"Wir drücken uns nur anders aus": SPD-Fraktionschef Andreas Stoch (l.) und Parteichefin Leni Breymaier am Rande des Parteitags. Foto: dpa
Von Sören S. Sgries
Bruchsal. Nein, als gute Schauspielerin dürfte Leni Breymaier nicht durchgehen. Gerade hat die SPD-Chefin auf offener Bühne beteuert, dass es bei den Koalitionsspekulationen, die vor dem Wochenende aufkamen, keinerlei Konflikt mit der Landtagsfraktion gebe. "Andi Stoch und ich, wir sind da ganz einig in dieser Frage", hatte sie mit einem Blick auf den Fraktionsvorsitzenden beteuert. "Wir drücken uns nur anders aus." Dann bricht sie in Lachen aus. Vor aller Augen, am Bühnenmikro des Landesparteitags in Bruchsal. Lange. Herzlich?
Mehr Bauch, weniger Kopf: Das war der Wunsch vieler Genossen, als sie 2016, nach der krachenden Wahlniederlage bei der Landtagswahl, die Gewerkschafterin Breymaier zur neuen Chefin der Südwest-SPD wählten. Zu kalt, zu blutleer dahergekommen sei die Partei unter Nils Schmid, dem Finanz- und Wirtschaftsminister der grün-roten Regierungsjahre, so die Überzeugung damals.
Heute sieht das ein bisschen anders aus. Breymaier ist sich treu geblieben. Die 58-Jährige steht zu ihren Überzeugungen. Haut Sätze raus, wie ihr der - schwäbische - Schnabel gewachsen ist. Allerdings hat sich der Blick aus Teilen der Partei auf die eigene Misere gewandelt. Hatte man einst die verzweifelte Hoffnung, der 2016er-Tiefschlag sei die Ausnahme, ist inzwischen klar: Der SPD geht es generell schlecht. Die strategische Neuausrichtung ist wichtiger als ein paar ausgetauschte Köpfe. Und da mehren sich dann die Zweifel, ob das Duo aus Parteichefin Breymaier und ihrer Generalsekretärin Luisa Boos tatsächlich die notwendige strategische Raffinesse mitbringt - insbesondere bei denen, die mit dem Linkskurs des Damen-Duos überhaupt nichts anfangen können.
Also streitet man. Und zwar gerne weniger um der Sache als um der eigenen Profilierung willen. "Maximaler Dissens bei faktischem Konsens" ist das Mantra, mit dem Generalsekretärin Boos auch sich selbst zu erklären versucht, warum die Sozialdemokraten einfach nicht zur Ruhe kommen wollen, obwohl doch der Neuaufstellungsprozess, langfristig angelegt, in vollem Gange ist.
Zentraler Aufreger vor dem Parteitag in Bruchsal: die Positionierung der SPD gegenüber der kriselnden grün-schwarzen Regierungskoalition, die heillos zerstritten scheint. Teile der CDU-Landtagsfraktion befeuern sehr gezielt die Debatte um einen Koalitionsbruch - woraufhin eine "Deutschlandkoalition" aus CDU, SPD und FDP übernehmen könnte.
"Was für eine Schnapsidee", hatte Breymaier am Freitag verkündet. Eine Festlegung, die Fraktionschef Stoch im RNZ-Interview als "problematisch" bezeichnete. Und schon richtete sich der Fokus am Wochenende nicht auf Kretschmann, Strobl, Reinhart und Co., sondern auf die Sozialdemokraten.
Immerhin: Noch am Freitagabend gelang es offenbar, im Parteipräsidium einen Burgfrieden auszuhandeln. Statt Anträge auf dem Parteitag zu debattieren, verkündete Breymaier die Beschlusslage: Weiterhin gelte die Aussage von 2016, dass die SPD "in dieser Legislatur" nicht mit der CDU koalieren werde. Also: Sollte Grün-Schwarz tatsächlich auseinanderfallen, müsste es zu Neuwahlen kommen - oder doch die FDP eine grün-rot-gelbe "Ampel" ermöglichen. Daran glaubt aber niemand.
Zweite Ansage: In Sachen Wahlrecht - daran hatte sich die grün-schwarze Krise entzündet - gelte die Beschlusslage der SPD, wonach man ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht einführen wolle. Sozialdemokraten in einer Landesregierung gebe es nicht, ohne dass innerhalb der ersten 100 Tage das entsprechende Gesetz geändert werde, rammt Breymaier als Pflock ein.
Ist damit alles geklärt? Für Breymaier und Stoch vorerst schon.
Im weiteren Programm darf noch Bundes-Generalsekretär Lars Klingbeil die "Ankündigungsminister Spahn und Seehofer" attackieren und der Union zurufen: "Kommt raus aus der Schmollecke! Lest den Koalitionsvertrag! Wir wollen ihn umsetzen!" Später wird auf der Bühne in kleiner Runde über Digitalisierung diskutiert. Ein klares Bekenntnis für mehr Wohnungsbau wird verabschiedet. Weitgehend harmonisch.
Nur Juso-Chef Leon Hahn versucht noch, mit der Parteichefin in einen Disput zu kommen, ob der Reformprozess der SPD wirklich schnell genug voran geht. Doch so richtig darauf eingehen mag niemand mehr.