Die rechte Hand vom Tierarzt - TFAs kümmern sich um Hund und Halter

Der Alltag eines Tiermedizinischen Fachangestellten ist anspruchsvoller als viele denken.

07.09.2015 UPDATE: 07.09.2015 11:45 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden

Wie kann ich Ihnen helfen? Als Tiermedizinische Fachangestellte ist Melissa Schreckenberg die erste Ansprechpartnerin für Tierbesitzer am Empfang. Schreckenberg macht die Ausbildung in einer Praxis für Kleintiere in Borchen.  Foto: Ina Fassbender

Borchen (dpa)  Ihren Berufwunsch entwickelte Melissa Schreckenberg mit zwölf. Damals lief der Nachbarin ein Eichhörnchenbaby zu, die es mit der Flasche aufzog. Schreckenberg lief so oft wie möglich nach nebenan, um bei der Pflege zu helfen. "Das war für mich eine Art Schlüsselerlebnis", sagt die heute 18-Jährige. In ihr reifte der Wunsch, Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) zu werden. Inzwischen macht sie die Ausbildung in der Praxis für Kleintiere der Veterinärmedizinerin Gabriele Wiegand-Tripp im nordrhein-westfälischen Borchen.

"Ganz ehrlich, ich habe am Anfang meiner Lehre den Arbeitsalltag etwas unterschätzt", gibt Schreckenberg zu. Ein starker Bezug zu Tieren ist zwar ein absolutes Muss für die Tätigkeit. Das allein reicht aber nicht. Mindestens ebenso wichtig ist der freundliche Umgang mit den Tierhaltern. "Die Leute, die zu uns in die Praxis kommen, sind manchmal verzweifelt, weil es ihrem Tier so schlecht geht", erzählt die 18-Jährige. Dann muss die TFA einen kühlen Kopf bewahren, Einfühlungsvermögen zeigen und gleichzeitig den Praxisablauf im Auge behalten. Schreckenberg kennt inzwischen auch Situationen, in denen sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stößt - etwa wenn ein Tier eingeschläfert werden muss und der Halter trauert.

Doch obgleich sie inzwischen mehrere solcher Fälle erlebt hat, würde sie sich für die dreijährige Ausbildung zur TFA aufs Neue entscheiden. "Die Tätigkeit ist enorm vielseitig", sagt sie. Praxismanagement, Assistenz bei der tiermedizinischen Behandlung, Laboruntersuchungen, Schriftverkehr – das ist ein Teil der Aufgaben von TFA, deren Berufsbezeichnung bis 2005 Tierarzthelfer lautete. "Azubis müssen sich sehr viel Fachwissen über die einzelnen Tierarten, ihren Körperbau und ihre Krankheiten aneignen", sagt die 18-Jährige. Dieses Wissen wird auch in der Berufsschule vermittelt, die die Azubis regelmäßig besuchen.

Von Bewerbern wird kein bestimmter Schulabschluss erwartet. Gern gesehen ist ein Realschulabschluss, die Fachhochschulreife oder Abitur. "Grundkenntnisse in Physik, Chemie und natürlich in Biologie sind sehr hilfreich", sagt Silke Agus. Sie ist beim Verband medizinischer Fachberufe Leiterin des Referats Tiermedizinische Fachangestellte. Das naturwissenschaftliche Wissen hilft, Abläufe bei Laborarbeiten und bei Röntgenaufnahmen zu verstehen. "Bewerber müssen außerdem flexibel sein", erklärt Gisela Mettin vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mit Sitz in Bonn. Denn es kann vorkommen, dass auch außerhalb von regulären Dienstzeiten ein erkranktes Tier medizinische Hilfe braucht und die TFA assistieren muss.

TFA arbeiten in Tierarztpraxen, Kliniken oder in Zoos. Rund 95 Prozent von ihnen sind nach Verbandsangaben Frauen. "Die meisten von ihnen sind in einer Kleintierpraxis beschäftigt", sagt Agus. Dort müssen sie Organisationstalent haben. Denn in der Regel sind es die TFA, mit denen Tierhalter den ersten Kontakt haben. Dabei geht es nicht nur darum, die Daten des Tiers aufzunehmen. Die Fachangestellten müssen auch adhoc einschätzen können, wie viel Zeit für eine bestimmte Behandlung nötig ist, ob es sich um einen Notfall handelt und danach entsprechend bei der Terminvergabe vorgehen. Während der Sprechstunde assistieren sie dem Tierarzt bei den Untersuchungen. Sie nehmen von den Tieren Blut-, Kot- und Urinproben, untersuchen sie im Labor und dokumentieren sie.

"Bevor man mit der Ausbildung loslegt, sollte man wissen, dass es besser bezahlte Berufe gibt", sagt Schreckenberg. Die Ausbildungsvergütung liegt nach BIBB-Angaben im Schnitt bei 580 Euro im ersten und steigt bis auf 700 Euro im dritten Ausbildungsjahr. "Das sind aber nur grobe Richtwerte", erklärt Mettin vom BIBB. Die genaue Höhe der Vergütung kann je nach Bundesland und Arbeitgeber variieren. Gleiches gilt auch für das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung. "Die Tarifgehälter liegen bei zwischen 1572 und 1886 Euro brutto im Monat", erklärt Agus. Bei nicht tariflich gebundenen Arbeitsverhältnissen kann das Gehalt deutlich niedriger sein.

Nach der Ausbildung können die TFA auch in der Forschung, in der chemischen Industrie sowie in Institutionen des Gesundheits- und Veterinärwesens arbeiten. Anschließend ist etwa eine Qualifizierung zum Hundefachwirt oder eine Aufstiegsfortbildung auf dem Gebiet des Praxismanagements denkbar.

Melissa Schreckenberg geht es erst einmal darum, ihre Ausbildung gut zu Ende zu bringen und danach eine Anstellung zu finden. Den zahlreichen Jugendlichen, die die Tätigkeit von TFA als Traumjob ansehen, empfiehlt sie, erst einmal ein mehrwöchiges Praktikum in einer Tierarztpraxis zu machen. "Der Alltag sieht anders aus als in Filmen", sagt sie.