SAP Walldorf

"Es soll nicht noch mehr Leid entstehen"

SAP-Chef Christian Klein verteidigt die Entscheidung, Bestandskunden in Russland weiter zu bedienen. In einem Brief hat er dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj die Gründe für diese Entscheidung dargelegt.

16.03.2022 UPDATE: 16.03.2022 15:52 Uhr 3 Minuten
Mit Bewunderung beobachtet SAP-Chef Christian Klein, wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sein Land gegen den Angriff durch russische Truppen verteidigt. Foto: SAP

Von Barbara Klauß

Walldorf. SAP-Chef Christian Klein hat die Entscheidung des Konzerns verteidigt, das Geschäft in Russland trotz des Angriffs auf die Ukraine nicht komplett einzustellen. "Es soll nicht noch mehr Leid entstehen", erklärte der Vorstandsvorsitzende am Mittwoch in Walldorf.

Anfang März hatte Klein angekündigt, dass SAP das Neugeschäft in Russland stoppen werde. Bestandskunden, die nicht unter die Sanktionen fallen, erhalten jedoch weiter Programm-Updates oder Unterstützung bei technischen Problemen. Daran entzündete sich Kritik: So forderte etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die SAP auf, keine Unterstützung ihrer Produkte in Russland mehr anzubieten. "Jetzt darf es keine ,halben’ Entscheidungen geben!", schrieb er im Nachrichtendienst Twitter. "Es gibt nur schwarz und weiß, gut oder böse! Sie sind entweder für den Frieden oder unterstützen den blutigen russischen Aggressor, ukrainische Kinder und Frauen zu töten." Auch aus der SAP-Belegschaft wurde Kritik laut.

Herr Klein, wie sehr belastet Sie dieser Krieg persönlich?

Wenn man die Bilder aus der Ukraine sieht – das lässt niemand kalt. Sonst müsste man die Frage nach der Menschlichkeit stellen. Auch mich berührt natürlich zu sehen, dass zivile Gebäude unter Beschuss stehen – Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Wohnblöcke – und ich verurteile das aufs Schärfste. Gleichzeitig lernt man wieder wertzuschätzen, was es bedeutet, in einer freien Demokratie zu leben, in der man offen seine Meinung sagen kann.

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Sie haben angekündigt, dass SAP das Neukundengeschäft in Russland einstellt. Es gibt allerdings Menschen, die meinen, das ginge nicht weit genug.

Ich kann diese Meinung verstehen. Wie gesagt: Wenn man die Bilder dieses Krieges sieht, der ein großes Verbrechen ist gegen ein Land, in dem die Menschen einfach nur in Freiheit und Demokratie leben wollen. Dabei sterben unzählige unschuldige Menschen, das kann man nur verurteilen.

Zu der Frage, warum wir uns für dieses Vorgehen entschieden haben: Die Sanktionen sind sehr zielgerichtet und wirksam gegen Unternehmen, die direkt an diesem Krieg beteiligt sind. Für sanktionierte Unternehmen liefern wir natürlich nichts mehr. Da gilt auch für den Support der bestehenden Lösungen. Zudem sind wir über die Sanktionen hinaus gegangen und stoppen das komplette Neugeschäft in Russland.

Und weshalb stoppen Sie bei den anderen Kunden in Russland nicht auch den Support und den Service?

Zu diesen Fragen sind wir im ständigen Austausch mit der Politik. Und gerade die Politiker – sei es EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Frankreichs Präsident Macron, Bundeskanzler Scholz oder Wirtschaftsminister Habeck – sagen uns alle: Bitte richtet Euch nach den Sanktionen. Denn die sind zielgerichtet. Und es soll nicht noch mehr Leid entstehen.

Was unsere Technologie angeht: Wir betreiben damit Krankenhäuser, Supermärkte, Unternehmen, die wichtig sind für die Impfstoff-Herstellung und -Verteilung. Wenn wir das alles runterfahren, stoppt das nicht den Krieg. SAP möchte sich nicht anmaßen, es besser zu wissen als Politiker und Experten. Deshalb haben wir diesen Weg eingeschlagen. Und Sie können mir glauben: Diese Entscheidung haben wir fernab von allen finanziellen Auswirkungen getroffen. Sie folgt einfach nur dem Austausch mit der Politik – über den ich sehr froh bin.

Es gab das Gerücht, Sie seien in Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Frage, ob Sie Russland nicht noch mehr unter Druck setzen könnten. Ist da etwas dran?

Nein. Es gibt einen generellen Austausch zwischen Regierung und Unternehmen über weitere Sanktionen. Wenn die kommen, zieht SAP natürlich mit. Wir haben außerdem Technologie, mit der wir helfen können. Das habe ich auch in einem Brief an den ukrainischen Präsidenten Selenskyj noch einmal ausgedrückt: Mit Blick auf die Geflüchteten helfen wir bei der Koordinierung und Verwaltung. Unser Angebot, Büros in Unterkünfte für Geflüchtete umzuwandeln, steht. Mittlerweile haben wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern zwei Millionen Euro gespendet, Tendenz steigend. Das ist hilfreicher und sinnvoller für die Ukraine, als wahllos Geschäft runterzufahren.

Sie haben also Präsident Selenskyj einen Brief geschrieben?

Ja, wir sind im Austausch. Man muss sich mal in seine Situation versetzen. Wir sprechen in der Wirtschaft oft über Leadership. Und was ich bei Präsident Selenskyj sehe, ringt mir wirklich Bewunderung ab. Trotzdem man Familie hat, dennoch zu sagen: Ich bleibe hier, ist verteidige meine Hauptstadt, ich bin sichtbar, trotz aller Gefahren, die da lauern. Dem muss man einfach nur ganz großen Respekt zollen. Ich bewundere das zutiefst.

Das heißt, Sie nehmen es ihm nicht übel, dass er SAP öffentlich aufgefordert hat, mehr zu tun? Und dass er davon sprach, es gebe nur gut oder böse und SAP müsse sich sozusagen für eine Seite entscheiden?

Nein. Man muss die Situation mit Empathie betrachten und sehen, in welcher Lage sich die Ukraine gerade befindet, in welcher Lage auch er persönlich sich befindet. Er macht das in meinen Augen großartig. Und er ist ein Vorbild für viele in der Ukraine und darüber hinaus.

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