Moschee-Pläne werden wieder diskutiert - Glaubensort oder Kommerzzentrum?

10.12.2020 UPDATE: 11.12.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden

Von Brigitte Fritz-Kador

Auf der Facebook-Seite von "Ditib Heilbronn Merkez Camii" wird in türkischer Sprache kommuniziert; sie hat 3123 Mitglieder. Klartext für alle ist für die nächsten Tage zu erwarten, wenn man sich nach dem Bauausschuss nun auch im Gemeinderat mit den Plänen von Ditib auseinandersetzen wird. Ditib, die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion", will an der Weinsberger Straße den Neubau einer Moschee mit "Kulturzentrum" errichten – gegenüber vom K 3 und dem Theater.

Es ist ein weiterer Anlauf: Konkrete Pläne dafür gab es schon 2016 (wir haben berichtet), und das Bild auf Facebook zeigt schon einen zweiten Architektur-Entwurf, der erste für ein wahrhaft beeindruckendes Gotteshaus, erfuhr viel Zustimmung. Er stammte von dem Vorarlberger Star-Architekten Bernardo Bader, der für Heilbronn auch schon einen Städtischen Kindergarten entwarf und unter anderem gerade in der ARD-Kultursendung "Titel Thesen Temperamente" für seine Werke so gefeiert wurde: "Schönheit kann still sein – und Stil frei von Effekthascherei."

Dass Bader seinen Moschee-Entwurf seinerzeit auch ganz still zurückzog, verursachte dennoch einen Knall, auch wenn er zu den Gründen vornehm schwieg. Der ursprünglich avisierte Fertigstellungstermin zur Buga 2019 erwies sich danach schnell als nicht haltbar.

Längst wird die Nähe von Ditib wie auch eine finanzielle Abhängigkeit vom System Erdogan immer unüberhörbarer artikuliert: Zu weiteren Unklarheiten sagte damals Erdinc Altuntas – er war seinerzeit "nur" Vorsitzender von Ditib Heilbronn, ist inzwischen allerdings auch Vorstand von Ditib Baden-Württemberg und Mitglied des Bundesvorstandes: "Insbesondere unter Berücksichtigung der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Türkei und deren Auswirkungen auf die Bürger türkischer Herkunft in Heilbronn sowie auf die hiesige Gesellschaft sollte das Thema sensibel behandelt werden."

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Hintergrund

> Ditib ist nach eigenen Angaben mit rund 900 Moscheen der größte Moschee-Verband in Deutschland. In Baden-Württemberg gehören ihm 163 Gemeinden an. Der Berliner Tagesspiegel schrieb schon vor vier Jahren: "Die Ditib mit Sitz in Köln untersteht der Religionsbehörde Diyanet

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> Ditib ist nach eigenen Angaben mit rund 900 Moscheen der größte Moschee-Verband in Deutschland. In Baden-Württemberg gehören ihm 163 Gemeinden an. Der Berliner Tagesspiegel schrieb schon vor vier Jahren: "Die Ditib mit Sitz in Köln untersteht der Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Diese wiederum ist direkt dem türkischen Präsidenten unterstellt. Seitdem der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan heißt, steht die Ditib unter Verdacht. Seitdem sich Erdogan zum autokratischen Herrscher entwickelt, steht der Dachverband unter großem Druck. Es wird ihm unterstellt, der ,lange Arm Erdogans‘ zu sein, bis hinein in die deutschen Klassenzimmer – wie es die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen formulierte." Zu Ditib-Kritikern gehören auch prominente Grünen-Politiker wie Cem Özdemir. (bfk)

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Sensibilität ist aber keine einseitige Sache. Was unter dem Etikett "Moschee und Kulturzentrum" läuft, wird an einem sehr zentralen Ort in Heilbronn stattfinden. Schon jetzt sind Anwohner vom Lärm genervt, von der Verkehrssituation, und vor allem in der aktuellen Situation auch davon, dass man hier (oder auch in Neckarsulm) auch am Sonntag einkaufen, essen und feiern kann.

Nicht nur die Bauplanung hat inzwischen mehrere Neuauflagen erfahren, auch die Diskussion um sie. Man weiß, dass Oberbürgermeister Harry Mergel einem Moscheebau gegenüber offener eingestellt ist, als beispielsweise große Teile des Gemeinderates. So hatten sich 2018 die Fraktionsvorsitzenden Thomas Randecker (CDU), Nico Weinmann (FDP) und Herbert Burkhardt (Freie Wähler) in einem offenen Brief an Mergel gewandt, in dem es unter anderem hieß: "Die unterzeichnenden Fraktionen haben über dieses Bauvorhaben getrennt voneinander beraten, kommen aber gemeinsam zu folgendem Ergebnis: Das Bauvorhaben wird von der Ditib-Organisation vorangetrieben unter der Überschrift ,eines Moschee-Neubaus‘. Tatsächlich entwickelt sich das Bauvorhaben mehr und mehr zu einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum sowie zu einem türkischen Kulturzentrum mit angeschlossener Moschee. Damit aber stellt sich die Frage, ob aus städtebaulicher Sicht ein derartiger Gebäudekomplex richtig angesiedelt ist oder ob dabei nicht eher städtebauliche Ziele verfehlt werden."

Weiter wurde in dem Brief auch noch angesprochen, dass es im Städtebau nicht nur um Optik, sondern eben auch um Nutzung gehe: "Diese Stadt in der Stadt, welche von der Ditib gebaut und betrieben werden soll, wird dadurch wiederum zu einem geschlossenen System ausgebaut werden, denn zu einem Bestandteil der Stadt. Auch hinsichtlich der Zielgruppe, die dort angesprochen wird, wird eine einseitige Ausrichtung erwartet."

Wie immer die jüngsten Pläne aussehen: Zu den grundsätzlichen Bedenken gegen das Bauvorhaben wegen der Lage an der hoch verkehrsbelasteten Weinsberger Straße, seiner Ausdehnung und seiner Nutzung, gibt es Bedenken auch in anderen Fraktionen, und dass die AfD das Projekt bejubeln wird, ist auch nicht zu erwarten. Alexander Throm, Stadtrat und CDU-Bundestagsabgeordneter, hat im vergangenen Jahr in einer Stellungnahme ebenfalls von einer "Stadt in der Stadt" gesprochen und Zweifel daran erkennen lassen, "ob die zukünftige Nutzung tatsächlich zu einer gedeihlichen Gesamtentwicklung der Stadt führen kann".

Es ist kaum übersehbar, dass die Mehrheitsfindung für den Bau schwierig werden könnte, aber das Vorhaben hat noch andere Fragezeichen, etwa die Finanzierung. Altuntas hatte von Anfang an erklärt, der Bau werde über Spenden finanziert. Aus welchen Quellen diese kommen, ist eine andere Frage, und eine weitere die, ob hier dann nur in Deutschland ausgebildete Imame eingesetzt werden.

Reinhold Gall (SPD), der frühere Innenminister, hegte schon Zweifel daran, und von seinem Nachfolger Thomas Strobl (CDU) weiß man, dass die Landesregierung Ditib "scharf im Blick hat und die Entwicklungen mit wachsamem Auge verfolgt". Auch Stadtrat und Landtagsabgeordneter Nico Weinmann vermisst schon länger strukturelle Veränderungen bei Ditib im Blick auf die türkische Regierung und die Religionsbehörde Diyanet. Ein Kernvorwurf eint viele Politiker vieler Parteien, und er ist nicht neu: Ditib-Moscheen seien aus der Türkei gesteuert, verbreiteten eine abgrenzende Form des Islam und verhinderten die Integration.