden der Standard-Psychotherapie.
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"Fünf Jahre nach Therapieende wiesen die Patientinnen im Mittel in allen drei Therapiegruppen deutliche Verbesserungen auf, z. B. eine Zunahme des Gewichts, weniger gestörtes Essverhalten, weniger psychische Symptome", fassen Prof. Herzog und sein Nachfolger, Prof. Hans-Christoph Friederich, die Ergebnisse zusammen. Ziel der Fünf-Jahres-Nachbeobachtung der Antop-Studie war es, erstens die Langzeitergebnisse einer gut beschriebenen und recht homogenen Stichprobe erwachsener Patientinnen zu bewerten und zweitens zu untersuchen, ob die bei der Ein-Jahres-Nachbeobachtung festgestellten Behandlungsvorteile mehr als vier Jahre später fortbestehen würden.
Ursprünglich wurden 242 Patientinnen mit diagnostizierter Magersucht mittels eines randomisierten Verfahrens in die drei Therapiegruppen eingruppiert. Fünf Jahre nach Therapieende konnten 41 Prozent als genesen eingestuft werden, weitere 41 Prozent zeigten teilweise Magersucht-Symptome und 18 Prozent litten immer noch am Vollbild der Erkrankung. "Ein guter Therapieverlauf wird begünstigt von einem höheren Ausgangsgewicht, einer kürzeren Krankheitsdauer und dem Fehlen einer Depression bei Therapiebeginn", erklärt Prof. Beate Wild vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Da aber eine nicht zu unterschätzende Gruppe von Patientinnen leider einen ungünstigen Verlauf aufwies, fordert Prof. Stephan Zipfel vom Universitätsklinikum Tübingen: "Wir brauchen weitere und spezifischere Marker in der Frühphase der Erkrankung, um gezielter potenziell besonders gefährdete Patientinnen erfolgreich zu behandeln.