Von Andreas Böhme, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Vor bald sieben Jahren wurde in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen, gestern begann die parlamentarische Aufarbeitung des dem rechtsextremistischen NSU zugeordneten Mordes. Sieben Jahre hat der Landtag gebraucht, um den Untersuchungsausschuss auf die Beine zu stellen - und zäh verlief auch die erste Zeugenvernehmung.
Nur weil die Grünen durch interne Querelen eine erste parlamentarische Untersuchungskommission zu Fall brachten, kam der Ausschuss als zweiter Versuch überhaupt zustande. Nur knapp ein Jahr vor der letzten Landtagssitzung haben sich die Abgeordneten ein Mammutprogramm verordnet: 17 Sitzungen allein bis zum Sommer, danach ein Abschlussbericht im Herbst. Am 16. Februar 2016, dem letzten Plenum dieser Legislaturperiode, könnte der dann das Parlament durchlaufen.
Doch noch nicht mal alle Akten liegen vor, geschweige denn, dass sie gelesen wären. Ins Innenministerium nach Berlin, aber auch zum Oberlandesgericht in München, das der mutmaßlichen Drahtzieherin der Neonazi-Mörderbande bereits seit zwei Jahren den Prozess macht, werden erst mal Sachverständige geschickt, die aus dem Wust von Akten jene herausfiltern sollen, die relevant sein könnten für die Stuttgarter Ausschussarbeit.
Im Mittelpunkt dabei die Frage, ob der Polizistenmord zufällig oder gezielt geschah, ob der rassistische Ku-Klux-Klan dabei eine Rolle spielte sowie die generelle Klärung, was an der Sicherheitsarchitektur, also dem Zusammenspiel von Polizei, Geheimdienst, Justiz und Politik im Land, möglicherweise falsch gelaufen ist.
Der erste Zeuge, der Hamburger Ex-Verfassungsschützer, Justiz- und Innensenator Heino Vahldieck (CDU) konnte dazu nichts beitragen, obwohl er Mitglied jener Bund-Länder-Kommission war, die die Mordserie als erste beleuchtete. "Baden-Württemberg stand nicht besonders im Blickpunkt", sagte Vahldieck. Der Südwesten habe angefordertes Material rasch geliefert, ein generelles Systemversagen habe man nicht festgestellt, und die Sicherheitsstrukturen einzelner Bundesländer hätten in der damaligen Debatte keine Rolle gespielt. Das allerdings, räumte Vahldieck ein, sei der Stand von vor zwei Jahren, als seine Bund-Länder-Kommission ihren 400-Seiten-Bericht abschloss. Seither sind in fünf anderen Bundesländern Untersuchungsausschüsse zum Teil noch immer tätig, manche warten sogar noch auf Akten.
Über weitere Zeugenanhörungen hat der Ausschuss dann nicht öffentlich beraten. Man will, nach dem Streit in der vorangegangenen, gescheiterten Enquète-Kommission, nun möglichst fraktionsübergreifend arbeiten. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler: "Wir wollen das gemeinsam machen als Signal des Landtags, wir gewinnen alle, wenn wir zusammenarbeiten."
Doch schon bei der Terminierung deuten sich erste Differenzen an: Der grüne Obmann Jürgen Filius will die Arbeit bis zum Herbst beendet wissen und im Abschlussbericht Handlungsempfehlungen an die Politik geben. Drexler hingegen deutet an, dass bei einer vielversprechenden Spurenlage die Untersuchung nur vorläufig abgeschlossen werde, sodass ein neuer Landtag nach der Wahl darauf aufbauen und weiter ermitteln könne.