Warum der Abschuss von Problem-Bibern erleichtert wird
Über Nacht können sie so geschickt Dämme bauen und Bäche stauen, dass Felder überflutet und Straßen unterspült werden können. Nun will das Land den größten Problem-Bibern an den Kragen.

Stuttgart. (dpa/lsw) Sie mögen putzig aussehen mit ihren Stupsnasen und den großen Schneidezähnen. Aber etliche Menschen, Landwirte vor allem, würden den Bibern im Land am liebsten auf den Pelz rücken. Denn findet so ein Nager entlang eines Bachs oder Flusses ein passendes Plätzchen, baut er oft einen Damm aus Ästen, Baumstämmen und Steinen.
Sein Ziel: Das Wasser muss tief genug sein, um ungehindert schwimmen zu können. Und der Eingang zum Bau muss von Wasser bedeckt sein. Die Folge: Wasser staut sich, tritt über die Ufer, überspült Felder und untergräbt Straßen oder Eisenbahnlinien.
Weil die Zahl der tierischen Bauherren förmlich explodiert ist und damit auch immer mehr Ärger aufkommt, traut sich das Land nun an ein heißes Eisen heran: Echte Problem-Biber sollen leichter abgeschossen werden können. "Es gibt Stellen, da kommt man mit den bisherigen Mitteln nicht weiter", sagt der Staatssekretär im Landesumweltministerium, Andre Baumann.
Wie das gehen soll, was das bringen könnte und was dagegen spricht:
Wie will das Land den Abschuss künftig regeln?
Mit einer neuen Biber-Verordnung soll den Kommunen und Behörden mehr Handlungsspielraum gegeben werden. "Der Abschuss eines Bibers wird möglich, wenn mildere Maßnahmen nach vier Wochen nicht wirken und die Anlagen technisch auch nicht mit vertretbarem Aufwand geschützt werden können", sagte Baumann (Grüne) der "Schwäbischen Zeitung". Die Vorgabe soll die Bedingungen für solch eine sogenannte letale Entnahme regeln. Das wäre insbesondere der Fall, wenn Schäden an Hochwasserschutzanlagen zu befürchten sind, an Kläranlagen oder Bahndämmen. Zudem wird eine Clearing-Stelle im Umweltministerium eingerichtet, um Verfahren zu beschleunigen.
Hat das Land bereits Erfahrungen gemacht?
Ja, bis Ende 2023 wurde in einem zweijährigen Modellprojekt in den Kreisen Sigmaringen, Ravensburg, Biberach sowie in Ulm und dem Alb-Donau-Kreis erprobt, wie sich der Abschuss von Bibern auswirkt und wie dies organisiert werden kann. In vier Fällen, zwei davon im Rahmen des Projekts, wurden Tiere laut Ministerium nach sorgfältiger Prüfung der einzelnen Fälle getötet. In Bayern ist das Töten von Bibern bei schweren Konflikten schon einfacher möglich.
Wie wurde das bislang gemacht?
Bislang prüfen die ehrenamtlichen Biber-Berater ein Problem vor Ort und stimmen sich mit den Unteren Naturschutzbehörden ab. Gibt es keine Lösung, kommen die Oberen Naturschutzbehörden in den Regierungspräsidien ins Spiel. Das kostet Zeit, weil es Einsprüche, Klagen und Aussprachen geben kann. "In Zukunft soll das schneller gehen", sagt Baumann. "Wir vereinfachen die Entscheidungswege."
Wie groß ist das Biberproblem wirklich?
Naturgemäß gehen die Ansichten hier weit auseinander. Unwidersprochen ist, dass die Zahl der Tiere enorm zugelegt hat. Galten sie bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa als nahezu ausgerottet, breiteten sich die Biber ab den 1970er Jahren unter anderem im Zuge von Wiederansiedlungs-Projekten wieder aus. Vor 20 Jahren gab es noch 650 Exemplare in Baden-Württemberg, nun sollen es laut Umweltministerium weit mehr als 11 000 sein. Während aber die Naturschützer betonen, der Biber verbessere Wasserqualität und Artenschutz, verweisen vor allem die Landwirte auf die Schäden auf den Feldern.
Wo ist der Konflikt am größten?
Besonders betroffen ist Oberschwaben, allen voran der Landkreis Ravensburg. Dort werden die meisten Probleme gemeldet. "In manchen Landkreisen haben Biber nahezu jedes gute Revier besiedelt", sagt Baumann. "Dann weichen sie in weniger geeignete Reviere aus – genau dort entstehen Probleme."
Von wie vielen Abschüssen ist künftig auszugehen?
Das Ministerium geht davon aus, dass die bisherigen Mittel in rund acht Prozent der Fälle nicht ausreichen. Das heißt allerdings nicht, dass die Problem-Biber auch gleich zum Abschuss freigegeben werden. In den meisten Konfliktfällen werden Lösungen gefunden, betonte eine Sprecherin des Ministeriums. Die Tötung sei künftig lediglich eine zusätzliche Option für sehr schwere Fälle.
Eine Gesamtzahl der Problemfälle konnte das Ministerium nicht nennen. Mit Blick auf die Abschüsse während des Modellprojektes dürfte sich die Zahl der extremen Konfliktfälle aber im Rahmen halten.
Welche Schäden richten Biber an und was wird bislang unternommen?
Das Land setzt bislang auf präventive Maßnahmen, auf Plastikrohre etwa, die in einen Damm hineingetrieben werden können, sodass das Wasser hindurchfließen kann. Es können auch Biberschutzmatten in die Ufer eingebaut werden. Maßnahmen wie diese haben das Land im Jahr 2023 rund 70.000 Euro an Fördermitteln gekostet. Neben technischen Schutzmaßnahmen setzt das Land auch auf Flächenankauf, um Konflikte zu vermeiden. "Da tut man gleich auch etwas für den Biotopverbund im Land", sagt Baumann.
Warum lehnen die Naturschützer den Abschuss ab, wenn der Biber so viel Schaden anrichtet?
Der Biber ist trotz seiner starken Zunahme streng geschützt, seine Präsenz für die Ökosysteme ist - das ist unwidersprochen - wichtig. Die Nager schaffen unter anderem Lebensräume für Libellen, Amphibien, Reptilien, Fische und Vögel. Andererseits können seine Dämme auch Abschnitte von Bachläufen trockenfallen lassen und dort lebende Tiere und Pflanzen bedrohen, wie den Süßwasserfisch Groppe oder Flussmuscheln.
BUND-Landesgeschäftsführer Martin Bachhofer bezeichnet die Pläne des Landes als "höchst problematisch". Ein Abschuss sei keine dauerhafte Lösung: "Frei gewordene Reviere werden meist rasch durch neue Tiere besetzt", sagte Bachhofer der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem könne ein Abschuss schnell zur Standardmaßnahme werden, wenn nach nur vier Wochen entschieden werden könne.