„Richtig krass daneben“ fand Schick die BaFin im Wirecard-Skandal. Foto: Finanzwende
Von Sören S. Sgries
Heidelberg/Berlin. Wie kann man ein aus den Fugen geratenes Finanzsystem wieder in die Spur bringen? Als gut vernetzter Finanzpolitiker im Bundestag? Oder als Kopf einer außerparlamentarischen "Bürgerbewegung"? Vor genau zwei Jahren, Mitte September 2018, machte Gerhard Schick seine Entscheidung öffentlich: Der profilierte Mannheimer Grünen-Abgeordnete, den sich viele durchaus in einem Regierungsamt hätten vorstellen können, kündigte an, sein Mandat niederlegen zu wollen. "Keine leichte Entscheidung", sagte er damals. Doch er glaubte an sein neues Projekt: die "Finanzwende".
Zwei Jahre später bereut der 48-Jährige nichts. "Natürlich ist der Aufbau einer solchen Organisation etwas, was nicht in zwei Jahren gelingt. Mit den ersten zwei Jahren sind wir aber sehr zufrieden", sagt er beim Telefonat mit der RNZ. "Es gab mehr Resonanz, als wir gedacht hätten – beispielsweise, als wir Vertriebspraktiken von MLP hinterfragt haben."
Das feste Team, dem Schick vorsteht, zählt 17 Mitarbeiter. Hinzu kommen viele Idealisten, die das Anliegen der "Finanzwende" teilen – nämlich der "großen" Finanzlobby mit Banken, Hedgefonds und Co. Paroli zu bieten. "Wir brauchen noch mehr Mitstreiter", gibt Schick zu. "Aber bereits heute ist unsere Arbeit wichtig. Wir machen auf Probleme aufmerksam und finden Gehör – das geht auch ohne über 1000 Mitarbeiter wie die Finanzlobby zu haben."
Ein zentrales Anliegen: "Die vielen Verlierer am Finanzmarkt müssen stärker zu Wort kommen." Finanzthemen werden nach Schicks Ansicht viel zu wenig diskutiert. Ein Beispiel? "Zu CumEx gab es noch keine politische Talkshow – ganz anders als zum Dieselskandal, den man in der Dimension gut vergleichen könnte." Also fragt "Finanzwende" nach, wie eigentlich Schattenbanken reguliert sind. Ob die nächste Bankenpleite droht.
Ein Dauerthema dabei: Das Versagen der Aufsichtsbehörden, insbesondere BaFin, der "Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht". Der Wirecard-Skandal habe es wieder, wie schon bei CumEx, bestätigt, sagt Schick: "Die BaFin hat vieles falsch eingeschätzt, vieles verschlafen." Und wo sie tätig geworden sei, habe sie zu einseitig gegen die Kritiker von Wirecard Partei eingriffen. "Das ist schon richtig krass daneben, was die BaFin da geleistet hat – aber es überrascht mich nicht", so Schick. Die Behörde müsse im Bereich der Finanzkriminalität besser aufgestellt werden, mehr Ermittlungskompetenz bekommen. "Wenn die politische Rückendeckung da ist, kann eine staatliche Behörde richtig knackig gegen Kriminalität kämpfen. Es ist eine Frage des politischen Willens."
Ein zweites Großthema, das "Finanzwende" umtreibt: die Abzocke bei der Altersvorsorge durch hochkomplexe Finanzprodukte. Warum die Leute diese kaufen? Weil sie auf Berater hereinfielen, die in erster Linie Verkäufer seien – und auf dicke Provisionen hofften. Schicks Wunsch: Beratung sollte es nur noch unabhängig, aber dafür auf Honorarbasis statt für Provision geben. Zu teuer? "Heute zahlen Menschen, die nicht viel Geld haben, ohne es zu wissen viele Hundert Euro für eine nicht unabhängige Beratung, weil die Provisionen eben nicht unmittelbar sichtbar sind", so Schick. Und ein staatlich bereitgestelltes Altersvorsorgeprodukt, so wie in Schweden, das wäre gut: Niedrige Kosten, gute Rendite – Schick ist ein Fan.
Corona, ist er überzeugt, verhindert keine Reformen, sondern biete sogar Chancen, könnte "Verbesserungsweg" sein Es sei nicht zu spät. Das aktuelle Buch des Finanzpolitikers, in dem er viele Ideen sammelt, heißt "Die Bank gewinnt immer". Wenn es nach ihm geht, bleibt es nicht dabei.